Cyndi Lauper


Girls haben manchmal nicht nur Fun, sondern auch verflixte Probleme. Vor zwei Jahren noch wußte Cyndi Lauper kaum, wie sie ihre Miete zahlen sollte. Jeder lachte sie aus, keiner gab ihr eine Chance. Inzwischen ist die Mär vom Tellerwäscher zum Millionär für sie Wirklichkeit geworden. Mit ihrem schlampigen Charme und einem extrem losen Mundwerk sorgt der Wirbelwind aus Brooklyn für frischen Wind in der Popmusik.

Selbst in dem schrillen Interieur des „Dragon“, einem Restaurant im Herzen von Manhattan, erregt Cyndi Lauper Aufsehen. Das Dekor – bei Kennern bekannt als „schreiend asiatisch“ – besteht aus großgetäfelten Flächen mit schnaubenden, rot-goldenen Drachen und ähnlich mythischen Reptilien, die sich lustvoll an den vergoldeten Säulen herabwinden. Doch in dem Moment, als Cyndi hereinweht, wirkt das Ganze eher wie kühler Bauhaus-Stil. Sie legt einfach einen Auftritt aufs Parkett, daß einem selbst bei einer internationalen Clown-Tagung die Schnürsenkel platzen würden.

An besagtem Abend trägt sie flammendorange Hosen, eine seidene Fliegerjacke, unter der eine mit weißen Perlen besetzte Fransenweste hervorlugt, die sie wiederum über ein rotgelbes Hemd gestreift hat. Zig Armbänder kringeln sich um ihre Handgelenke, schwere Gehänge baumeln von den Ohren. Ihre Augen sind geschminkt mit scharlachrotem Eyeshadow, das linke Lid unterteilt mit einem goldenen Streifen – und die Krönung des guten Geschmacks: eine falsch herum getragene Kappe mit Schottenmuster, unter der ihr Haar hervorquillt wie ein rostig-roter Heuhaufen.

Ein paar Mal bleibt sie stehen, während sie das Restaurant durchquert. Einige Gäste schauen mit aufgerissenen Augen über ihre Eß-Stäbchen. Nein, geschockt ist man nicht, Gott behüte! Man hat ja schließlich Verständnis. Einige lächeln sogar.

Lauper, lange Zeit Zielscheibe des Spotts aufgrund ihres ausgefallenen Lebensstils, hat sich immer noch nicht ganz an derart wohlwollende Rücksicht gewöhnt. „Man hat mit Steinen nach mir geworfen wegen meiner Klamotten „, sagt sie in ihrem liebenswerten New Yorker Slang; „heute fragt man mich plötzlich, wo ich die Fummel kaufe. Kommt dir das nicht auch bescheuert vor?“

Als ein Kimono raschelt, dreht sie sich um, um die dazugehörige Kellnerin herzlich zu begrüßen. Man kennt sich. Cyndi hat überall Freunde. Viele von ihnen tauchen zur Zeit wieder in den Videos auf, mit denen sie die Chronik ihres Lebens dokumentiert. Einige gehören zur Küßchen gebenden Edel-Schickeria, aber sie mag sie trotzdem.

„Ich mag Menschen“, sagt sie, während wir nach einem Tisch Ausschau halten, „ich kann in ihnen lesen wie in einem offenen Buch. Manchmal trifft man sie nur ein einziges Mal und vergißt sie trotzdem nie.

Darum sollte man selbst auf der Damentoilette nicht versäumen, mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren. Selbst auf dem Topf kann man noch sagen: ,He, schon wieder kein Scheißpapier. Muß das Ding wohl trockenschütteln heute nacht!'“

Sie giggelt noch über ihren Witz, als wir uns endlich setzen. Der Restaurant-Manager – ein weiterer Busenfreund – kommt auf uns zu. „Das Leben“, sagt Cyndi. bevor sie ihren umwerfenden Charme ganz dem Neuankömmling widmet, „macht

unglaublich Spaß!“

Vor nicht allzu langer Zeit sah das Leben noch gar nicht so rosig aus. Cyndi war eine Sängerin ohne Fortune. Ein einziges Album hatte sie auf die Beine gestellt – und das war gleich ein klassischer Flop; sie hatte die Band verloren, mit der sie die Gipfel des Pop-Olymps erklimmen wollte. Geld kannte sie nur vom Hörensagen. In einem Prozeß mit ihrem früheren Manager mußte sie gar auf Pleite plädieren.

