Captain Beefheart


21 So ungern man als öder Nostalgiker dastehen möchte — es ist nun mal nicht zu leugnen, daß Rockmusik in den sechziger Jahren viel interessanter war als heute. Die Diktatur des Musik-Videos lag noch in weiter Ferne, und die Talent-Scouts der Plattenfirmen waren auf der Suche nach Bands, die anders klangen (im Gegensatz zu ihren heutigen Kollegen, die das Neue scheuen wie der Teufel das Weihwasser). Don Van Vliet alias Captain Beefhart stand jedoch selbst nach den Normen der damaligen Zeit allein auf weiter Flur, und „Trout Mask Replica“, produziert von seinem alten Schulfreund Frank Zappa, war so schräg wie eine Platte überhaupt nur sein kann. Über einen Zeitraum von drei Jahren hatte Don und seine Magic Band das eher konservative Blues-Rock-Format von „Safe As Milk“ zu neuen Ufern geführt: Delta-Blues, hier mit stolpernden Stop-and-Go-Rhythmen unterlegt, war immer noch Teil der Mixtur, wurde aber großzügig angereichert mit einer Art primitivem Free-Jazz und (nicht immer so ganz richtig verstandenen) Konzepten aus der Neuen Musik des 20. Jahrhunderts, das Ganze garniert mit Beefhearts surrealen Texten. Daß die Vocais mitunter sehr merkwürdig zwischen den Rhythmen sitzen, ist darauf zurückzuführen, daß Beefheart sich weigerte, bei den Aufnahmen Kopfhörer aufzusetzen. Zappa:“Er zog es vor, mitten im Studio zu stehen und so laut zu singen, wie er nur konnte — er sang einfach zu dem, was so an Geräuschen durch die drei Glasscheiben drang, die ihn vom Kontrollraum trennten. Die Chancen, daß er synchron mit der Instrumentalspur blieb, waren gleich null.“ Vielleicht ist das letztlich auch nicht so wichtig. Was zählt ist, daß der radikale Free-Rock auf „Trout Mask Replica“ seinen eigenen Regeln niemals untreu wird und selbst heute immer noch für Überraschungen sorgt.