Das M.E.-Personality-Interview: Oooh Otto!
Es gibt nicht viele von seiner Sorte und es gibt nur wenige, denen man ihren Erfolg so vorbehaltlos gönnen darf wie Otto. Im folgenden Exklusiv-Interview plaudert der Sprüchemacher und Ex-Ostfriesländer über sein bewegtes Leben mit ME-Redakteur Lutz Wauligmann:
BEFRIEDIGT RUMHOPPSEN
ME: Otto, Du bist dafür bekannt, dass Du eine ausgefallene, originelle Meinung hast zu allen möglichen Dingen, und dass Du die nicht nur lauthals verkündest, sondern damit auch ’ne Menge Kohlen verdienst. Ganz abgesehen davon bist Du in kürzester Zeit wahnsinnig populär geworden (Siehe ME-Pop-Poll). Sag‘ doch mal, was Du so von der Konkurrenz aus der restlichen Popwelt hältst…
Otto: Da würd‘ ich sagen Gary Glitter – Magenbitter und Uriah Heep – ich hab‘ dich lieb. Kennst Du auch die Schwester von Rod Stewart? Renate Stewardess… ME: Kommt es schon mal vor, dass Du in deiner exponierten Stellung seelische Probleme bekommst? Hast Du zum Beispiel schon mal die allseits beliebte Telefon-Seelsorge in Anspruch nehmen müssen?
Otto: Nöö, ich hab‘ meine eigene Telefon-Seelsorge, das ist schon richtig. Woher weisst Du das? Ich hab‘ ’n Tonband aufgenommen, da hab‘ ich einige Texte draufgesprochen – das ist meine Telefonsorge. Immer wenn ich sie brauch‘, wähl‘ ich mit meinem Haustelefon die Nummer drei und dann läuft das Tonband ab und dann bin ich wieder befriedigt, geh‘ raus an die frische Luft rumhoppsen, mit Blättern um mich werfen.
HALLO KRISHNA, HALLO KRISHNA
ME: Bist Du sicher, dass das Telefon nicht abgehört wird?
Otto: Nöö, das kriegt keiner raus, das ist ’n Code. Der Text ist sowieso alles Geheimsprache …
ME: Aber nicht rückwärts aufgenommen …?
Otto: Doch, rückwärts, woher weisst Du das?
ME: Als Journalist muss man doch auf Draht sein, oder? Otto, Du hast nicht gerade aussergewöhnlich lange Haare, aber hast Du dir schon mal überlegt, dass Du mal wieder zum Friseur gehen könntest?
Otto: Ja, ich will mir nämlich jetzt die Haare ganz kurz schneiden lassen, weisst Du, so wie mein Freund Krishna, Hallo Krishna, Hallo Krishna, Hallo Rama… Die ham das ja so kurz. Das fand ich ganz schön. Nur einen Zopf werd‘ ich dranlassen, den werd‘ ich ganz gerade, ich glaub‘, im Gard-Haarstudio werd‘ ich mir den legen lassen und ,dann ganz steif nach oben. Dann hab‘ ich natürlich ’n bisschen Schwierigkeiten in den Tiefgaragen, aber das macht nichts. Das nehm‘ ich auf mich, sieht nämlich gut aus.
ME: Meinst Du, dass man dich dann auch noch wiedererkennen wird?
Otto: Da hab‘ ich jetzt schon Schwierigkeiten. Beim letzten Konzert in Braunschweig wollte ich rein. Ich komm‘ da an um sieben Uhr, und da sagte ich, ich möchte rein, ich bin Otto. ‚Ooooh Otto, hör‘ auf, Otto sieht ganz anders aus, komm, komm, lass‘ sein Alter‘, sagte der Typ an der Tür, ‚jaja ist schon gut, Otto sieht ganz anders aus, tschüss‘. Konnte ich also nicht in mein eigenes Konzert rein. Solche Schwierigkeiten tauchen jetzt schon auf, nur weil ich meine Haare etwas kürzer hab‘.
‚SMARTIES‘ SORTIERT
ME: Wolltest Du in deiner Kindheit, als Du noch klein und schön warst, nicht irgendwann einmal Lokomotivführer werden?
Otto: Nöö, vielleicht ist gerade deshalb nichts aus mir geworden. Aber ich hab‘ auch schon ’ne anständige Arbeit gehabt. Inner Schokoladenfabrik hab‘ ich ’ne Zeitlang die ‚Smarties‘ sortiert. Mit Nachtschicht.
ME: Dazu darf man wohl nicht farbenblind sein…
Otto: Doch, die Dinger werden ja erst ganz am Ende des Fliessbands gefärbt. Zuerst ist es ja nur reine Schokolade. Die brauchst Dur nur in Kisten abzufüllen und immer weiterzusetzen. Bist Du dann nachts ganz allein im Haus und die ‚Smarties‘ laufen auf dich zu und Du legst sie immer weiter in die Kisten, dann kommt es vor, dass Du auf’s Klo musst, weisst Du, dann kommt keiner und löst dich ab und dann fliegt die ganze Scheisse auf den Boden. Das ist aber jetzt kein Gag, das stimmt wirklich. Ich hab‘ da gearbeitet. Ich hab‘ auch an der Olympiade in München teilgenommen mit meinem amerikanischen Freund Mike Wilson, den ich dort kennenlernte. Zusammen haben wir dort auf dem Olympia-Gelände so ein paar Beatles-Sachen und Stones-Persiflagen gespielt.