Dabei zweifelte keiner, der sie je hatte singen hören, an dem Gold in ihrer Kehle, auch nicht an ihren Fähigkeiten als Songwriterin, die selbst auf dem verunglückten Debüt-Album nicht zu übersehen waren. Dennoch war sie noch vor zwei Jahren gezwungen. Peggy March-Songs in einer Piano-Bar zu trällern. Eine Pop-Sängerin ohne Koordinaten-System, eine vorzeitig verblühte Hoffnung, die stramm auf die Dreißig zumarschierte.

Doch dann geschah das Wunder. Ein Wunder für jeden Außenstehenden jedenfalls, nicht aber für Cyndi und ihren Clan. Kurz bevor sich ihre Karriere in Luft auflöste, wurde der Pop-Traum Wirklichkeit. Ihr erstes Soloalbum SHE’S SO UNUSUAL legte ein Platin-Ei, ihre Single „Girls Just Want To Have Fun“ kletterte in luftige Chart-Spitzen, das gewitzte Video dazu machte sie zu einer internationalen Selbstverständlichkeit.

Plötzlich ist Cyndi Lauper, die Frau mit dem aufgeregtem Schnattern und dem völlig neuen Kleider-Gefühl, die Königin der Mattscheibe. Überall wird sie herumgereicht, von Talkshow zu Talkshow – und bei MTV, dem 24-Stunden-Musikkanal, ist sie schon fast so etwas wie das programmeigene Maskottchen.

Und genau hier sehen selbst ihre Bewunderer das kommende Problem. Kaum daß sie als Sängerin endlich Land sieht, läßt sie sich auf ein Abziehbild reduzieren, auf eine schwadronierende Quasselstrippe für den Talkshow-Zirkus in den USA. Frage: Ist das Plappermaul wichtiger als die Stimme? Wird sie sich bald Richtung Broadway, schlimmer noch: Richtung Hollywood verflüchtigen? Wird sie mehr sein als eine Sternschnuppe am Pop-Himmel, mehr als ein flüchtiger Bekannter, mehr als eine Episode?

Natürlich hat auch Cyndi von diesen Spekulationen Wind bekommen. Sie weiß auch, aus welcher Ecke sie kommen. „Die gleichen Leute, die mich früher immer ausgelacht haben , sagt sie gereizt. „Genau diese Leute haben mich von Anfang an madig gemacht. Aber diese Miesepeter können mich mal. In dem Moment, wo ich meinen Mund aufmache und singe, fallen sie doch vom Hocker. Talent kann man einem nicht wegnehmen. Ich bin weder eine Broadway-Schnulzette noch eine Klatschtante im Fernsehen. Nichts von dem Scheiß. Ich bin kein Doofie und kein Püppchen. Und alle, die mich eine Witzfigur nennen …“

Cyndi unterbricht sich, um heißen Reiswein in ihr Glas zu füllen – und grinst verschmitzt, als sie vorbeigießt. „Diese Leute reden doch mit ihrem Arsch.“

Cyndi Lauper wurde im New Yorker Stadtteil Queens geboren, nicht weit weg von der elterlichen Wohnung, die im etwas anrüchigen Teil von Brooklyn lag. Obwohl sie auf die Frage nach ihrem Alter „Ja verdammt, bin ich denn ein Auto?!“

empfindlich reagiert, weiß eine ältere Band-Biographie, daß sie am 20.6.1953 geboren wurde. Als sie fünf Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden. Die Mutter zog mit ihren drei Kindern zu Freunden nach Queens, genauer gesagt in eine Gegend namens Ozone Park. Dort aufzuwachsen war – nun ja, New Yorkem sagt der Name eigentlich schon alles. „Reichlich verrückte Sache“, weiß sich Cyndi zu erinnern, „ich gehörte einfach nicht dahin.“ So wurde sie aus der katholischen Schule geworfen, weil „meine Mutter geschieden war“! Nicht gerade eine glückliche Zeit. „Damals begriff ich, daß Nonnen und der liebe Gott unmöglich etwas miteinander zu tun haben können. Diese Furien sind vermutlich von hartgesottenen Nazis geschult worden.

Cyndi erkannte früh, daß das normale Leben „einfach Scheiße ist. Ich zog mich mehr und mehr zurück, hörte stundenlang Schallplatten. Ich war irgendwie anders als die anderen – und da Kinder oft sehr verletzend sein können, ließ man mich das auch deutlich spüren. Heute stört mich das einen feuchten Dreck. Wer mich nicht abkann, soll’s sein lassen. Man sollte seine Macken nicht verleugnen“.

Nach sechs häßlichen Monaten floh sie aus dem Internat.

