Dave Gilmour
Von Pink Floyd ist kaum noch die Rede. Bei David Gilmour jedenfalls. Erst hatte der Floyd-Gitarrist Kate Bush entdeckt und gefördert, dann ein Soloalbum mit alten Freunden eingespielt, die er schon vor dem Beginn des Spacerock-Zeitalters kannte. Mittlerweile denkt David Gilmour laut nach über eine eigene Band, mit der er auf Tournee gehen will. Und während sein Soloalbum in Deutschland und in den USA in den Hitlisten nach oben klettert, verschwindet die Zukunft von Pink Floyd im Nebel.
Steigt Gilmour aus? Für immer, oder wenigstens vorübergehend?
The man himself schweigt dazu. Aber wenn man ihn in diesen Wochen, in denen er durch Europa reist und ein wenig die Werbetrommel für sein Soloalbum rührt, erstmal ausreden läßt und ihn dann mit ein paar Fragen behutsam von David Gilmour auf Pink Floyd bringt, dann kommt schon etwas mehr Licht in die Sache hinein.
Eins scheint klar: Das Unternehmen Floyd stieß in jüngster Zeit überall an Grenzlinien. Die Grenze des Erfolgs markiert die LP „Dark Side Of The Moon“; seit 220 Wochen, also seit mehr als vier Jahren, steht sie in den US-Charts, in den Top 200, die umsatzmäßig etwa mit unseren deutschen Top 50 verglichen werden können. Denn: wer in den USA zum Beispiel Platz 190 erreicht, kann mit der gleichen Anzahl verkaufter Exemplare in Deutschland bereits die Top 50 erreichen. „Dark Side Of The Moon“ hält damit einen Rekord. Keine andere Platte verblieb so lange in den US-Hitlisten.
Eine Grenzlinie wurde auch musikalisch erreicht. Die letzte Floyd-LP „Animals“, die eine Abkehr vom Spacerock hin zu mehr erdverbundenen Sounds signalisierte, kam beim Publikum bei weitem nicht so gut an wie ihre Vorläufer „Wish You Were Here“ und eben „Dark Side…“. Das beweisen jetzt im Rückblick eindeutig die Verkaufszahlen.
Hürden auch on the road: Der technische Apparat, mit dem Pink Floyd vor einem Jahr durch die Welt zogen, war, so erzählt David Gilmour, kaum noch in den Griff zu bekommen. Noch höher ging’s nicht mehr hinaus. Zeitverluste durch den langwierigen An- und Abbau sowie die extrem hohen Kosten für die Unterhaltung hätten dann Tourneen zu einem Verlustgeschäft gemacht. Denn die Rechung „Noch mehr Aufwand – noch mehr zahlende Zuschauer“, die ging nicht mehr auf: „Wir haben“, erläutert Gilmour, „ohnehin nur noch in den größeren Hallen der Welt gespielt. Würden wir in einer Halle für vier- oder fünftausend Leute auftreten, dann würden die 50.000, die auch reinwollen, aber nicht reinkönnen, das Ding in Schutt und Asche legen!“
Also zurück auf den Teppich. „Ich möchte“, sagt David plötzlich, „mit einer eigenen kleinen Band touren. Um wieder in normale Hallen zu kommen, oder sogar in Clubs. Gilmour solo – das würde ja nicht soviel Gedränge geben.“ Hinter Gilmours künstlerischem und organisatorischem Ausbruch steckt natürlich auch ein menschliches Problem. Pink Floyd spielen seit 1968, seit einem Jahrzehnt also, in der Besetzung Gilmour/Mason/Waters/Wright. Da laufen künstlerische Vorstellungen mit der Zeit zwangsläufig auseinander, entstehen zwischenmenschliche Spannungen. David Gilmour hatte seinen Alleingang folglich auch nicht frühzeitig auf dem Reißbrett abgesteckt. Seine Soloplatte entsprang eher einer spontanen Regung, als irgendwann die Zeit reif war für solch einen Ausflug. „Ich hatte das nicht vollständig durchgeplant!“ meint er. „Ich hatte Songs, oder besser: Songfragmente komponiert, und dann sind wir los und haben etwas damit probiert. Wir hatten viel Spaß, und nach den ersten vier Tagen im Studio war ich auf einmal entschlossen, weiterzumachen, ein ganzes Album zu machen.“ Nebenbei bemerkt: „Wir“, das sind hier neben David Gilmour noch Rick Wills (b) und Willie Wilson (dr).
Natürlich ist es nicht unbedingt eine Last, heutzutage zu den Pink Floyd zu gehören. „Ich will Dir die Wahrheit sagen“, grinst David, „der Gewinn sticht die Nachteile aus.“ Aber eine starke Persönlichkeit braucht nach zehn Jahren Unterordnung in einer Gemeinschaft wohl mehr Bestätigung. Gilmours klarer Kommentar zu seiner Solo-LP: „Dieses Album verkauft sich zunächst, weil der Name Pink Floyd dahintersteht. Aber dann, nach einem Monat oder so, dann verkauft es sich aus eigener Kraft. Und wenn ich noch ein weiteres Album mache, wird es allein mein Name verkaufen.“
Dave Gilmour macht also keinen Rückzieher, sondern denkt an seine zweite Soloproduktion. „Soloarbeit befriedigt mein Ego. Dinge so zu tun, wie ich sie haben will. Das bedeutet nicht das Ende von Pink Floyd.“
Ein deutlicher Satz: „Das bedeutet nicht das Ende von Pink Floyd!“ Aber wie will der Mann weitermachen? Was für Ideen schwirren durch seinen Kopf? „Kann ich nicht sagen. Ich mache Musik. Da ergibt sich alles mit der Zeit.“ Gilmour versteckt sich hinter vieldeutigen Floskeln. Kein Ende von Pink Floyd. Aber wann kommt dann die eigene Band? „Wer weiß“, bemerkt lächelnd dieser Mann, „vielleicht bald, aber dieses Jahr nicht mehr!“