Das passende Einstecktuch


Wer gut gekleidet ist, entscheidet Wäis Kiani. Heute vor dem Stilgericht: Jan Delay

Als Jan Delay vor einigen Monaten in Zürich seinen Swiss Award entgegennahm (Die Schweizer denken, es sei eine Art Oskar, in Wahrheit ist es ein vollkommen unwichtiger Provinz-Preis), trug er über seinem scharfen schwarzen Anzug auf Brusthöhe eine ziemlich unübersehbar beeindruckende Kette aus Minaretten. Das einzige, was der Moderatorin dazu einfiel, war: Warum heißt du mit Nachnamen Verspätung?

Das lehrt uns zwei Dinge. Zum einen wurde mal wieder bewiesen, dass die Schweizer das dümmste Volk der Welt sind und es einfach nicht verdient haben, verarscht zu werden. Zum anderen wurde deutlich, dass Jan Delay einen wunderbaren Humor hat und sein Blick auf die Welt aus einer durchaus lobenswerten Perspektive stammt.

Wer so oft mit Preisen geehrt wird wie Jan, braucht viel anzuziehen, oder anders gesagt: hat oft Gelegenheit, sich durch seine Kleidung zu präsentieren. Man hat das Gefühl, Jan kann es gar nicht erwarten, der Menschheit mit seinem nächsten Outfit den Mittelfinger zu zeigen. Seine Echo-Verleihungsrobe war aus glänzend-pinkfarbenem Seidentaft mit einer blau-pink karierten Krawatte und passendem Einstecktuch, dazu rote, spitze Lackschuhe. Udo Lindenberg sah daneben aus wie eine gebrauchte Fledermaus.

Und wie praktisch: Nachdem Jan das Publikum als Dank für den eben verliehenen Echo mit einem Liedchen beglückte, musste er die Bühne überhaupt nicht verlassen, sondern konnte gleich den zweiten Echo in Empfang nehmen, was seinem Anzug sofort noch mehr die Ausstrahlung verlieh, perfekt auf Träger, Zeit und Anlass abgestimmt worden zu sein.

Nichts macht einen Musiker so sexy wie Erfolg, und davon hat Jan nun mal reichlich. Neben seinem umwerfenden Charme, der von vielen als Arroganz missdeutet wird, seinen klugen Erwiderungen auf die peinlichen Fragen zurückgebliebener Moderatoren (Soll man die eine Hälfte der Welt opfern, um die andere zu retten? Jan: natürlich nicht!) verfügt er über eine Souveränität, die es ihm erlaubt, zu einem grauen Seidenanzug mit schwarzen Punkten eine Fliege und ein internationales No-Go auf dem heterosexuellen Jahrmarkt der Eitelkeiten zu kombinieren: Eine Louis-Vuitton-Umhängetasche. Aber weil man weiß, dass er darin wahrscheinlich seine kleine Reise-Bong in einem mit Samt ausgeschlagenen Kästchen transportiert, und sei es nur, um für sich selbst einen Bruch zu erzeugen, kommt es unschwuler rüber als ein Werkzeugkasten. Jan Delay hat es einfach geschafft: Er ist ein freier Mann und kann machen, was er will. Mehr kann man in einem Leben nicht erreichen. Respekt, Alter.

Wäis Kiani

Die Mode-Kolumnistin und Bestseller-Autorin („Stirb, Susi!“) schreibt und lebt in Zürich.