Das sind die 100 besten Live-Alben aller Zeiten
Die 100 besten Live-Alben in der ultimativen ME-Liste – diese Platten sind für die Ewigkeit.
20. Jay-Z – UNPLUGGED
„Welcome to Jay-Z’s poetry reading“ beginnt Sean Carter sein Set in den MTV-Studios in New York. Zu Beginn des aktuellen Jahrtausends war kein Rapper größer als Jay-Z. Mitverantwortlich waren dabei auch die Beats von Pharrell, Timbaland & Co., welche für MTVs bis heute größte Rap-Ausgabe ihrer Unplugged-Reihe aber natürlich anders umgesetzt werden mussten. Dafür engagierte er The Roots, die vor allem den Songs seiner BLUEPRINT-Alben eine völlig neue Note verliehen haben. Ohne die Gaststars der Tracks feuerte er seine Hits blitzschnell nacheinander in die Menge des Clubs. – Christopher Hunold
Der Moment: Überraschungsgäste sind immer ein Highlight, so auch hier als Mary J. Blige plötzlich auf die Bühne tritt und nicht nur „Can’t Knock The Hustle“ mitsingt, sondern auch ihren eigenen Song „Family Affair“ anstimmen darf.
19. The White Stripes – UNDER GREAT WHITE NORTHERN LIGHTS
Nach sechs mehr oder minder brillanten Studioalben ließen The White Stripes kurz vor ihrem Split noch einen aus 16 Stücken unorthodox überblendeten Patchwork-Konzertmitschnitt auf die Gefolgschaft los. UNDER GREAT… empfahl sich als veritable Audio-Essenz zu Emmett Malloys zwei Jahre zuvor entstandener gleichnamiger Doku. Zu jenem Zeitpunkt entzückten Jack und Meg White, einst offiziell als Geschwisterpaar annonciert, später als Ehepaar entlarvt, schon im 13. Karrierejahr als visionäres US-Garagen-Rock-Duo. Sowohl vom schroff-harschen Lo-Fi-Blues-Punk-Rock-Folk-Scherben-Sound als auch der effektiven Arbeitsteilung von Jack’n’Meg ließen sich diverse Nachahmer inspirieren. – Mike Köhler
Der Moment: Inferno „Icky Thump“ – mehr vehement passionierte Übergeschnapptheit geht nicht.
18. Radiohead – I MIGHT BE WRONG: LIVE RECORDINGS
Gemessen daran, dass sich Radiohead-Konzerte meist über zwei Stunden erstrecken, mag dieses 40-minütige Extrakt aus verschiedenen Gigs recht kurz erscheinen. Dafür aber darf man hier der frisch erfolgten Verwandlung einer Band mittels der Zwillingsalben KID A und AMNESIAC beiwohnen: So begräbt man die Erwartungen jener, die nach dem Welterfolg von OK COMPUTER auf hymnische Stadionmusik hofften. Die waidwunde Schmachtnummer „True Love Waits“, hier zum Schluss allein von Thom Yorke an der Akustischen in Oslo gespielt, sollte sich fünfzehn Jahre später als sphärisch recyceltes Finale auf A MOON SHAPED POOL wiederfinden. – Martin Pfnür
Der Moment: als Thom Yorke in „The National Anthem“ in dieses rhythmische Hecheln verfällt, für das er schon längst mal gerühmt gehört.
17. Bob Dylan – THE BOOTLEG SERIES VOL. 4: BOB DYLAN LIVE 1966, THE „ROYAL ALBERT HALL“ CONCERT
Dass ein Live-Album tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist, als vorne auf dem Plattencover draufsteht, dürfte selten der Fall sein. Hier ist es so. Denn eigentlich stammen die Aufnahmen aus der „Free Trade Hall“ in Manchester. Das Jahr immerhin stimmt: 1966. Kurz davor hat Dylan seinen Sound elektrifiziert, die Songwriter-Tradition mit dem Rock kurzgeschlossen und die Popmusik revolutioniert. Hier spielt er die erste Hälfte akustisch, dann kommt die Band dazu. – David Numberger
Der Moment: Am „Judas”-Ruf aus dem Publikum vor dem letzten Song kommt man hier natürlich nicht vorbei. Dylan ätzt: „I don’t believe you… You’re a liar!“ Dann der Drumshot von „Like A Rolling Stone“. Legendär ist gar kein Ausdruck.
16. Neil Young And Crazy Horse – LIVE RUST
Im kongenialen Konzertfilm „Rust Never Sleeps“ treiben sich Star-Wars-Kapuzenmännchen zwischen überdimensionierten Boxen rum, Neil Young leuchtet ganz in Weiß. Das zugehörigen Live-Album ist ein Zusammenschnitt aus fünf Auftritten von derselben Tour 1978. Und zeigt WELD von 1991 den lautesten Young aller Zeiten, so hört man auf LIVE RUST den ganzen: zuerst als Singer/ Songwriter allein an Gitarre und Klavier, in der zweiten Hälfte zusammen mit seiner Band Crazy Horse. – David Numberger
Der Moment: Zwischen den sechsten und siebten Song ist der Unwettereinbruch in Woodstock reingeschnitten. „Please get off those towers“, geht eine Bühnenansage, man hört den Neil Young von CSNY nach seiner Gitarre schreien. Direkt danach kommt, wieder im Jahr 1978, der desillusionierte Drogensong „The Needle And The Damage Done“.