DAS ‚DICKE‘ DING
An dieser Stelle des Interviews klingelte gerade das Telefon.
Otto: Tuberkulosefürsorgeheim – Zu wem möchten Sie kommen? – Wir laden Sie recht herzlich ein. Ich kenne Sie zwar nicht persönlich … ich muss jetzt Schluss machen, hier ist nämlich grad so’n Typ von Musik Express.
ME: Otto, hast Du schon den Titel klar für das nächste Album?
Otto: Ja, ‚Otto Zwei‘, es ist eben die zweite LP. Kannste doch nicht sagen ‚Otto und noch mehr Scheisse‘ oder so. Es ist eben schwierig ’nen Titel zu finden. Vielleicht werden wir die Platte auch nicht ‚Otto Zwei‘ nennen, das ist noch nicht festgelegt. Die Nachfrage ist übrigens schon sehr gross. Wir sind aber extra nicht ins Weihnachtsgeschäft eingestiegen, weil ja jeder ins Weihnachtsgeschäft einsteigt. Die Plattenleute spielen schon verrückt, die hau’n mich alle an, warum ich nicht die Platte rausbringe, das war‘ doch das dicke Ding, da würdest Du jetzt… da würden die doch … So, weisst Du, nöö, wir machen das jetzt im Januar.
ME: Du bist also nicht gerade einer von den gewieftesten Geschäftsmännern… Otto: Das ist auch nicht erforderlich.
WER WEISS, OB DIE MICH BESCHEISSEN…
ME: Hast Du Angst vor dem vielen Geld, das Du verdienst?
Otto: Ja, ’n bisschen. Im Grunde kann ich das im Moment noch garnicht verkraften. Früher hast Du nie Kohle gehabt und plötzlich kriegst Du so’nen Haufen Geld, weisst Du, und dann kommen die Steuern und so, da musst Du dir ’nen Steuerberater zulegen, weil Du eben den Durchblick nicht hast. Wer weiss, ob die mich bescheissen …
ME: Mit dem Geld, was Du jetzt hast, könnte man vielleicht was ganz Duftes machen. Zum Beispiel selbst ’ne Plattenfirma gründen, in der es nicht so bürokratisch wie anderswo zugeht.. .
Otto: Ja, wir wollen vielleicht so’n Studio aufmachen oder sowas, aber das sind noch Pläne. Die Kohle kommt ja auch erst seit drei, vier Monaten.
ME: Kommst Du bei deinen Auftritten immer alleine auf die Bühne?
Otto: Ich arbeite allein. Manchmal mach‘ ich wie gesagt auch ein paar Rock-Nummern mit ’ner improvisierten Band zusammen. So in Hamburg und Umgebung. Dann, nehm‘ ich ’n paar Leute mit, Dicky Tarach, den Randy Pie, bzw. Ex-Rattles und Ex-Wonderland Drummer und Werner Böhm. Dann dreschen wir unheimlich los. Ich hab‘ früher schon mal inner Band gespielt, als ich noch zur Schule ging.
ME: Was für ’ne Band?
Otto: So’ne Beat-Band, weisst Du, das ist schliesslich schon sieben Jahre her. ME: Hältst Du dich für ’nen grossen Musiker? Otto: Nöö, aber guck‘ mal, ich spiel‘ jetzt vierzehn Jahre Gitarre. Ich kann zwar ’nen bisschen nach Noten spielen, aber ich kann zum Beispiel keine klassische Gitarre – nur so’n bisschen rumklimpern. Ich kann… also ich spiel‘ ziemlich gut, würd‘ ich sagen
OSTFRIESLAND-BEAT
ME: Hast Du dir schon mal überlegt, ob Du überhaupt singen kannst?
Otto: Ich hab‘ früher in dieser Band schon gesungen, und wir hatten ziemlich grossen Erfolg, Du, wir waren die beliebteste Amateur-Beat-Band von Ostfliesland, die bestbezahlteste jedenfalls…
ME: Du hast jetzt gerade deine erste grosse Deutschland-Tournee beendet… Otto: Seit August war ich unterwegs, und ich hatte fast jeden Tag ’nen Auftritt, das waren immerhin so zwischen vierzig und fünfzig Gigs allein in Deutschland. Die Schweiz und Osterreich sind aber auch interessiert. Es läuft also im Moment ganz wahnsinnig. Wenn Bands auf Tournee gehen, ist das Idiotische ja, dass sie die enorm hohen Unkosten haben, da wird dann kaum noch ’n Pfennig verdient. Ich hab‘ verhältnismässig wenig Unkosten – das ist schon ein unheimlicher Job.
ME: Auf deiner ersten LP kann man sehr gut hören wie das Publikum auf deine Gags einsteigt. Passiert das bei allen deinen Auftritten?
