Da ging ja einiges


Fettes Brot, Fischmob, Fünf Sterne Deluxe-1998 war das bislang erfolgreichste Jahr des deutschen HipHop. Auch ohne ein neues Album der Fantastischen Vier.

Im deutschen HipHop – einer mitunter ziemlich wunderbaren Erscheinung – gab es 1998 keine einheitliche Linie. Die Gründe dafür waren vielfältig, kamen oft aus dem Norden und fingen noch öfter mit F an. Ein Grund: Fischmob, das Faxenkombinat aus Flensburg. „Power“ hieß das grandiose Album, das Der Schreckliche Sven, Cosmic DJ, DJ Koze und Stachy zusammengefrickelt hatten. Hemmungslos wurde alles verwurstet, was bei drei nicht auf den Bäumen war. Da mußte mal die sonore Synchronstimme von „Magnum“ herhalten, mal wurde das esoterische Geschwurbel von Pe Werner durch den Kakao gezogen. Dann quengelten die Gitarren in Dinosaur jr.-Manier, bevor solide Electronica um die Ecke bogen. Fischmob hatten eins begriffen: Wer heutzutage noch was Originelles auf die Beine stellen will, läßt den Stilmix regieren. Genutzt hat diese Erkenntnis leider nichts – denn die vier sind nicht mehr die „coolsten Boys auf der Welt“. Jedenfalls nicht mehr zusammen: Im Oktober ist Der Schreckliche Sven ausgestiegen. Noch komplett zu dritt sind dagegen die jungen Männer von Fettes Brot. Und auch Dr. Renz, König Boris und der Schiffmeister haben verstanden, daß sich nicht alles reimen muß. Viel wichtiger ist es, sich mit der eigenen Sozialisation auseinanderzusetzen. Die Spaßjunkies aus Harnbürg taten das und stellten sich ihrer Vergangenheit. Schonungslos und mit freundlicher Assistenz der drei ???. Die Kultdetektive sprachen das Intro zur Platte „Fettes Brot läßt grüßen“, und ein paar Songs später kam eine hormonell bedingte Ode an eine deutsche Schauspielerin: „Nicole Krebitz wartet“, ein flottes Bananarama-Cover von „Robert De Niro’s Waiting“. Zwischendurch machten die drei Mittzwanziger im Song „Viele Wege führen nach Rom“ dann sogar erste Gesangsversuche. Die waren selten schön, aber immer schön schräg – und hatten außerdem einen beschwingten Bossa Nova-Groove. Gut möglich, daß die Brote als die Niedlichen irgendwann ganz gehörig nerven. Für den Moment aber spielen sie weiter dever mit ihrem Schwiegersohn-Image: „Es macht einfach mehr Spaß, nett und umgänglich zu sein. Wir tragen ja auch Freundschaftsbänder.“ Das war sehr charmant und allemal erhellender als ein popkultureller Diskurs. Einen Tick anders als die Brote ging der Freundeskreis die Sache an. Seine Songs waren alles andere als fun-kompatibel, dafür aber öfter mal schwer auf innerlich und retro gestrickt. Zuweilen sogar so retro, daß die vier Stuttgarter für ihren Song „Halt dich an deiner Liebe fest“ Rio Reiser aus der Gruft holten. Im Original stammt der Song nämlich von Ton Steine Scherben. HipHop aus Stuttgart, gespickt mit Reggae-Rhythmen und garniert mit 68er-Romanük – bis zum Freundeskreis war das eine echte Marktlücke. Jetzt stellen wir erstaunt fest: Die Kommune lebt. Zurück nach Hamburg. Da hieß es auf einmal „two in one“. Aus der Tobi und das Bo und DJ Mario Coolman und Marcnesium wurden über Nacht Fünf Sterne Deluxe. Die stellten mit der Single „Willst du mit mir geh’n?“ die Frage des Jahres und haben mit „Sillium“ eine Platte gemacht, die ohne weiteres als Kaufempfehlung durchgeht. Eine solche kann man getrost auch für „Bambule“, die neue Platte von Absolute Beginner, geben. Knackige Grooves, ein feiner Flow – und eigentlich alles andere als Bambule. Ein bißchen Sorgen machte uns 1998 Thomas D. Rein beruflich war zwar alles im Lot – erfolgreiches Soloalbum, erfolgreiche Duette mit Nina Hagen und Franka Potente -, aber privat, da klappte gar nichts. Von Jenny Elvers gelinkt zu werden, ist schlimm. Dann aber auch noch Streß mit dem herzschwachen Altmacho Heiner Lauterbach zu haben, ist die Höchststrafe. Auch Kollege Hausmarke hatte mit „Weltweit“ ein erfolgreiches SoloAlbum am Start; die andere Hälfte der Fantas schwieg. Was man leider von Xavier Naidoo nicht behaupten konnte. Der Mann hatte während seines Zivildiensts zuviel frei und las deshalb in der Bibel. Schier unerträglich, wie Naidoo in Interviews über Glauben und Religiosität schwadronierte und meinte, Gott in seinen Liedern wiederzufinden. Dabei hat Naidoo als Performer auf der Bühne durchaus seine Qualitäten. Tatsache ist aber auch, daß er – darin Patrick Lindner nicht unähnlich – auch nur „Schmerz“ auf „Herz“ reimt. Wer Xavier sagt, muß leider auch Olli P. sagen. Die beiden verbindet nämlich die scheußlichen Cover-Versionen von „Flugzeuge im Bauch.“ Man braucht kein Grönemeyer-Fan zu sein, um festzustellen: Das mußte ihm das Schicksal nicht noch zusätzlich antun. Lind, ach ja: Moses P. Den Prozeß gegen Stefan Raab hat er verloren. Ansonsten hatte der Mann immer noch Angst, „böse gefickt zu werden“ und schwätzte ziemlich oft von „Fotzen“. Was unmittelbar dazu führte, daß sogar seine Mama die Texte „fürchterlich“ fand. Wir merken uns: Mutter hat immer recht.