(„Ich fragte die Nonnen, ob sie auch ihre Tage hätten. Das brachte das Faß zum Überlaufen. „) Da sie von ihrer Schwester eine akustische Gitarre geerbt hatte, konzentrierten sich ihre musikalischen Ambitionen fortan auf dieses Instrument. Sie brachte sich eine Handvoll Akkorde bei und mauserte sich zu einer der typischen Folketten jener Zeit.

Und siehe da: Ihre Ambitionen, sprich: Singen im Park oder Auftritte in einschlägigen Folk-Clubs, trugen größere Früchte als ihre schulischen Anstrengungen. Cyndi hatte keinen Zweifel, daß sie für Musik und Kunst geschaffen war, aber sie konnte die Welt nicht von ihren Fähigkeiten überzeugen.

„In Kunst bekam ich ‚mangelhaft‘ – und in der Kunstschule steckte man mich in jene Klasse für verkannte Genies, aus denen sowieso nie etwas wird. Aber selbst das vermasselte ich. Das war’s also. Ich dachte: ‚Na ja, du hast dich für ein Genie gehalten, dabei bist du nur Hans Arsch.‘ Ich blieb so oft hinter dem Klassenschnitt zurück, daß ich es schließlich aufgab. „

Doch allmählich packte sie doch die Panik. Was sollte aus ihr werden? Ihre Mutter, zwischenzeitlich wieder verheiratet und erneut geschieden, arbeitete 14 Stunden täglich in einem Restaurant, um ihre Kinder durchzubringen – eine Situation, die Cyndi gehörige Angst einjagte.

„Es war eine Schande“, erinnert sie sich, „denn es sah ganz danach aus, als würde sie sich selbst umbringen. Sie versuchte verzweifelt, glücklich zu sein, aber das schien für Frauen nicht vorgesehen zu sein. Der Grund, warum ich heute das bin, was ich bin, ist eindeutig darauf zurückzuführen, daß ich meine Mutter, meine Großmutter und all die Frauen in der Familie und Nachbarschaft genau beobachtet habe. Zuerst sieht man sie als Teenager und dann als Frauen und Mütter – alles innerhalbweniger Jahre. Und sie alle haben diesen Ausdruck im Gesicht, den ich schon bei meiner Mutter gesehen hatte: Ist das etwa alles, was das Leben einer Frau zu bieten hat?“

Für Cyndi Lauper jedenfalls war es nicht genug. Mit 17 verließ sie sang- und klanglos ihr Zuhause. „Meine Koffer waren schon gepackt, seit ich 14 war. Es war allerhöchste Eisenbahn.“

Sie nahm Gelegenheitjobs an und machte ansonsten lange Spaziergänge. „Ich lief stundenlang durch die Gegend“, erinnert sie sich. „Es war, als liefe ich bis ans Ende der Welt.“

„Manchmal fühlte ich mich hundsmiserabel“, gibt sie rückblickend zu. „Laufend fragte ich mich, wie ich leben soll. Es mußte sich etwas ändern. Ich wollte alles anders machen. Ich wollte ein anderer Mensch werben. Aber man kann nicht vor sich selbst weglaufen, obwohl ich genau das dauernd versucht habe.“

Demoralisiert, aber immer noch fest entschlossen, dem typischen Frauenschicksal zu entkommen, fand sie sich schließlich in ihrer alten New Yorker Umgebung wieder. „Ich war zurückgekommen, um das zu tun, was ich wirklich kann. Und das ist Singen. Das brauchte mir niemand beizubringen.“

Diese Behauptung sollte sich zwar später als nicht hundertprozentig richtig herausstellen, aber es war zumindest die richtige Einstellung. 1974 bekam Cyndi einen Job als Backup-Sängerin bei einer Long Island-Truppe namens Doc West. Ausschließlich Fremdmaterial wurde gecovert.

„Die machten Disco-Coverversionen“, sagt sie angewidert. „Ich sang Chaka Khan und Patti LaBelle-Songs. ‚I’ve Got The Music In Me‘ brachten wir so oft, daß es mir zum Hals heraushing. Damals hatte ich keine Ahnung, warum ich die Noten an einem Abend traf und am nächsten nicht. I got the muu… I’ve got the muu …“ – ich wußte nicht, was los war. Bis ich eines Tages auf den Trichter kam: Sicher, ich hatte ne Menge Musik in mir drin, aber wie sollte die herauskommen, wenn ich nur Coverversionen sang?“

1977, nach drei Jahren Mimikry in Sachen Joplin, Stewart und Jagger, gab Cyndi klein bei. Ihre Stimme war im Eimer. Von einer Freundin bekam sie den Tip, zu Katie Agresta, einer klassischen Gesangslehrerin in Manhattan, zu gehen.

