Deep Purple: London, Royal Albert Hall


ALS FUSSBALLSPIELER WÄREN DEEP PURPLE LÄNGST EIN FALL FÜR die Altherren-Liga, und ihr Organist Jon Lord wäre -trüge er einen deutschen Paß – sogar von der aktuellen Diskussion um das vorgezogene Rentenalter betroffen. Der Mann ist 58, ein Methusalem im auf Jugendlichkeit ausgerichteten Rockgeschäft. Als er an einem kühlen Septemberabend 1969 in der Royal Albert Hall zu London sein „Concerto For Group & Orchestra“ mit seiner Band und dem Royal Philharmonie Orchestra uraufführte, waren Deep Purple-obwohl laut und leidenschaftlich musizierend noch auf der Suche nach ihrer Identität. Damals gab es erbitterte Grabenkämpfe zwischen Lord und seinem exzentrischen Gitarristen Ritchie Blackmore. Letzterer wollte mit spitzer Streitaxt seine Gruppe zur härtesten Formation der 70er Jahre prügeln, sein Gegenspieler statt dessen gemäßigten Rock mit Klassik kombinieren. Das Experiment, klassische Musik mit Blackmores lärmendem Spiel zu vereinen, schraddelte denn auch stets hart an der Grenze zur Disharmonie. Am 25. September 1999, fast auf den Tag genau 30 Jahre später, starten Deep Purple an gleicher Stelle einen neuen Versuch. Das Grundkonzept (sprich: die Partitur) ist unverändert, die Voraussetzungen indes sind mit der ’69er Konstellation nicht zu vergleichen. Dal? die Show an diesem regnerischen Septemberabend in London zu einem unvergessenen Spektakel wird, liegt am veränderten Verhältnis der Musiker untereinander. Während vor 30 Jahren etwa eine temperamentvolle Cellistin sich erbost weigerte,…“mit einer zweitklassigen Beatles-Kopie“ zu musizieren, sind diesmal das London Symphony Orchestra und eine Handvoll illustrer Gäste (u.a. Sam Brown und Ronnie James Dio) ganz auf der Seite der britischen Heavy-Veteranen. Statt als Rivalen präsentieren sich Band und Orchester kollegial, fast eine Spur zu harmonisch. Das hat zwar den Verlust der kribbelnden Brisanz zur Folge, tut dem Gesamtwerk aber spürbar gut. Insbesondere Blackmore-Nachfolger Steve Morse, ein amerikanischer Gitarrist mit ganz vorzüglichen Fähigkeiten, überbrückt die künstlerischen Antagonismen fast mühelos. Und so schaffen es die weit über 100 Musiker, scheinbar gegensätzliche Musikrichtungen symbiotisch umeinander kreisen zu lassen, sie in gebührendem Abstand nebeneinander zu präsentieren und miteinander zu verschmelzen.