Courtney Love: Fahr zur Hölle, Liebling
Fergie & Andrew? Woody & Mia? Nur noch kalter Kaffee! Amerika hat ein neues Skan- dal-Paar gefunden und schlürft genüßlich die gruseligen Ent- hüllungen. Die Hauptdarsteller: Kurt Cobain, der nette Normalo von Nirvana, und Courtney Love, sein geld- und heroin- süchtiger Ehe-Vampir. Vorhang auf zu des Dramas erstem Akt!
Sehr wohl gefühlt hat sich Lynn Hirschberg bestimmt nicht – was keinesfalls an der Enge im „American Rag“ lag. Auch nicht an jenem schmächtigen jungen Mann in Boxer-Shorts, der sie mit zum Shopping in seinen Liebiings-Second-Hand-Store genommen hatte und nun mit der Sorgfältigkeit eines Wall-Street-Buchhalters einen Riesenstapel gebrauchter 501 durchging – nein, das alles war keineswegs unangenehm.
Sorgen machte der „Vanity Fair“-Starreporterin nur die Ehefrau des jungen Mannes, eine totenblaß geschminkte Furie im viel zu engen Samt-Einteiler. Momentan redete die zwar noch ausschließlich und wie ein Wasserfall auf ihren sichtlich genervten Mann ein und bombadierte ihn mit häßlichen Shirts und gesäuselten Kosenamen. Aber es schien nur noch eine Frage der Zeit, ehe „Kuuuurti!“ (so rief sie ihn permanent, wobei sie ihre grellrot geschminkten Lippen spitzte und in ihrem quittengelben Einteiler aussah wie ein Kanarienvogel, der auf seine Jod-S-11 -Körnchen wartet) — ehe also „Kuuuurti!“ explodierte, noch bevor er die erste Jeans anprobiert hatte – — was bei seinem Temperament auf so etwas wie eine pampige Antwort hinauslaufen würde. Dann würde die Furie ihm vor allen Leuten lautstark die Frage stellen, wer es denn gewesen sei, der ihm die peinlichen Slips ausgeredet und die ersten Boxershorts gekauft habe! Und wer seine complete fuckin´ stage-clothes ausgesucht habe!
Er würde sie ansehen mit seinem blassen Engelswürde, sich durch die langen Haare fahren und ein kleinlautes „sorry Courtney“ murmeln, und dann würde die Furie mit ihrer restlichen Wut im Bauch auf sie, Lynn Hirschberg, losgehen, vor allen Leuten, mitten im „American Rag“ – schließlich hatte dieses Flittchen sie schon den ganzen Tag mit wütenden Blicken attackiert, was sie wohl mit allen Personen weiblichen Geschlechts so machte, die in „Kuuuurts!“ Nähe kamen.
„Die Frauen schauen ihn an, als würden sie jeden Moment verhungern!“, hatte sie ihr gesagt. Und hinzugefügt, daß sie genau wüßte, wie gerne die meisten Leute ein Stückchen vom Ruhm ihres Mannes abhaben möchten.
Wie gesagt: Lynn Hirschberg fühlte sich nicht besonders wohl in ihrer Haut. Aber ein Thema waren die beiden mit Sicherheit – und was für eins! Die Überschrift für ihre Reportage hatte sie auch schon im Kopf: „Strange Love“ würde sie die Story nennen – und gleich darauf die Frage stellen, ob die zwei nun eine „John und Yoko“-Kopie waren oder die Postpunk-Nachfolger des Underdog-Pärchens Sid und Nancy.
Soviel war klar: Nirvana-Mastermind Kurt Cobain und Hole-Sängerin Courtney Love waren alles andere als ein normales Musiker-Ehepaar. Sie waren der Adam und die Eva einer neuen Rock´n´Roll-Ordnung. Der Romeo und die Julia des Dezibel-Proletariats. Der Burton und die Taylor des Head-bangings. Whaaaat a story!
Ein paar Wochen hatte Lynn Hirschberg Kurt ’n‘ Courtney (Court und Kurtney?) begleitet, und als ihre Reportage in der Juli-Ausgabe von „Vanity Fair“ erschien, dauerte es keine zehn Tage, bis eine Gegendarstellung des Rock-Ehepaars auf ihren Schreibtisch flatterte. „Alles Lüge!“ wehrten sich die zwei (und Lynn konnte sich plastisch und akustisch sehr gut vorstellen, wer von den beiden so tönte…), der komplette Bericht sei dummes Geschwätz, voller sachlicher Fehler und gemeiner Anschuldigungen. Da sehe man, was herauskomme, wenn statt Rock’n’Rollern Entertainment-Journalisten über Dinge schreiben würden, von denen sie keine Ahnung hätten!
Lynn Hirschbergs feinfühligen, entlarvenden Beobachtungen aus dem Jeans-Store und ähnlichen daily life-Schilderungen schenkten Kurt & Courtney dabei keine Beachtung – da fühlten sie sich wohl selbst ertappt. Viel unangenehmer für das Paar waren Hirschbergs Thesen zu anderen Themen: Zum Beispiel, daß sich Courtney Love Kurt Cobain nicht aus Liebe, sondern aus Geldgier und Ruhmsucht geangelt habe. Daß sie dabei sei, Nirvana auseinander zu dividieren. Daß sie während der Schwangerschaft Heroin gespritzt und den Biertrinker Cobain an die Nadel gebracht habe. Daß sie „Kuuuuurt!“ behandle wie einen debilen Altersheimbewohner und er keine eigene Meinung mehr haben dürfte und nur noch von ihr ausgesuchte Klamotten tragen … und überhaupt: Daß sie eine dumme Schlampe sei und untalentiert dazu.
