David Bowie: Wien, Libro Music Hall
DAVID BOWIE GEHT’S gut. Geld ist seit dem Börsengang und dem etwas fadenscheinigen Re-Release des Gesamtwerkes genug im Haus, Projekte von der preisgekrönten Web-Site bis zum Ziggy Stardust-Film sind am Laufen und mit dem neuen Album „hours…“ hat sich der 52jährige Urlaub vom Wagnis genommen und ohne roße zeitgeistliche Verspannung mal eben die Platte gemacht, auf die das Gros seiner Fans insgeheim oder offen schon die ganzen 90er Jahre gehofft hat-und für die dann auch die letzthin zunehmend verwirrten Kritiker Liebkosungen fanden. Nein, er habe „Jimmy“ in letzter Zeit nicht getroffen, hat Bowie am Nachmittag auf der vermutlich charmantesten Pressekonferenz der Musikgeschichte, angesprochen auf künftige Zusammenarbeiten mit Iggy Pop geantwortet, der sei ja wohl konstant auf Tour, immer unterwegs. Und auch gleich klargestellt, daß er selbst auf diese Rockbiz-Maloche keine Lust hat: Das Konzert heute („Warum ausgerechnet Wien?“ – „Weil von hier die erste Anfrage kam“) wird die letzte einer Handvoll Shows zu „hours…“ sein. Eine Tour ist nicht vorgesehen, 2000 will der Meister im kreativen Brützustand verbringen,,,! want a fuckingclearsheet for the nextyear“. Jetzt, im eher kühlen Ambiente der Libro Music Hall, macht Bowie das, was man beim Fußball „befreit aufspielen“ nennt. Steht locker und – ähem – „leger“ gekleidet (das Chamäleon des Pop™ trägt Plateausohlengummischuh?!), ohne die Last der artifiziellen Inszenierungen der letzten Tourneen, auf der Bühne und veräppelt seine Backgroundsängerin, hauptberuflich Ausdruckstänzerin: „Tanz doch mal: ‚Is everybody from Vienna?'“ Sind sie, und sie freuen sich seit Konzertminute 1 wie die Schnitzel: Nur zu Keyboardbegleitung, divenhaft vom Spot umstrahlt und sogleich mit Rosen beworfen sang Bowie da „Life On Mars“, eines seiner Schönsten und zugleich das Versprechen, daß heute etwas Nostalgie erlaubt sein wird. Jetzt ist die Band da-acht Mann/Frau hoch-und das Versprechen wird eingelöst. Wohl angeregt vom im Sommer eingespielten „VH-1 Storytellers“-Set, hat Bowie neben einem Gutteil des neuen Albums eine obskure Mischung alter Songs dabei und erzählt auch gern einen dazu: „I think I should teil you what exactly this is“, unterbricht er einmal die schon losrockende Band: „I Can’t Help Thinking About Me“, der erste Song, den er unter dem Namen David Bowie schrieb, von 1966. „Da waren 80 Prozent von Euch wohl noch gar nicht geboren.“ Oder „Drive-In Saturday“, 1973 für Mott The Hoople geschrieben, nachdem die mit seinem „All The Young Dudes“ einen Hit gelandet hatten. Den Song wollten sie dann nicht, was David bis heute nicht versteht, er hat ihn dann auf „Aladin Sane“ gepackt. „Repetition“ vom ‚7ger-Album „Lodger“, „Word On A Wing“ von „Station To Station“ (1976) und natürlich auch Greatest Hits:“China Girl“, mit Iggy/Jimmy zusammen geschrieben, „Ch-ch-ch-ch-Changes“. Und ein Smallest Hit, auf den Arm genommen vom Chef persönlich: „You’re gonna love this one“, kündigt er grinsend an, „It’s from ‚Tin Machine‘!“ – und spielt „I Can’t Read“, seltsam pinkfloyd-thewallig, jedenfalls schöner, wärmer als auf Platte. Ein Relikt aus jener Zeit von Bowies Entfremdung vom Fan ist heute nicht dabei: statt Reeves Gabreis, seit 1990 Hofgitarrist, steht da Page Hamilton, Ex-Chef der Ex-Band Helmet an der Gitarre. Und wenn der bei Krachigem wie „The Pretty Things Are Going To Hell“ sparsam aber bestimmt das Pfund liefert, weint man dem eitlen Rock-Nudler Gabreis nicht eben nach.“We’ll come back. They always come back“, beruhigt der fröhliche David die nach Zugaben fordernde Menge nach knapp 80 Minuten. Er tut’s erstmal gleich noch an diesem Abend und spielt zum Finale „Rebel Rebel“. Und dann wollen wir doch mal sehen, was der Spaceboy sich für 2001 – schließlich das Major-Tom-Gedenkjahr – ausdenkt.