Otto: Ja es läuft also ganz wahnsinnig. Es wird immer besser.‘
ME: Aus welchen Leuten besteht dein Publikum überhaupt?
Otto: Es ist eigentlich gemischt, so zwischen zwölf und fünfzig Jahren. Die Leute kommen sowohl in Abendkleidern als auch mit Parka.
GIGANTISCHER ZIRKUS
ME: Hast Du schon neue Fernseh-Pläne?
Otto: Meine erste Fernsehshow war ja ’n Reinfall im Grunde. Ich war also unheimlich gebunden ans Drehbuch und an die Regie, jede Bewegung war genau vorgeschrieben. Es gab da keine Spontaneität, keine Originalität mehr. Jetzt woll’n wir daher ’n Ding aufziehn, ’n Live-Konzert in der Musikhalle in Hamburg mit beispielsweise Roxy Music und allem Drum und Dran – den gigantischen Zirkus, dass ich beinahe überhaupt keine Funktion bei dem Ganzen mehr hab‘, nur so Conferencier bin – aber das ist noch offen… Also Pläne sind da. Ich weiss nicht, ob Du davon gehört hast; wir haben letztens in Husum gespielt, da hab‘ ich ’nen Schlag gekriegt. Da ha’m wir zu dritt’ne Rock’n’Roll-Nummer gemacht und da war die Gesangsanlage nicht geerdet, ich greif ins Mikro und bleib‘ kleben, weisst Du, flieg‘ zurück und die Leute fangen an zu klatschen „hey, bravo!‘, weisst Du, unheimlicher Sprung, voll auf die Fresse gefallen und bin liegen geblieben und konnte mich nicht mehr bewegen, weisst Du. Der Atemvorgang setzt aus, das Augenlicht steigt aus, und Du willst schreien, kannst aber nicht, bist gelähmt. Und dann kommt Hans-Otto, kommt der Manager, kommt auf die Bühne und sagt ‚Otto, was hast Du?‘ – Aauuha‘ und kriegt auch einen gewischt. Und nun mein amerikanischer Freund Mike Wilson, der stürzt auf die Bühne, tritt mit dem Fuss und knallt mir das Ding aus der Hand, weisst Du, und dann gleich ins Krankenhaus. Danach war dann ein Konzert in den nächsten Tagen, dass mussten wir alles verschieben.
SPRÜCHE GEMACHT
ME: Hast Du für jeden Auftritt eigentlich ein festes Konzept?
Otto: Ich weiss was ich spielen will. Ich bin aber immer so durcheinander und so hektisch, dass ich mir das aufm Zettel notieren muss und dann trotzdem nicht draufschau‘ und trotzdem alles vergesse, aber n roter Faden ist irgendwie da.
ME: Schade eigentlich, dass Du mit deinen Gags nur im deutschsprachigen Raum verstanden wirst…. Otto: Neulich hab‘ ich in Kopenhagen gespielt. Da hab‘ ich meine Gags auf Englisch gebracht, und das ist auch unheimlich losgegangen. ME: Otto, Du kommst aus dem Land der Torfstecher und Deichbauer…
Otto: Ich komme aus Emden/Ostfriesland, das macht mir weiter nichts aus. Ich finde es sogar sehr witzig, wenn die Leute sagen ‚Ostfriesland und so‘.
ME: Inzwischen wohnst Du aber schon lange in Hamburg…
Otto: Ja, seit drei Jahren. Nach ‚m Abi hatte ich erstmal keine Kohlen, um zu studieren. Dann hab‘ ich angefangen hier in Folk-Clubs zu spielen – Blues, Mundharmonika und so. Zwischendurch immer ein paar Sprüche gemacht, das kam ganz gut an. Dann hab‘ ich das fortgesetzt bis es beinahe ganz bei den Sprüchen geblieben ist. Mit einem Typen hab‘ ich zusammen Pharmazie studiert. Mit ihm zusammen hab‘ ich das erste grössere Ding abgezogen hier in Hamburg und zwar in der ‚Fabrik‘. Das war ziemlich voll. Ha’m wir gleich nochmal hier im Audi-Max … und das war auch ausverkauft. Dieses Konzert haben wir auf einem ganz normalen Tonbandgerät aufgenommen. Unsere Produktionskosten waren 250 D-Mark. Das hatten wir uns nämlich geliehen, das Bandgerät Dann ha’m wir die LP gedruckt und sind damit von Laden zu Laden gezogen. Wir hatten kein Label, nichts. Dort ha’m wir die Scheibe angeboten, nachdem wir zuvor bei verschiedenen Plattenfirmen waren, die alle kein Interesse hatten. Plötzlich lief das Ding unheimlich an. In einer Woche ha’m wir gleich ’n Paar tausend verkauft – allein in Hamburg. Da ha’m wir denn gesagt, wir produzieren das Ding selbst und geben es einer grösseren Plattenfirma in den Vertrieb, weil die das dann wohl interessiert. Mittlerweile hab‘ ich jetzt schon über 200 000 Scheiben verkauft 220 000 genau. Ich geb‘ mir in Kürze selbst ’ne Goldene, weil ich ja noch immer selbst Produzent bin.