Seitdem stehen Kurt Cobain und Courtney Love im grellen Spotlight der Pop- und Rock-Berichterstattung – was zumindest Mrs. Cobain im Grunde ganz recht sein dürfte. Immerhin hatte sie sich im Februar lautstark darüber beschwert, daß kein Kamerateam ihre Hochzeit auf Hawaii gefilmt hätte – wo sie doch einen Superstar geehelicht habe!
Seitdem hat Courtney keinen Anlaß ausgelassen, in die Schlagzeilen zu kommen, und Insider behaupten, das und Cash seien die einzigen Dinge, die die Ex-Stripperin vom Leben erwarte. Und Courtney antwortet auf solche Bemerkungen, daß sie weder Autos stehlen noch Nutte werden wollte – und von irgend etwas hätte sie ja leben müssen.
Praktisch aus dem Nichts war die Nancy Spungen der 90er im Herbst vergangenen Jahres an der Seite von Cobain aufgetaucht, der mit „Smells Like Teen Spirit“ und einer Band namens Nirvana soeben die Musik revolutioniert hatte. Courtney Love hatte sich damals gerade einen Namen als Sängerin der L.A.-Band Hole gemacht. Jetzt setzte sie Kurt Cobain nach, telefonierte hinter ihm her und gab sich in Interviews als seine Freundin aus. Irgendwie überredete sie einen Manager der Plattenfirma, ihr einen Flug zum Nirvana-Gig in Chicago zu schenken. Dort verschwand sie in Cobains Garderobe – anschließend gingen sie gemeinsam nach Hause. Kurz darauf beschrieb Kurt seine Courtney vor einem TV-Millionenpublikum live als „the best fuck in the world“.
Von da an ging alles sehr schnell – zumindest für Courtney Love. Die Hole-Frontfrau — plötzlich nicht mehr Punk-Aschenputtel, sondern Rock-Prinzessin qua Familienstand — druckte einen millionenschweren Plattenvertrag durch und unterschrieb bei Geffen, dem Label, bei dem auch Nirvana unter Vertrag stehen – angeblich zu besseren Konditionen als die Band ihres Ehemannes. Anschließend legte sich Courtney schlagzeilenträchtig mit Madonna an („In ihrem nächsten Video wird sie meine Klamotten tragen und wie ich geschminkt sein!“), wurde schwanger und war wie Kurt auf Heroin, als sie zusammen in „Saturday Night Live“ auftraten.
Vorwürfe, sie habe auch noch während ihrer Schwangerschaft gespritzt, weisen Kurt wie Courtney energisch zurück – auch das sei eine Erfindung der Medien, ein Hirngespinst Lynn Hirschbergs. Ja, sie hätten eine kurze Zeit lang mit Drogen experimentiert – mit Beginn der Schwangerschaft aber sei das kein Thema mehr gewesen. Das Baby wollten sie beide, betont Courtney, bloß solle Kurt nicht wegen des Geburttermins die Video-Awards sausen lassen: „Da gibt’s Geld und ich liebe Geld. Kurt sieht das etwas anders. „
Der phlegmatische Kurt scheint manches „etwas anders zu sehen“. Seine Beziehung zu Nirvana zum Beispiel: Mit David Grohl und Chris Novoselic funktioniere es deshalb so gut, weil sie dicke Freunde seien – was seine Frau in allen Interviews mit Bemerkungen wie „Übrigens brauchen wir neue Freunde“
quittiert, und hin und wieder schlägt sie ihm auch vor, doch einfach eine neue Band zu gründen: ohne Chris. Wenn sie sich einem Gast vorstellt, tut sie das meistens mit den Worten: “ Hi, ich bin Courtney. Ich hob jemanden geheiratet, der ein Stück berühmter ist als ich “ – noch.
Cobain, der an Narkolepsie (einer seltenen Schlafkrankheit) leidet und viel Zeit im Bett verbringt, erträgt die Attacken bislang mit scheinbar stoischer Ruhe. Sagt nichts, wenn Courtney ihm „Just call me Yoko Love!“ ins Ohr flüstert. Und schweigt, wenn sie sich zum 1017. Mal über seine „Normalität“ beklagt: „Da heiratest du einen millionenschweren Rock-Gott, und alles was er tun will, ist zuhause rumzulungern.“
Wie lange der zierliche Cobain diese Szenen einer Ehe überstehen wird, ohne daran zu zerbrechen – darüber zerbrechen sich Fans, Kollegen und die Manager seines Labels die Köpfe. Vielleicht, so vermuten einige, wird es wg. Courtney kein neues Nirvana-Album mehr geben, obwohl die Songs längst abgemischt sind — aber wer weiß, was Courtney einfallen wird?
Vielleicht wird es sogar Cobain bald nicht mehr geben. „Kurt und Courtney werden eine talentierte 90er Jahre-Version von Sid und Nancy werden“, meint ein Mitarbeiter ihres Labels. „Vor allem Courtney wird berühmt werden — berühmter, als sie jetzt schon ist“. Von Cobain ist da keine Rede mehr.