„Als sie vor sieben Jahren zu mir kam“, erinnert sich Agresta, „konnte sie kaum sprechen, von singen ganz zu schweigen. Sie flüsterte nur noch. Drei Ärzte hatten ihr eröffnet, daß sie nie wieder würde singen können. Um ehrlich zu sein: Ich glaube, sie stand schon mit einem Fuß auf der Brooklyn Bridge.“

Nachdem die Stimme wieder intakt war, bekam sie ein Engagement in Trude Hellers Nightclub – in Manhattan natürlich. Ted Rosenblatt, ihr damaliger Manager, kam eines Nachts vorbei und brachte den Songwriter John Turi mit, der im übrigen auch Keyboards und Saxophon spielte. Turi und Lauper mochten sich auf Anhieb und saßen bald darauf an gemeinsamen Kompositionen. Schon 1978 hoben sie Blue Angel aus der Taufe, eine Band, die sich musikalisch an den Fünfziger Jahren orientierte.

Im Frühjahr des folgenden Jahres gelangte ein Demo in die Hände von Steve Massarsky, einem Rechtsanwalt, der seinerzeit die Allman Brothers gemanagt hatte. Massarsky war überhaupt nicht beeindruckt.

„Das Demo war scheußlich, die Songs miserabel, die Band ebenfalls. Die Stimme der Sängerin war ganz interessant, aber das war auch schon alles.“

Nichtsdestotrotz wurde Massarsky durch das Demo verleitet, sich die Band einmal live anzusehen. „Cyndi kam rein“, erinnert er sich und verstellt dabei seine Stimme zu einem Donald Duck-Gequietsche und sagte: ,“Du bist also Steve, was? Ein Wunder, dich hier zu sehen, denn eigentlich kommt nie einer vorbei, wenn wir’s gerne hätten. Meistens kommen sie, wenn wir sie nicht erwarten und miserabel spielen.‘ Massarsky – wieder mit seiner normalen Stimme: „Heiliger Strohsack, dachte ich. Aber als sie auf die Bühne ging und anfing zu singen – Magie! So etwas hatte ich noch nie gehört. Ich war augenblicklich verliebt in ihre Stimme. Sie stolperte zwar laufend über ihre Mitspieler, stieß Dinge um und bewegte sich wie ein Hampelmann. Aber sie war eine Wucht!“

Massarsky war so beeindruckt von Cyndis Talent, daß er 5000 Dollar löhnte, um Rosenblatt den Managementvertrag abzukaufen. Als nächsten Schritt arrangierte er einen Promotion-Gig für Blue Angel und lud alle Interessenten von den Plattenfirmen ein. Die Reaktion war einmütig; „Die Sängerin ist toll, die Band solltest du loswerden. „

Doch davon wollte Cyndi nichts wissen. Und siehe da: Sechs Monate später bot man der ganzen Band einen Vertrag an. Dennoch entpuppte sich das Debüt BLUE ANGEL, 1980 veröffentlicht, als Rohrkrepierer.

Doch alle Versuche, sie in eine Solokarriere zu locken, blockte sie ab.

An einen Vorstoß in dieser Richtung erinnert sich Massarsky noch genau: Einige Zeit, bevor das Blue Angel-Debüt aufgenommen wurde, flog die Polygram ihn und seinen Schützling nach Los Angeles, um dort den renommierten Produzenten Giorgio Moroder zu treffen. Der nämlich sollte ursprünglich die Blue Angel-Plattenpremiere betreuen.

„Einmal saßen wir in einem Cafe vis-ä-vis des Studios: Cyndi guckte Moroder an und fragte: ‚He, George, was hörst du eigentlich für Musik?‘ Und Moroder fragte zurück: ‚Was meinst du?‘ Und Cyndi: ,lch meine – magst du Buddy Holly, stehst du auf Elvis, was denkst du über Eddie Cochran?‘ Und Moroder: ‚Wer ist denn das??‘ Und Cyndi: ‚George, das sind die Wurzeln des Rock ’n‘ Roll! Wenn du mich produzieren willst, mußt du ganz einfach wissen, wer das ist. Was sind deine Einflüsse?‘ Und Moroder: ‚Ich bin ein Original. Ich höre nur Giorgio Moroder!'“

