Der Armsessel-Anthropologe


Sechs Studio- und drei Live-Alben hat Andrew Bird bisher veröffentlicht - auf dem neuen ist endlich ein Vogel drauf.

Es bietet sich an, Andrew Bird einen Künstler zu nennen. Der gerne mal pfeifende Amerikaner mit der Violine besingt Dinge, von deren Existenz andere Songschieiber nicht einmal wissen, erschafft mit jeder weiteren Platte eine ganz eigene Klang-und Gefühlswelt und scheut die einfache Wortwahl: Ein schnödes Liebeslied, zumal mit dem üblichen Vokabular, kommt ihm nicht in die Tüte. Auf früheren Werken betätigte Bird sich als Lexikologe, Meteorologe, Botaniker und allgemeiner Naturkundler; die neue LP hat er, auch nicht ganz gewöhnlich, ARMCHAIR APOCRYPH a Pocrypha genannt und einen von hinten fotografierten Wellensittich aufs Cover geklebt – delikat, wenn man mit Nachnamen Bird heißt. „Die Wendung .Armchair Anthropologist‘ ist mir schon mal untergekommen, und ich wollte für den Albumtitel irgendeine Alliteration mit dem Wort Armchair‘ drin. ,Armchair Apocalypse‘ klang zu sehr nach Heavy Metal. Später habe ich mich auf ,Apocrypha‘ versteift, es wieder verworfen und dann doch genommen.“ Kann man selbstverständlich auch bei Kenntnis des Ausdrucks „apokryph“ noch einmal nachschlagen: „Den kanonischen Büchern nicht gleichgestellte jüdische und christliche Schriften im Alten Testament, z.B Makkabäer, Judith, Jesus Sirach „.

Mit anderen Worten: Ebensowenig kneipentauglich wie die dazugehörige Musik. Die klingt auch und vor allem auf armchair apocrypha wie ein einziges, großes, sublimes Stück, in dem alles zusammenfließt, was im Kopf und im Herzen des Komponisten zu finden ist. Überraschend, dass Bird, der schon mit vier Jahren das erste Mal zur Violine griff, es kaum problematisch findet, mit Fans und Interessierten über seine komplexen Texte zu sprechen: „Tatsächlich genieße ich essehr, mich mit anderen Menschen darüber auszutauschen, was dieser oder jener meiner Songs bedeuten könnte. Ich scheue mich überhaupt nicht davor, denn auch für mich ist oft eine neue Betrachtungsweise, ein neuer Blickwinkel dabei-das ist immer interessant. Die Songs bieten ja immer noch eine Menge unbeantworteter Fragen. Wenn ich mit jemand anderem über meine Songs rede, fühlt es sich fast so an, als spräche ich von jemand anderem und nicht von mir selbst.“>» www.andrewbird.net