Der Plan – Einfalt am Stil


Der Plan hat so etwas wie eine verbindende, besänftigende Wirkung. Die Erwähnung von GERI REIG oder der Single „Da Vorne Steht ‚Ne Ampel“ reicht oft schon aus, um zwei ideologische Kampfhähne in Sachen neue deutsche Klänge davor zu bewahren, sich gegenseitig die Freundschaft zu kündigen. Wenn sie hier von genial sprechen, meinen sie plötzlich wieder dasselbe – und lächeln. Lächeln wie alle, die Plan-Schlager mit der richtigen Antenne einfangen.

Daß Der Plan Geri Reig macht, weiß so mancher, kann aber nicht sagen, wie man’s ausspricht, geschweige denn, was es ist. In normalen Plattenläden schütteln die Verkäufer unwissend den Kopf: „Der Plan? Nee, kenn ich nicht. Bei welcher Firma sollen die denn sein? Warning Records? Ata Tak? Nie gehört!“

Wenig besser kann’s der Rundfunk, der ja in der Regel nur auf freiheitlich-demokratisches Industriegut zurückgreift, oder die herkömmlichen deutschen Schlager. Die wolle schließlich die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung hören: „Und nicht den Plan. Das ist doch bestimmt New Wave? Wir spielen aber keinen Punk.“

Unwissenheit und Irrtümer überall. Nur wenige sind eingeweiht, ein kleiner erlesener Kreis. Deshalb also hier die Wahrheit über Der Plan, Geri Reig und Ata Tak:

Der Plan ist eine Drei-Mann-Gruppe, die Musik macht. Die drei sind Frank Fenstermacher, moritz Rrr und Pyrolator, alle aus Düsseldorf am Rhein. Am Fürstenwall liegt ihre Residenz, das Büro, Ata Tak, ihr eigener Vertrieb, moritz Rrr steht bereit, um Aufklärung zu betreiben. Weil er im Büro auch wohnt, ist er der Ansprechpartner, kann erklären wie alles gekommen ist, kann vor allen Dingen etwas zu seiner eigenen Entwicklung sagen, die für Der Plan bestimmend war.

Seine musikalische Karriere begann vor einigen Jahren bei der Band Weltende: „Ich hab‘ da Gitarre gespielt, ein Instrument, das mir eigentlich fremd ist. Krach ist da rausgekommen, hat aber auch nicht lange gedauert.“

Zusammen mit Frank Fenstermacher hat er dann unter dem Namen Karman Ghias einige Heimproduktionen hergestellt, die aber nie das Licht einer Live-Bühne gesehen haben, bevor die beiden zusammen mit Kai Hom (Baß) den Weltaufstandsplan gründeten. Was inzwischen aus Kai geworden ist, weiß moritz nicht so genau, dafür umso präziser, wie es mit Der Plan begann:

„Mit dem Kai zusammen sind wir Anfang ’79 auf die Idee gekommen, den Namen in Der Plan umzuändern, weil Weltaufstandsplan ein bißchen lang ist und irgendwie doch einen zu konkreten Inhalt hat, den man nicht jahrelang mit sich herumtragen kann. Der Name Der Plan bewegt sich auf einer allgemein menschlicheren Ebene. Ein Begriff, der etwas zu tun hat mit der Fähigkeit des Menschen, zu denken und seine Zukunft zu bestimmen. Im Gegensatz zum Tier, das aufgrund bestimmter Gehirn-Konstellationen auf Umweltreize immer gleich reagiert und seine Situation einfach nicht durchschauen und verändern kann. Weltaufstandsplan, da haben wir uns damals was ganz anderes drunter vorgestellt, als uns heute noch zulässig erscheint, also ’ne Veränderung der Menschheitssituation in einem einmaligen Akt des Aufstandes. Das kann ich heute nicht mehr so sehen.“

Als Der Plan spielte man also damals die gleichnamige Single ein. Zusammen mit Chrislo Haas und Robert Görl (beide DAF) stellten moritz und Frank die Konzeptsingle her, mit der sie nicht nur demonstrierten, daß man kein großes Studio braucht, um eine Platte zu machen, sondern auch, daß es durchaus ein primitiver Cassettenrecorder tut: „Uns kam’s natürlich auch auf die Musik an. Aber im Nachhinein, in der Entwicklung, in der Beurteilung dieser Platte ist das eben so interpretiert worden: Die Aufforderung, selbst was zu machen.“

