Covervisionen
Wie ein Siegel ein Kästchen mit kostbarem Inhalt verschließt ein seltsamer Aufkleber die Digipack-Hülle von Volta. Was aussieht wie der Fiebertraum eines Überraschungsei-Spielzeugdesigners oder eine besonders irre Fruchtgummikreation (alternativ wurden in Blogs Vergleiche mit Killertomaten, psychedelischen Orangina-Flaschen und der Verwandtschaft des grotesken Spielzeugklassikers Mr. Potatohead gezogen), ist kein Produkt einer LSD-seligen Digitalgrafik-Sitzung, in das Björks Kopf montiert wurde, sondern eine Art Skulptur-Kostüm aus Kunststoff, angefertigt von dem in Antwerpen lebenden Ulmer Modeschöpfer und Designer Bernhard Wilhelm.
Bernhard Wilhelm, 35, aus dessen Kollektionen Björk schon früher Stücke trug und von dem sich die Sängerin für ihre kommende Tournee erstmals Bühnenkostüme entwerfen ließ (bislang trug sie auf der Bühne Sachen aus dem eigenen Kleiderschrank), ist fasziniert von Uniformen ebenso wie von Spielzeug und hat sich schon mal von McDonald’s-„Happy -Meal“-Figuren zu einer Kollektion inspirieren lassen. „Spielsachen“. sagte er der Website HintMag.com. „haben so eine extrem zusammenfantasierte Crazyness, die sehr mit meiner An zu designen korrespondiert. Sie hoben nichts mit Realität am Hut. Ich mache mir nicht viele Gedanken über den Körper oder die Person. Reine Fantasie, das mag ich.“
Löst man den Aufkleber ab wie weiland Velvet Undergrounds Warhol-Banane, öffnet sich die Digipack-Schatulle und gibt den Blick frei auf die Künstlerin in einem anderen Aggregatzustand: Das Artwork im Inneren der Packung basiert auf der Fotoserie, der auch die Pressebilder zu Volta entstammen. Auf der Außenhülle eben noch statisch, als eine Art Standbild, sehen wir Björk jetzt wild tanzend in schamanischen Posen, mit grellbuntem Kabuki-Make-up und gekleidet in vor Borten. Krempen und Krausen wucherndes Häkeltop, gehäkelte, äh, Eiefantenfußhosen und fusselnde Häkelhandschuhe, um die (digital nachgetragene) Flammen spielen, welche die Buchstaben V, O, L, T und A formen. In Make-up und Häkelfusselgewand kehren die kräftigen Primärfarben der Ü-Ei-Björk vom Außencover wieder; das Ganze wirkt wie Vorher-Nach her-Bilder einer explosiven Mutation von kontrollierter Artifizialität zu chaotisch pulsierender Naturgewalt. Die exaltierte Häkelware stammt von den drei Künstlerinnen The Icelandic Love Corporation und basiert sehr lose auf traditionellen isländischen Handarbeiten. Es fotografierte das niederländische Paar Inez Van Lamsweerde und Vinoodh Matadin, Modefotografen und Künstler, die in ihren Arbeiten mit Gender-Thematiken und den Möglichkeiten digitaler Bildmanipulation spielen. Björk hat in Interviews erläutert, wie wichtig ihr auf Volta die Thematik Feminismus und die schamanische Macht der Urkraft des Weiblichen war. Im dem dem Album vorauseilenden Podcast darauf angesprochen, ob das Häkelgefussel „den Charakter des Albums widerspiegle“ ringt sie sich zu einem erschöpfenden „Yes, I think so“ durch. Bei so viel Auskunftsfreude halten wir uns an Björks Vertraute, die Make-up-Künstlerin Andrea Helgadöttir: „Die Musik des Albums ist sehr vielschichtig“. sagt sie in dem Podcast, „aber auch sehr stark in den Rhythmen. Und das spiegelt sich in den Kostümen: Sie sind vielschichtig und zerfetzt, fusselig, aber auch stark in den Farben.“
Sind diese Füße zum Tanzen gemacht? „Volta“ bezeichnet u.a. einen populären Tanz im 16. Jahrhundert, der, obgleich wegen unzüchtigen Temperaments als „Skandaltanz“ verschrien, der Lieblingstanz der protofeministisch umwehten Queen Elizabeth I. war. volta ist das tanzbarste Björk-Album seit langem. Björk sprach vom „universal urge to dance“, der in dem Album Ausdruck finde – und den man mit solch grandiosen Füßen wunderbar ausleben könnte. Auch wenn die fiesen Blaumeisen im Beatles-Film „Yellow Submarine“, an die die Riesenlatschen erinnern, ganz im Gegenteil Musik auszurotten trachteten. Dann kamen die Fab Four in ihren bunten Rüschengewändern, und alles tanzte und wurde gut.