15. LCD Soundsystem – THE LONG GOODBYE: LCD SOUNDSYSTEM LIVE AT MADISON SQUARE GARDEN
Wir ignorieren hier, dass sechs Jahre nach der größten Abschiedsparty ever das unweigerliche Comeback folgen musste und reisen ins Jahr 2011, als wir glaubten, ein letztes Mal zu „All My Friends“ gleichzeitig weinen und lachen zu dürfen oder ein letztes Mal Daft Punk im Haus spielen zu hören. Unter dem Motto „Alles muss raus“ spielten James Murphy und Band über drei Stunden lang so gut wie alles, was auch nur halbwegs als Hit durchging und mischten den Auftritt für den Heim-Release extra neu ab, um dem Chaos des Abends eine Struktur zu geben und den Bass zum Dirigenten zu erklären. – Christopher Hunold
Der Moment: das letzte Durchatmen vor dem großen Finale. Das Twin-Peaks-Theme startet vor „New York I Love You, But You’re Bringing Me Down“ und James Murphy bedankt sich bei jeder einzelnen Person, die mit auf diese Reise gegangen ist.
14. Joni Mitchell – MILES OF AISLES
Das erste Live-Album einer der besten Songwriter*innen aller Zeiten war untypisch. Aufgenommen auf der ersten Tour, bei der Mitchell nicht als Solistin unterwegs war, sondern sich von einer Band unterstützen ließ, werden die Hits wie „Both Sides Now“, „Big Yellow Taxi“ oder „Woodstock“ von L. A. Express in sonnenverwöhnte Arrangements gebettet, die die beiden Welten Jazz und Folk versöhnen, und die Klassiker erst recht zum Strahlen bringen. – Thomas Winkler
Der Moment: Zur Einleitung von „Circle Game“ erklärt Mitchell, was der Unterschied ist zwischen einem Gemälde und einem Song. Wurde Van Gogh je darum gebeten, doch bitte dieses eine Gemälde noch mal zu malen als Zugabe? Erst recht nicht konnte er das Publikum auffordern, den nächsten Song mitzusingen, „weil er am besten klingt, wenn möglichst viele schiefe Stimmen ihn singen“. Danach stimmt das Publikum beim Refrain mit ein, gar nicht so schief.
13. Van Morrison – IT’S TOO LATE TO STOP NOW
Er will Bläser, er will Streicher, er will Soul, Jazz, Blues und Rock. Er kriegt alles. Als Van Morrison 1973 mit seinem neu gegründeten Caledonia Soul Orchestra in Amerika und Europa auf Tour geht, spielt er die Shows seines Lebens. Morrison covert die Helden Sam Cooke und Ray Charles, geht zu den Anfängen mit Them zurück, nimmt Songs von den Meisterwerken ASTRAL WEEKS und MOONDANCE ins Programm. „Cyprus Avenue“, „Listen To The Lion“, „Caravan“ dauern hier alle an die zehn Minuten, sind hyperromantisch, mystisch, ekstatisch. – David Numberger
Der Moment: Bei „Cyprus Avenue“ barmt Morrison, bis es immer wieder aus ihm herausbricht. Dann wird es ganz leise, das Publikum fordert „turn it on“. Morrison: „It’s turned on already.“ Er schreit: „It’s too late to stop now.“ Das Schlagzeug, die Bläser drehen voll auf, dann ist’s vorbei. Ein besseres Ende gibt’s nicht.
12. Depeche Mode – 101
Ihr hundertunderstes Konzert findet in Pasadena, Kalifornien statt und stellt gleichzeitig das bislang größte Live-Event für die Band sowie den Abschluss ihrer „Music For The Masses“-Tour dar. Dass sich 101 so nachhaltig in den Gedächtnissen hält, hat viel damit zu tun, dass man hier eine der populärsten Popbands in ihrer Blütezeit erlebt. „Wir werden mit jeder Platte größer“, sagte Dave Gahan in eins der unzähligen Mikrofone, die ihn in dieser Zeit begleiten. Die Setlist beinhaltet fast ausschließlich Hits, die nun noch mal Widerhall vor jener gigantischen Kulisse erhalten. Doch ist es vor allem auch der Dokumentarfilm von D.A. Pennebaker, der „101“ zu einem Zeitdokument hat werden lassen, das mit den Jahren an Reiz bloß gewinnt. – Linus Volkmann
Der Moment: Die Band hat bereits angefangen zu spielen, Tücher verhüllen noch die riesige Bühne. Wann diese fallen, hört man an der Begeisterung des Publikums.
11. Johnny Cash – AT SAN QUENTIN
Schon in den ersten Sekunden, die nervöse Erwartung vibriert im weißen Rauschen aus Gemurmel und Gesprächsfetzen durch den San Quentin State Prison, fragt man sich: Wie zum Teufel konnte während dieses Konzertes des Man in Black bloß keine Revolte ausbrechen? Ein Gefühl, das den ganzen Auftritt, einer von vielen und insgesamt vier auf Live-Alben dokumentierten Besuchen von Johnny Cash in Gefängnissen, nicht nachlässt. Und natürlich passen Cash und seine Songs von Outlaws, Kleinkriminellen und dem Mann, der einmal in Reno jemanden erschossen hat, nur um ihn sterben zu sehen, in einer der berüchtigsten Haftanstalten der USA wie Arsch auf Eimer. – Thomas Winkler
Der Moment: ist natürlich der eigens verfasste Titel-Song mit seiner seltsamen Ambivalenz aus Faszination und Abscheu. Bei der Zeile „San Quentin, I hate every inch of you“ bricht die hasserfüllte Begeisterung aus den Knastis heraus. Unter ihnen: Merle Haggard, der nach seiner Entlassung selbst Country-Star wird.