Fotos & Interview

„Tanzen wurde zum politischen Akt“: So nah dran war Dave Swindells am Acid House


Wie kam es Ende der Achtziger in London zum „Second Summer of Love“, und warum erlebt Acid gerade ein Revival? Diese Fragen versuchen wir im Musikexpress 11/2022 zu beantworten. Gestellt haben wir andere auch Fotograf Dave Swindells. Seht hier Fotos aus seinem Buch „ACID HOUSE – AS IT HAPPENED“.

Ende der 80er-Jahre leiden die jungen Londoner unter Thatcher, der Rezession und einem maßgeregelten Nachtleben. Acid House wird zum dringend benötigten Farbtupfer: House-Tracks und Pillen triggern eine Bewegung, die in Clubs startet und, als es dort zu eng wird, auf die Felder zieht. Hier liegt die Geburtsstunde der Rave-Kultur. Dokumentiert hat sie der Fotograf Dave Swindells, sein Buch ACID HOUSE – AS IT HAPPENED zeigt eine Jugendkultur, die sich die Freude am Leben zurücktanzt. Wir zeigen in der ME-Ausgabe 11/2022 seine schönsten Fotos und versuchen zu klären wie es zu diesem „Second Summer of Love“ kam – und warum Acid gerade ein Revival erlebt. Die Fotos könnt Ihr Euch nun auch hier auf Musikexpress.de geben. Dazu ein Interview von ME-Autorin Laura Aha mit Swindells über Acid House.

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„Can you feel it?: Dave Swindells Fotos dokumentieren die Geburtsstunden der Rave-Kultur

Warteschlange von 600 Leuten: Alle wollen im Juni 1988 beim „Trip“ dabeisein.
Warteschlange von 600 Leuten: Alle wollen im Juni 1988 beim „Trip“ dabeisein.
Raver Atmo Paritosh bei einer „Shoom“-Party 1988 in einem Fitness-Center.
Eine „Trip“-Party im Londoner Astoria mit Öllapmen und Stroboskopen
Party-Crowd im März 1988 bei Paul Oakenfolds Club-Reihe „Future“
Sängerin Sacha Souter (The Grid) im legendären „Shoom“, Juli 1988
DJ Danny Rampling bei einer „Heaven“-Party im Spectrum, April 1988
People (including David Swindells) sat chilling out in the sunshine at ‚Boys Own‘ rave, East Grinstead, Surrey, August 1989
Als es im Astoria zu eng wurde, ging es auf der Tottenham Court Road weiter

Interview mit Dave Swindells: „Tanzen wurde zum politischen Akt“

Dave Swindells über die Eigenschaften des Acid-House- Sounds, die Wirksamkeit der Pillen und die Frage, warum beim Acid House so viel Liebe in der Luft lag.

Dave, auf den Punkt gebracht: Wie klingt Acid House?

Acid House ist elektronische Tanzmusik mit sehr merkwürdigen, matschigen, disharmonischen und manchmal auch hässlichen Sounds. Diese wunderbar seltsamen Sounds stammen aus den Roland-Synthesizern TB-303 und -909. Ein typisches Soundbeispiel ist der Track „Acid Over“ von Tyree.

Woher kommt der Name?

„Acid Tracks“ von Phuture war einer der ersten Acid-House-Tracks. Der kam 1987 raus und hat dem Genre quasi seinen Namen gegeben. Wenn man sich diese abgefahrenen Sounds anhört, muss man eigentlich davon ausgehen, dass die meisten bereits am Trippen waren, als sie darauf getanzt haben. Weil die Musik so außerweltlich klang.

Thema Trippen: Welche Rolle haben Drogen gespielt?

Mein Buch hätte ebenso gut ECSTASY – AS IT HAPPENED heißen können. Klar, es gab Ecstasy auch schon vorher, aber man kam nicht so leicht heran, wie es 1988 der Fall war. Ecstasy ist eine transformative Droge, die perfekt zu dieser Musik passte. Weil der Sound so anstrengend ist, aber auch aufgrund der Euphorie, die mit dem Rausch verbunden ist. Man möchte während des Trips zu repetitiver Musik tanzen und sich im Sound verlieren. Diese Unbefangenheit war nicht typisch für die 80er-Jahre: New Romantic, Goth, Post-Punk, New Wave – diese Stile waren sich ihrer selbst mit großer Ernsthaftigkeit sehr bewusst. Und plötzlich waren da diese Leute, die einfach sorglos feierten.

Warum nennt man diese Zeit 1988 den „Second Summer of Love“?

Das lag einerseits am Ecstasy, weil die Droge eine Euphorie und Offenheit bewirkte: Es herrschte eine gewisse Intimität in den Clubs – weil diese so klein waren, aber auch im Miteinander. Man teilte Getränke, machte sich Geschenke, schrieb Gedichte, umarmte sich und drückte seine Gefühle sehr direkt aus. Das war radikal, und manche sahen darin den Anfang eines neuen Zeitalters, besonders einige ältere Hippies. In den Lyrics der Songs ging es um Liebe und Frieden, wie in „Promised Land“ von Joe Smooth: Martin Luther Kings berühmte Rede wurde gesampelt, Tanzen wurde zum politischen Akt. Und ein Jahr später war der Kalte Krieg tatsächlich vorbei!

Dave Swindells‘ Buch „Acid House – As It Happened“ umfasst 192 Seiten, kostet 60 Euro und kann online gekauft werden. Folgt Swindells gerne auch auf Instagram.

Altostratus Photography Limited
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David Swindells
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