CD-Platten


Das Märchen von den angeblich soviel „dynamischeren“ und klanglich überlegenen Disco-Mix-Versionen – im übrigen ein Märchen, das nicht zuletzt den Maxi-Single-Boom der letzten anderthalb Jahre so nachhaltig gefördert hat! – wurde kürzlich wieder mal bös entzaubert. Vergleicht man nämlich die extra neu abgemischten Songs der Eurythmics-LP TOUCH DANCE mit den normalen Fassungen, die auf CompactDisc vorliegen (RCA PD 70109), hört man selbst über eine mittelprächtige Stereoanlage auf Anhieb, daß die CD in puncto Dynamik weit überlegen ist. Denn die nachbearbeiteten Disco-Mischungen klingen ungefähr so, als seien sie für Autolautsprecher komprimiert worden: mattere Bässe, beschnittene Höhen, weniger definierte Mitten usw. Daß Sound-Tüftler Dave Stewart die technisch verschlimmbesserten Versionen überhaupt zur Veröffentlichung freigab, ist verwunderlich genug.

Ein Kuriosum anderer Art ist das jetzt in zwei unterschiedlichen (!) CDs vorliegende Alan Parsons-Opus I ROBOT. Die von den kalifornischen Nobel-Pressern bei Mobile Fidelity Sound Lab überspielte und in Japan gefertigte Fassung (MFSL MFCD 804, Vertrieb über Erus Technik in Eschborn) weist zwar leichten Brumm auf, wenn man lauter aufdreht und in die Pausen zwischen den Songs reinhört. Sie rauscht aber auch wesentlich weniger als die CD, welche die Ariola bei PolyGram in Hannover pressen ließ (Arista 610 142).

Apropos Alan Parsons Project: Inzwischen liegen sämtliche Produktionen der Band auf CD vor, und zwar einschließlich der BEST OF…-Kopplung von 1983 und AMMONIA AVENUE. Die Industrie rechnet richtigerweise, wie man nach den Erfahrungen des Handels wohl sagen muß – damit, daß sich der Doldinger-Soundtrack zur UNENDLICHEN GESCHICHTE auf CD halt besser verkauft als die jüngste Elvis Costello-Produktion. Ein Bestseller ist nun mal ein Bestseller, und darum kann man mittlerweile auch das Gesamtwerk der Synthi-Popper Depeche Mode auf CD kaufen.

Und demnächst kann man das dann auch im Auto in Digitalqualität abspielen. Denn Ende des Monats stellen auf der Düsseldorfer „hifivideo 84“ neben einschlägig bekannten Firmen wie Pioneer auch andere Car-HiFi-Spezialisten ihre ersten serienreifen CD Player für den Einbau im Automobil vor. Ob allerdings der Laserstrahl auch dann noch brav die Spur hält, wenn man asphaltierte Straßen verläßt, wird in der Praxis erst noch nachzuprüfen sein. Ob diese Auto-CD-Player in Italien etwa der große Verkaufsschlager werden, darf bezweifelt werden. Ganz abgesehen von den höheren Temperaturen südlich der Alpen, die unliebsame Verwellungen der Silberplättchen verursachen könnten, gibt es dort Profis, die sich auf das „Ausschlachten“ von Auto-HiFi-Anlagen spezialisiert haben.

Unter den bemerkenswerteren CD-Novitäten des Monats findet man ein halbes Dutzend Jazzproduktionen des ECM-Labels, die sich durchweg durch exzellente Klangqualität auszeichnen, und zwar einschließlich der Chick Corea/Gary Burton-Aufnahme IN CONCERT, ZÜRICH, OCTOBER 28, 1979 (ECM 821 415-2). Solche Live-Mitschnitte waren – siehe STILL LIFE von den Stones (Rolling Stones Records 39113-2, US-Import) oder auch ALCHEMY von Dire Straits in der Regel auf CD doch ziemlich enttäuschend, nachdem sie Null Mehrwert an Klangqualität gegenüber der schwarzen Scheibe boten. (Was im übrigen genauso für praktisch alle auf CD publizierten live-Mitschnitte von „klassischer“ Musik gilt.) Anders dieser Konzertmitschnitt mit seiner überdurchschnittlichen Dynamik.

Die für Popfans interessanteste neue ECM-CompactDisc dürfte AS FALLS WICHITA, SO FALLS WICHITA FALLS von Pat Metheny und Lyle Mays sein (ECM 821 416-2), während die Liebhaber von Minimal Music sich wohl mehr für Steve Reichs MUSIC FOR 18 MUSI-CIANS (ECM 821 417-2) erwärmen dürften. Die jüngsten Keith Jarrett-CDs sind MY SONG (821 406-2) und die gerade erst parallel auf LP veröffentlichte CHANGES (817. 436-2).

Solche Parallelveröffentlichungen streben mittlerweile sämtliche größeren Plattenfirmen an, wenn die neuen Aufnahmen von Rod Stewart oder OMD, Cars und Human League, Chris de Burgh und Jermaine Jackson ins Haus stehen, deren letzte Produktionen gerade alle auf CD erschienen sind. Wie gut die Aufnahmen technisch ausfielen, scheint herzlich wenig zu interessieren. In manchen Fällen ist die Klangqualität – etwa bei CAFE BLEU von Style Council (Polydor 817 535-2) oder Rick Springfields LIVING IN OZ (RCA PD 84660) mit der der LP identisch, in anderen aber wunderlicherweise nicht. Joe Jacksons BODY AND SOUL (A & M CDA 65000) beispielsweise, eine der immer noch wenigen digitalen Popaufnahmen, klingt auf schwarzer Scheibe komischerweise „räumlicher“, sprich nicht so zweidimensional „flächig“, dafür auf CD im Baß- und Grundtonbereich wiederum voller und nicht so anämisch. Bei Platten entzerrt man die Klangbalance offenbar immer noch nach eigenem Geschmack.