Chaos Im Koffie-Shop


Fünf Holländer beherrschen ihr Multikulti-Chaos: Bei Urban Dance Squad fliegen Fetzen und fließen Grenzen.

Am Anfang war der Knall.

„Doch daraus neue Musikformen entstehen zu lassen, ist erst der nächste Schritt.“ Dumpfe Bässe wummern durch altes Ziegelgemäuer, eine Sporthalle vibiriert, Utrecht feiert die House-Party des Jahres. DJ DNA macht Pause und geht seiner momentanen Lieblingsbeschäftigung nach — er spricht über die neue Urban Dance Squad Platte. Schließlich ist er dort fest angestellt, und Nebenbeschäftigungen wie an diesem Abend geht er nur noch selten nach. Hauptberuflich sprengt er seit fünf Jahren im Quintett die Grenzen der Musikwelt und definiert als Vinyljongleur mit Rock „n“ Roll-Band und schwarzem Rapper an der Front die Leerformel ,Crossover‘ neu. LIFE „N PERSPECTIVES OF A GENUINE CROSS-OVER ist dementsprechend der ambitionierte Titel des zweiten Streichs aus Holland, der zwei lange Jahre auf sich warten ließ. „Wir waren lange auf Tour, irgendwo ist das zweite Album dabei auf der Strecke geblieben. Und tatsächlich sagen viele Leute, dieses Album klingt, als sei es bereits unser Drittes. Wir sind zusammengewachsen in dieser Zeit.“ Urban Dance Squad versucht mit einer rücksichtslosen Klangmischung aus Hip Hop, Rock, R&B, Blues,“ Country, Jazz etc. etc. die musikalische Quadratur des Kreises, und so wäre es kaum verwundernswert gewesen, hätte ihre erste Explosion MENTAL FLOSS FOR THE GLOBE nur eine phänomenale Rauchwolke hinterlassen, aber keine funtionierende Band. „Klar, wir haben einen langhaarigen Rock ’n Roll-Gitarristen, einen Drummer, der ‚reinliaut wie bei den frühen Mother’s Finest, einen strikten B-Boy als Rapper, einen Bassisten, der George Clinton verehrt, und einen DJ mit Punk- und Reggae-Background, und einer Vorliebe für britische House-Musik. Und trotzdem lebt diese Band nicht mehr von den Kontrasten, sondern von dem Gefühl, das in unserer Zusammenarbeit entsteht.“

Szenenwechsel: Ein verräuchertes mexikanisches Lokal im Neon¿ dschungel von Amsterdam, Corona aus der Flasche, Salsa vom Band. UDS-Gitarrist und Chef-Philosoph Tres Manos streicht sich die schwarzen Locken aus dem Gesicht: „Eigentlich war alles nur ein Witz. Silly, unser heutiger Bassist, hatte ein Projekt am Laufen, er nannte es Urban Dance Squad, und spielte dabei mit 12 bis 14 Musikern GoGo-Sound. Für ein Festival in Utrecht wollte er mit einer kleineren Besetzung experimentieren, und damals standen wir dann alle zusammen zum ersten Mal auf einer Bühne. Wir hatten einen Tag geprobt und zogen 45 Minuten Bluff auf der Bühne ab. Eine Woche später mußten wir das Ganze für einen holländischen Radiosender wiederholen, und von da ab standen die Telefone nicht mehr still. An eine Band hat dabei keiner gedacht. Ich spielte damals noch mit Rufus Thomas, ich hatte doch gar keine Zeit.“

Doch wenn es etwas wie die Magie des Augenblicks gibt, dann hat sie damals bei Urban Dance Squad ihre Sternstunde zelebriert. Mit vehementen Nachwirkungen: „Hier passiert etwas völlig Unberechenbares, etwas Anderes,“ bestätigt jedes Bandmitglied mit absoluter Bestimmtheit. Und das gewisse Etwas hält sie bei der Stange, auch wenn die gesamte Rhythmusfraktion unter Protest die Hinterbänke ihres US-Tour-Busses bezieht, wenn DJ DNA vorne Raga-Muffin-House-Tapes laufen läßt („Ohne Walkman hast du keine Chance.“) und Tres Manos ganze Landstriche nach Aufnahmen mexikanischer Volksmusik abgrast: „Meine liebstes Trio ist das Trio San Antonio, mal abgesehen von Jimi Hendrix Experience und The Cream. „

LIFE ‚N PERSPECTIVES OF A GENUINE CROSSOVER ist für Urban Dance Squad weit mehr als ein musikalisches Thema. Es ist ihr Lebensprogramm: „Wir sind ziemlich schwierige Menschen und völlig unterschiedlich, so wie auch unser soziales Umfeld, unsere Ziele, unsere Erwartungen, unsere Weitsicht, und trotzdem schaffen wir es, irgendwie zusammen vorwärts zu gehen. “ Tres Manos hebt die Flasche aus Überzeugung für eine neue Welt.

„Man sagt, Tropenjahre zählen doppelt‘, und manchmal habe ich talsächlich das Gefiihl, ich arbeite schon verdammte zehn Jahre in dieser Band. Es ist nicht einfach, in der toten Ordnung da draußen ein wenig Leben zu veranstalten, und es ist nicht einfach, in unser Bandleben ab und an ein wenig Ordnung zu bringen. Doch was dabei ‚rauskommt, istßr uns alle jeden Funken Energie wert, den wir zur Verfügung haben. „