Das Weltall ist zu weit – Die Sterne


Die Orgel ist an sich ja ein ganz feines Instrument – wenn sie nicht gerade von Keith Emerson oder in der Kirche gespielt wird. In dieser Hinsicht muss man bei Richard von der Schulenburg, dem Sterne-Keyboarder seit 2000, keine Befürchtungen haben. Er hatte auf irres licht Gelegenheit zum Warmspielen und orientierte sich sogleich an den Fingerübungen Ray Manzareks. Eine Dauerlösung war es dennoch nicht. Von der Schulenburgs Orgeleinsatz förderte auf der letzten Platte elegische Qualitäten, die man von den Sternen nicht unbedingt geboten bekommen möchte. Viel besser war die Hamburger Band doch immer, wenn sie sich keine Schnörkel leistete. Wenn Pop-Liebhabertum im Mittelpunkt stand. Wenn frisch und frei von der Leber gespielt wurde.

Die Band hat das offenbar selbst erkannt und sich im Studio wieder auf ureigene Stärken beschränkt. Selbst gelegentliche Zuhörer dürften sich erinnern, dass Die Sterne unter den denkenden deutschsprachigen Bands stets diejenige mit ausgeprägter Rhythmusverliebtheit war. Auf ihren Partys wurde nie nur über Veröffentlichungen aus dem Hause Suhrkamp diskutiert, man tanzte auch schon einmal ausgelassen zu Stevie Wonder oder Hot Chocolate. Zum Glück wird die Neigung zum Grundgroove auf der neuen Platte wieder stärker betont. „In diesem Sinn“ konfrontiert mit Soul-Bläsern, die an Dexys Midnight Runners angelehnt sind. „Du schwingst“ erinnert an die naive Funk-Unbeholfenheit von Orange Juice. Im Titelsong liebäugelt man mit jamaikanischen Dub-Verfahren. Abgesehen davon greifen Die Sterne natürlich auch zu anderen Elementen. Anspielungen auf historische Popmotive haben bei ihnen längst Methode, wie man seit den „House Of The Rising Sun“-Motiven in „Was hat dich bloß so ruiniert?“ weiß. Diesmal wird der Zitatenschatz um ein weiteres Exemplar erweitert: In „Kaltfront“ registriert man den Genius aus Wires „Dot Dash“. Popmusik ist aber immer dann besonders gut.

wenn Wort und Ton einen tieferen Sinn ergeben. Wenn eine Band allgemeine Stimmungen aufgreift und in ihren Stücken verarbeitet. Den Albumtitel das Weltall ist zu weit darf man als metaphorischen Hinweis verstehen. Der Mensch müsse nicht immer hoch hinaus, Programme für die Weltraumbewaffnung entwickeln, das Extrem erkunden, unersättlich sein. Dieser Tage deutet sich doch an, dass Verzicht oder Bodenständigkeit unser Leben prägen wird. Frank Spilker ahnt dies und verleiht seiner Verwunderung ohne Verklausulierungen Ausdruck.“.Wir werden leider das Gefühl nicht los, dass irgendwas nicht stimmt“, singt er und: „Wir wollen wissen, was eigentlich los ist.“

Unglaubwürdigkeit in der Politik und Apathie in der Bevölkerung beunruhigen Spilker zunächst. Bald aber schlägt seine Haltung in Widerstand um, wenn er deklariert: „Wir haben nichts im Sinn mit diesen Dingen.“ Es geht um Tatendrang unter den Bedingungen des Realismus, um Standfestigkeit in Krisenzeiten. „Wir gehen jetzt hier nicht weg, dos wär’ja Irrsinn“, rufen Die Sterne und ihrAU-Star-Chor (mit Thees von Tomte, Judith von Wir Sind Helden, Fettes Brot und Guz) zum Abschluss zu. Dieses Signal wird nicht ungehört verhallen und kann sich zum Aufruf zur Repolitisierung verdichten.