Das endlose Goodbye – Zum Abschied von The Who


Eine Seuche grassiert. Superstars kündigen ihre Abschiedstournee an…, um dann doch noch mal wiederzukommen. Den großen Reibach freilich haben sie längst gemacht. Dr. Gonzo ging mit den Schwindlern hart ins Gericht.

Früher waren es die Boxer, speziell die Weltmeister der jeweiligen Gewichtsklassen, über deren zerschundenem Haupt der Spruch „They never come back“ wie ein Damoklesschwert baumelte. Doch auch das galt nur bis zu jenem Tag, da Cassius Clay alias Muhammed Ali den Ring betrat. Er kam zurück, wieder und wieder – und wenn ich ihn richtig verstanden haben, dann will er’s demnächst gar noch mal versuchen. (Doch wer ihn unlängst im Fernsehen gesehen hat, der wird wohl bemerkt haben, daß der Mann mittlerweile einen so weichen Keks hat, daß er kaum noch in der Lage ist, das Plakat zu seinem nächstem Comeback-Fight zu entziffern!) Nicht so unsere Pop-Stars. Die erfreuen sich durch die Bank weg noch bester Gesundheit, doch sind sie es, die einen mit ihren ständigen Abschieds- und Rückkehr-Tourneen ganz schön auf Trab halten. So, als hätten sie von Zarah Leander gelernt, die sich mit letzten, allerletzten, wirklich letzten und definitiv letzten Touren, (die sie zu guter Letzt fast nur noch im Rollstuhl bewältigte) ein Vermögen verdiente.

Denn auch sie, die Popstars werden immer dann wortbrüchig, wenn mal wieder das Finanzamt vor der Tür steht, in der Champus- und Drogen-Kasse Ebbe herrscht, oder die Raten für den Rolls und das neue Jagdschlößchen nicht mehr aufzubringen sind.

So kam z. B. vor etlichen Jährchen die Gruppe Lindisfarne, ein nach mehreren Top-Hits eher glückloser Haufen, nach ihrem ersten Abschiedskonzert in Newcastle auf die glorreiche Idee, es im nächsten Jahr doch noch einmal zu versuchen. Mit Erfolg. Und so geben sie seitdem Jahr für Jahr ihre Abschiedskonzerte. Und werden es wohl auch noch so lange tun, bis der letzte der Musikusse in die Gruft gefahren ist.

Und hat man’s erst mit Megastars zu tun, dann verabschiedet man sich nicht nur in einem Kaff wie Newcastle, sondern hält es für seine verdammte Pflicht, der ganzen Welt „adieu“ zu sagen.

Wie gerade jetzt unsere Freunde, die Who. Von Amerika hat man sich bereits „verabschiedet“, doch England und das übrige Europa sollen auch noch zu ihrem Recht kommen. Eine Absicht, die jüngst der „Melody Maker“ mit bissigen Worten kommentierte. „Pete Townshend verkündete die frohe Botschaft unmißverständlich: Die Band The Who wird nie wieder auf Tour gehen! Doch unsere Erleichterung schlug schnell ms Gegenteil um. Natürlich machen die Who gerade ihre definitiv letzte Tour. Nur: Sie wird offensichtlich bis an ihr Lebensende dauern.“ Nun ja, das ist man den Fans schließlich schuldig. Oder etwa nur dem Finanzamt?

Nein, wer so profan denkt, der hat zum Beispiel die Abschieds-Farewell-Comeback-Wiederkehr-Tour von Cat Stevens alias Jussuf Muhammed (oder so ähnlich) wirklich nicht verdient. Ich meine, der Mann hat wirklich was auf sich genommen, als er sich plötzlich zum Islam bekehrte: Er legte sich nicht nur diesen fremden Namen zu, ließ sich nicht nur ’nen ellenlangen Bart wachsen, versteigerte nicht nur sein gesamtes Instrumentarium, nein, er sagte darüber hinaus seinen Fans und der (laut Ayatollah Khomenieh „teuflischen“) Musik für immer ade.

Doch sollten wir, die Fans, uns wirklich anmaßen, darüber zu richten, wenn er sich demnächst – wie er es unlängst andeutete mit einer Comeback-Tournee von seinem „Fehltritt“ distanziert? Dürfen wir es solch in Ehren ergrauten alten Herren wie den Moody Blues ankreiden, wenn ihre Finanz-Spekulationen fehlschlagen – und sie dann wieder einmal mit einer weltweiten Tournee für immer von uns Abschied nehmen wollen?

Freunde, wir müssen da umdenken. Die Geister, die wir in den sechziger Jahren riefen, die werden wir in den Achtzigern nicht so schnell wieder los. Diese Herren haben schließlich ein Recht darauf, uns zu unterhalten! Wenn beispielsweise Mick Jagger vorgibt, eine weitere Tournee der Rollmg Stones hinge von den Kalzium-Vorräten der Band ab, dann klingt das nicht nur wie eine Drohung, sondern ist sogar eine. Ein Schelm, der der „größten Rock ’n‘ Roll-Band aller Zeiten“ nicht auf Wiedersehen sagen will, und sei’s auch nur (mal wieder) das vorletzte Mal. Ähnlich alptraumhaft die Vorstellung, daß sich die Clash, die Sex Pistols oder die Damned in den neunziger Jahren permanent von uns verabschieden..

Nein, ich glaube, wir sehen das alles viel zu eng, denn wenn wir uns mal das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn ins Gedächtnis zurückrufen, dann dürften wir eigentlich nur froh sein, daß sich all die vergessenen (will nicht sagen: verlorenen) Rock-Söhne wieder auf uns, das Publikum, besinnen. Denn es kann doch niemand ernsthaft behaupten wollen, Deep Purple, Emerson, Lake & Palmer, Yes, Led Zeppelin etc. hätten uns schon zu ihren Lebzeiten alies gegeben.

Da müssen Comeback-Tourneen (plus Live-Doppel-LP’s) und selbstredend Farewell-Tourneen (nebst vierfach Greatest Hits-Compüations im praktischen Schuber) her, denn schließlich wußten wir ja mal, was wir an diesen Bands hatten. Und das vergißt man nicht so schnell.

Ich frag 1 mich nur, was wohl in die Beatles gefahren sein muß? Daß die ein Comeback-Konzert, für das sie hunderte von Millionen Dollars hätten einsacken können, einfach in den Wind schlugen, das werden weder die Who, Cat Stevens, Elton John, die Rolling Stones, die Moody Blues… noch die Fans verstehen.

Oder doch?