Das letzte Aufbegehren mit Portishead, Moderat und SOHN: Der Sonntag beim Melt! Festival 2014


Der dritte Festivaltag war geprägt vom intensiven Konzerterlebnis mit Portishead und Auftritten von Moderat, SOHN und John Grant.

Kurz vor Mitternacht steht Beth Gibbons am dritten Tag des Melt! Festivals 2014 mit herunterhängenden Schultern auf der Bühne der Mainstage, ihre beiden Hände das Mikrofon umklammernd. Die Sängerin von Portishead blickt verzweifelt-melancholisch zu Boden und flüstert kaum hörbar die Worte „Thank you“ Richtung Publikum. Es passt zu der Musikerin, die sich außerhalb ihres Banduniversums auch sonst kaum mit einem Wort an die Öffentlichkeit wendet, introspektiv und in sich gekehrt wirkt.

Welche zutiefst persönlichen Gefühle die Sängerin von Portishead aber dann aus ihrer Seele herausholt, in ihrer Musik verarbeitet und mit welcher Intensität sie die womöglich tiefen Verletzungen den Zuschauern schonungslos präsentiert, das erzeugt beim Hinsehen Gänsehaut. Bei ihrem Auftritt auf dem Melt! Festival gehen diese depressiven Ausdrucksformen einher mit Kaskaden elektronischen Soundgewitters und Visuals, die den Zorn von Beth Gibbons auf die Welt verbildlichen, politische Verweise auf die Gefahr von Atomwaffen und den Syrien-Krieg inbegriffen. Es ist die Wut gegen Institutionen, die hier zum Vorschein kommt, ein Aufbegehren gegen innere Mächte, was gut zum letzten Tag des Melt! Festivals passt.

Denn auch die Festivalbesucher kämpfen mit ihren inneren Mächten, insbesondere der Müdigkeit, den Hitze-Nachwirkungen und dem Ausnüchtern – das ist nach zwei durchfeierten Nächten an diesem Tag offensichtlich. Noch bei John Grant sind die Zuschauerreihen gegen 19 Uhr nur sehr spärlich besetzt, die zwischen elektronischen Einschüben wandelnde Songwritermusik sorgt immerhin bei den wenig Anwesenden für Begeisterung – und er ist selbst überrascht, dass „bei dieser Hitze schon so viele Menschen zu ihm gekommen sind“. 

Voller ist es da schon bei dem Multiinstrumentalisten Ryan Lott alias Son Lux, der auf der Zeltbühne mit eigenwilligen Lo-Fi-Folk-Electronica-Experimentalkompositionen zu begeistern weiß und ein wunderbares Alternativprogramm zum parallel spielenden SOHN auf der Hauptbühne darstellt. Moderat, die kurz vor Portishead in ihrem Wohnzimmer Melt! noch einmal sphärische Electrobeats mit beeindruckenden Visuals verbinden, knüpfen unverblümt an das Drei-Stunden-DJ-Set von Modeselektor in der Nacht beziehungsweise dem Morgen vom vorigen Festivaltag an.

Als Beth Gibbons als letzte Große des Sonntagabends auf die Bühne tritt, zieht sie mit der ganzen Kraft ihrer Ausstrahlung alle in den Bann und beendet damit eine 2014er-Ausgabe des Melt! Festivals, das geprägt war von einer unerbittlichen Hitzewelle, Glitzermusik à la Robyn & Röyksopp, mitreißendem Synthiepop von Future Islands und Metronomy.