Das Ende von „Mad Men” und Don Draper erklärt: Innerer Frieden oder Zynismus?
Sieben Staffeln lang hat sich Don Draper in „Mad Men” durch sein Leben gelogen, geraucht und gesoffen. Und zum Schluss soll alles Friede, Freude, Eierkuchen sein? Wir erklären, warum es darauf keine einfache Antwort gibt.
Don Draper (Jon Hamm) sitzt mit ein paar Hippies in der Sonne. Er meditiert. Die Kamera fährt auf ihn zu. Auf seinen Lippen: ein schmales Lächeln. Dann ein Schnitt, der legendäre „Hilltop”-Werbespot von Coca Cola wird gezeigt, bevor zum allerletzten Mal der Abspann von „Mad Men” über den Bildschirm läuft.
So haben sich zahlreiche Fans das Ende der Serie nicht vorgestellt. Für viele Zuschauer*innen gab es nur eine einzige Möglichkeit: Don Draper muss sterben – als Erlösung von und als Strafe für seine Sünden. Inneren Frieden hatte wohl kaum einer auf dem Zettel. Also was bedeutet dieses unerwartete Ende?
Dazu muss zunächst einmal erklärt werden, warum die Sequenz so aus der Reihe tanzt. Denn Don Draper lebte zuvor in einer Welt, auf die James Browns „It’s a Man’s Man’s Man’s World” – oder zumindest genau diese eine Zeile – perfekt zu passen schien. Ein gutbezahlter Job als Kreativchef bei der Werbeagentur „Sterling Cooper”, die Bilderbuchfamilie mit bildhübscher Frau zu Hause in der Vorstadt, eine Affäre nach der anderen in der City, jede Menge Alkohol und Zigaretten und zwischendurch die lukrativsten Kampagnen an Land ziehen – das war das Leben von König Draper.
Doch sein dunkelstes Geheimnis zerfraß ihn ganz langsam von innen: Im Koreakrieg wurde vor seinen Augen der echte Don Draper, der kurz vor seinem Abzug gen Heimat stand, getötet. Also nutzte der Soldat, der eigentlich Richard Whitman heißt, die Chance, nahm die Identität seines getöteten Kameraden an und führte von diesem Zeitpunkt an ein Leben hinter der Draper-Maske.
Ziemlich eindeutig uneindeutig
„Mad Men” zeichnet Don Draper als einen Menschen, auf dessen Schultern durchgängig eine quälende Schuld lastet, dessen Beziehungen dadurch unweigerlich in Sackgassen steuern, als jemanden, der permanent mit Sex, Alkohol und Drogen gegen den absoluten Gefühlstod ankämpft und für den Anstand, Moral und Respekt nicht mehr als belanglose Worte sind. Das richtet ihn irgendwann so zugrunde, dass er sich in einen Selbstfindungstrip nach Kalifornien flüchtet, wo er letztlich meditierend in der Sonne sitzt.
Die einfachste Erklärung wäre: Don Draper hat im letzten Moment noch einmal das Ruder rumgerissen, seinen Lebensstil kritisch hinterfragt, einen Schlussstrich gezogen und Frieden mit sich selbst geschlossen. Doch „Mad Men” ist immer noch eine Serie von Matthew Weiner, der im Writer’s Room von „Die Sopranos” zur Schule gegangen ist und sich deshalb ziemlich gut mit uneindeutigen Serienenden auskennt.
Ziemlich eindeutig uneindeutig ist das Ende von „Mad Men” nämlich auch. Denn was hat dieser Werbespot von Coca Cola dort zu suchen? Die darin geschaffene Ästhetik ist jedenfalls ziemlich nah an den letzten Aufnahmen von Don Draper. Eine mögliche Schlussfolgerung wäre also: Innerer Frieden war dann doch nicht so verlockend. Also ist Draper zurück nach New York, zurück in die Madison Avenue, zurück in die Werbung und hat aus seinem Hippie-Trip ins kalifornische Ferienlager den nächsten seelenlosen Kommerz-Content geschaffen. Er hätte also die Abwärtsspirale nie wirklich verlassen.
Typisch ambivalent
Jon Hamm selbst glaubt, dass der Spot von Draper ist. „Ich nehme an, dass er am nächsten Tag an diesem wunderschönen Ort aufwacht und diesen ruhigen Moment der Erkenntnis hat und erkennt, wer er ist. Er ist ein Werber. Man kann es auf eine völlig zynische Art sehen und sagen ‘Wow, das ist furchtbar’. Aber ich glaube, dass es für Don eine Art Trost in diesem unglaublich unruhigen, ungemütlichen Leben darstellt, das er geführt hat”, sagte der Schauspieler nach dem Serienende der „New York Times“.
Ähnliches äußerte auch Serienschöpfer Weiner dem „Hollywood Reporter“ gegenüber. Die Kolleg*innen interpretierten seine Aussagen als Bestätigung, dass Don Draper wieder zurück in die Werbung kehrt. Doch ein direktes Zitat blieben sie schuldig.
Trotz dieser Vorwegnahme lässt sich „Mad Men” als eine Reihe von Gewissensfragen, moralischen Abwägungen und anderen Ambivalenzen betrachten. Damit bleibt es jedem ein Stück weit selbst überlassen, das Finale zu deuten.
Alle sieben Staffeln von „Mad Men” sind derzeit im Abo von Prime Video sowie Starz Play inklusive und außerdem bei mehreren VOD-Plattformen zum Leihen und Kaufen zu haben.