Der Menendez-Fall: Ist die Netflixserie ihr Schlüssel zur Freiheit?
Nach 35 Jahren Haft könnte die Netflix-Doku über Lyle und Erik Menendez eine Freilassung bewirken.
35 Jahre ist es her, dass ein Richter die Brüder Lyle und Erik Menendez (damals Anfang und Mitte 20) zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte. 2024, fast vier Jahrzehnte später, rückt ausgerechnet eine Netflixserie das Leid und Leben der Brüder zurück in die Öffentlichkeit. Der Fall ist erneut in den Schlagzeilen: Doch diesmal könnte sich das Blatt zugunsten von Lyle und Erik wenden.
Die Netflixserie „Monsters“ feierte am 19. November 2024 ihr Debüt und sorgte sofort für großen Anklang bei Serien- und Crimejunkies. Die Serie stützt sich nämlich nicht nur auf die trockenen Fakten des Falls, sondern taucht ein in die Psyche der beiden Brüder. Eine neue Sicht eröffnet sich den Zuschauer:innen der Netflixproduktion, rückt die Tat der Geschwister in eine neues Licht. Gleichzeitig veröffentlichte Netflix die Dokumentation „The Menendez Brothers“. Plötzlich steht der Fall Menendez wieder im Rampenlicht und die Stimmen um eine angeblich ungerechte Behandlung der Geschwister werden lauter denn je.
Die Brüder können hoffen
Familienmitglieder tauchen wieder vor Gericht auf, sagen für die zwei Inhaftierten aus. Nicht zuletzt auch deren Tante, Joan VanderMolen. Die Frau, auf einen Rollator gestützt, erzählt mit zittriger Stimme Anfang der Woche vor einem Gericht in Los Angeles der Presse: „Ich möchte, dass sie nach Hause kommen, sie hätten niemals in eine solche Situation geraten dürfen. Was kann ein Kind tun, wenn der Vater … Ich kann es nicht ertragen.“
Auch Prominente, allen voran Kim Kardashian, setzen sich für die Freilassung der Menendez-Brüder ein. Kardashian postete ein Foto der Brüder und schrieb darunter: „Es ist an der Zeit, dass die Menendez-Brüder freigelassen werden. Wir alle sind das Produkt unserer Erfahrungen. Sie formen, wer wir waren, wer wir sind und wer wir sein werden. Physiologisch und psychologisch verändert uns die Zeit, und ich bezweifle, dass irgendjemand behaupten würde, er sei derselbe Mensch, der er mit 18 war. Ich weiß, dass ich es nicht bin! Du glaubst, du kennst die Geschichte von Lyle und Erik Menendez. Das dachte ich auch.“
Eine neue Chance
Der öffentliche Aufstand trägt Früchte: Der Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles, George Gascon, kündigte an, er werde das Gericht bitten, Erik und Lyle Menendez erneut vor Gericht zu stellen: „Sie sind seit fast 35 Jahren im Gefängnis. Ich glaube, dass sie ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft beglichen haben. Das System sieht vor, dass ihr Fall erneut vor einem Bewährungsausschuss geprüft wird. Und wenn der Bewährungsausschuss mit meiner Einschätzung übereinstimmt – das ist deren Entscheidung – werden sie entsprechend freigelassen.“
In seinem Statement vor der Presse beteuert Gascon, dass sich das Verständnis von sexuellem Missbrauch und dessen Folgen deutlich gewandelt habe. Das Urteil, das den Brüdern damals auferlegt wurde, meint Gascon, würde heute definitiv nicht wieder so lauten. Die Brüder sitzen seit 1990 in Haft. Jetzt, so viele Jahre später, scheint eine Freilassung erstmals möglich zu sein. Die erste Anhörung von Erik und Lyle Menendez soll Ende Januar 2025 stattfinden.
Was passierte damals?
Der Menendez-Fall ist wohl oder übel weltweit bekannt: 1989 ermordeten Erik und Lyle Menendez ihre Eltern José und Kitty in ihrem Haus in Beverly Hills. Es schien eine durchdachte Tat zu sein. Die Brüder hatten sich ein Alibi zurechtgelegt und alles geplant. Anfangs schien niemand die beiden „armen“ Waisen zu verdächtigen. Doch anstatt zu trauern, gaben Erik und Lyle das Vermögen ihrer Eltern mit vollen Händen aus. Der besondere Lebensstil der Geschwister lenkte schlussendlich die volle Aufmerksamkeit der Ermittler auf sie. Es dauerte nicht lang, bis man ihnen auf die Schliche kam und die Menendez-Brüder wurden festgenommen.
Der Prozess, oder besser gesagt die Prozesse fingen im Jahr 1993 an und fanden ihr Ende erst knapp drei Jahre später im Jahr 1996. Man startete den Prozess mit einer festen Meinung: Die beiden verwöhnten Brüder hätten aus reiner Habgier gemordet, wollten das Familienvermögen für sich haben. Doch während der Verhandlungen eröffnete sich eine neue Perspektive. Die Verteidigung rollte Details über jahrelangen körperlichen, sexuellen und emotionalen Missbrauch durch die Eltern auf. Hierbei war der Vater José der Haupttäter, Mutter Kitty drückte offenbar jedoch bereitwillig die Augen zu, wenn es zum Missbrauch kam.
Ein hartes Urteil
Die Netflix-Doku zeigt: Auf einmal saßen da in dem Gerichtssaal des Obersten Gerichts des Los Angeles County Fernando Valley nicht mehr zwei verwöhnte Gören, sondern zwei gebrochene Kinder, die aus purer Verzweiflung und aus Selbstverteidigung ihrem Leid ein Ende setzen wollten.
Diese Verteidigung mischte die ganze Welt auf. Die öffentliche Meinung zu den Brüdern spaltete sich, hitzige Diskussionen über Missbrauch und Notwehr machten die Runde. Selbst das Gericht schien unschlüssig, was man nun glauben sollte. Doch das Image der verzogenen Söhne, durstig nach dem Vermögen ihrer Eltern, blieb an Erik und Lyle haften. Fast niemand schien damals glauben zu wollen, dass auch Jungen sexuellen Missbrauch erleben würden. Schließlich lautete das Urteil: Die Brüder wurden des vorsätzlichen Mordes unter besonderen Umständen und der Verschwörung zum Mord für schuldig befunden. Beide wurde zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt, ohne Aussicht, jemals auf Bewährung frei zu kommen. Und nun, 35 Jahre später, Erik und Lyle sind mittlerweile Mitte bis Ende 50, bringt eine Serie über das Leben der Geschwister den Stein wieder ins Rollen. Das harte Urteil der Brüder wird nun infrage gestellt.