Roy Halee, bekannt geworden als Produzent von Simon & Garfunkel in den Sechzigern, wurde schließlich mit dem ersten und – wie sich herausstellte – auch letzten Blue Angel-Album betreut, Denn nachdem ein neues Team in den Chefetagen von Polygram regierte, verlangte man erstklassige Songvorlagen, ehe man der Band wieder teure Studiozeit bezahlen wollte. Zu allem Übel bekam Blue Angel auch noch Streit mit Massarsky, und nachdem sie ihn als Manager geschaßt hatten, präsentierte er ihnen per Gerichtsvollzieher eine Rechnung in Höhe von 80000 Dollar. Cyndi und die Band mußten ihren Bankrott erklären. „Bei dem Gerichtstermin“, so Massarsky, „habe ich sie zum letzten Mal getroffen. Ich ging zu ihr hin, küßte sie auf die Wange und sagte: ,Nun leg mal los, verdiene all das Geld, was wir mit dir zu verdienen gedachten, werde ein Star!'“ „Und der Richter“, erinnert sich Cyndi lachend, „sagte: ‚Laßt den Wellensittich zwitschern.“‚ Durch das frühe Scheitern von Blue Angel war der Weg für die Solokarriere endlich frei. Wenn schon Ruhm, so lautete die Devise, dann nur noch unter eigenem Namen. Aber anstatt sofort wieder in einen neuen Vertrag zu stolpern, ging sie in Wartestellung und verdiente ihre Brötchen durch kurze Engagements. In einer Pianobar trug sie Oldies vor und arbeitete zeitweilig in einem Kleider-Trödelladen namens „Screaming Mimi“, von wo auch einige ihrer atemberaubenden Kleider stammen.

Noch vor dieser Zeit hatte sie die Bekanntschaft von David Wolff gemacht, der ArcAngel, eine Band aus Connecticut, managte und durch diese Verbingung einen guten Draht hatte zu dem CBS-Ableger Portrait Records. Wolff, inzwischen Cyndis Manager und Freund, brachte sie mit dem Produzenten Rick Chertoff zusammen. Schon bald nahm das Soloalbum Gestalt an.

Das Resultat SHE IS SO UNUSUAL war mit Sicherheit eines der überschäumendsten Vokal-Debüts von 1983. Und bei den besseren Songs zeichnet Lauper auch als Co-Autor, so z.B. bei dem cleveren kleinen Masturbations-Liedchen „She Bop“. Am beeindruckendsten sind allerdings die drei Coverversionen „Money Changes Everything“ von The Brains, „When You Were Mine“ von Prince – und (das vorher unveröffentlichte Stück von dem Philly-Rocker Robert Hazard) „Girls Just Want To Have Fun“.

Den plötzlichen Ruhm verdankt Cyndi eigentlich jedoch ihrem Video. Dort erzählt sie die Geschichte ihrer Kindheit, ihrer Sehnsucht und ihrer unglücklichen Mutter. Cyndi überredete ihre Mutter schließlich dazu, sich selbst zu verkörpern – und rekrutierte Freunde und Familienangehörige als Video-Akteure. ‚“Meine Mutter war einfach wunderbar. Ich glaube, daß sie ihre Lektion jetzt kapiert hat. Nach dem Video hat sie sich einen Bühnennamen – Katreen Dominique zugelegt und trägt Sonnenbrille, wenn sie Sparkle Gassi führt, der übrigens auch ohne dunkle Brille nicht mehr ausgeht.“

Auch das Video ihrer neuen Single „Time After Time“ ist autobiographischer Natur und behandelt die Zeit, als Cyndi von zu Hause weglief. Ihre Mutter spielt auch hier wieder mit, ebenso David Wolff. „Kunst sollte das Leben widerspiegeln – und nicht Kunst“, meint Cyndi lapidar. „Mein neues Video handelt von zwei Menschen in einer Kleinstadt – Kleinstädte sind übrigens toll, wenn man sich entschlossen hat, dort zu leben.

Aber egal, was immer man macht – man muß hart arbeiten, wenn man sein Ziel erreichen will. Man muß sich ganz einfach den Arsch aufreißen. Mach, was du fühlst, und akzeptiere ‚Nein‘ nicht als Antwort.

Ich wollte immer Musik für die gesamte Welt machen – um mal etwas zu sagen, was wichtig und tiefschürfend klingt. Genau darum bin ich hier. Man bewegt sich wirklich in eine andere Welt, wenn man auf der Bühne steht und singt. Es ist wunderbar, anderen Menschen diese Erfahrung zu vermitteln, sie mit Musik zu berühren. Denn sie geben dir auch etwas zurück. Und dafür lohnt es sich sogar, diesen ganzen Zirkus mitzumachen.“