Nachdem der Pyrolator von DAF schließlich zum Plan übergelaufen war und auch seine Solo-Platte fertiggestellt hatte, machte man sich im Herbst ’79 an die Produktion der Langspielplatte GERI REIG (vergl. ME 6/80). In den Titeln dieser LP spiegeln sich viele Einflüsse wider, die moritz von einem Amerikaaufenthalt mitgebracht hat. Er hatte sich in San lose, in der Nähe von San Franzisko aufgehalten und dort die Bekanntschaft von Leuten gemacht, die in ähnlichen Situationen wie er lebten. Kein Geld, bornierte Umwelt. Sie wollten einfach was machen, hatten aber gar nicht so hone Ansprüche: „Das hab‘ ich selten gesehen, daß Leute absolut kein Interesse am Berühmtwerden haben, sondern einfach nur aus Spaß Musik machen.“

Diese Freunde hatten eine sehr eigenwillige Art des Musikmachens erfunden, und die hat moritz anscheinend sehr imponiert. Sie machte ihm deutlich, wie fremdbestimmt damals die Musik in Deutschland war. Daß fast jeder versuchte, Englisches oder Amerikanisches zu imitieren (inzwischen hat sich da ja einiges getan). moritz besann sich daraufhin auf die deutsche Musiktradition, um nach seiner Rückkehr Frank und Pyrolator, die endgültige Der-Plan-Formation, seinen neuen Erkenntnissen auszusetzen: „Geredet haben wir eigentlich nicht viel darüber. Wir haben einfach losgelegt. Wir hatten da ein Tonbandgerät nicht mal ’ne Vier-Kanal-Maschine, sondern ein ganz normales Tonband. Da haben wir dann einfach hier (im Büro) die Lieder aufgenommen.“

Zu dieser Zeit war der Pyrolator ohne Wohnung, so daß seine Instrumente im Büro herumstanden. Frank und moritz hatten also genug Zeit, sich mit ihnen anzufreunden und sie für die Platte zu entdecken. „Mit den Aufnahmen zu GERI REIG hatte ich erstmals das Gefühl, daß beim Arbeiten etwas herauskommt. Ich hatte wirklich den Eindruck, ich könnte neue Musik machen.“ Die LP heißt GERI REIG, ein Begriff, der sich inzwischen auch als Bezeichnung für die Musik von Der Plan etabliert hat, den aber die wenigsten kompetent deuten können. Den Begriff Geri Reig hat moritz aus Amerika mitgebracht, wo man aus dem Verb to Jerry reig die Ableitung Geri Reig bildete, die moritz inzwischen auch deutsch ausspricht, so wies sich schreibt. „To jerry reig heißt eigentlich mit Nichts etwas in die Welt setzen. Der Ausdruck wird beispielsweise verwendet, wenn man etwas reparieren will, hat aber nicht das Originalersatzteil, behilft sich also mit irgendetwas und hinterher funktioniert es doch. Im Deutschen würde man vielleicht improvisieren sagen. Aber dieser Ausdruck hat gerade im musikalischen Zusammenhang noch eine andere Bedeutung, deshalb gebrauch ich’s nicht so gerne“. Auf der GERI REIG Platte hat Der Plan noch eine zusätzliche Definition des Begriffes abgedruckt, in deren Anfangssatz Making the most with the least sich eigentlich der ganze Sinn von Geri Reig widerspiegelt.

Das bedeutet praktisch, daß alles als Instrument zu verwenden ist. Hast du nichts, dann klatsch in die Hände. Hast du einen Kochtopf, ein Kinderspielzeug, eine Idee, dann benutze sie. Wahnsinnig teure Instrumente sind nicht mehr zwingend nötig. Auf seine Art beweist dies Der Plan. Zwar gibt es hier einen Synthesizer. Der jedoch wird in einer Weise eingesetzt, die ihresgleichen sucht. Anstelle von Bombast und Sound findet man hier verspielten Sandkastensound. „Kindisch“ sagt moritz, weigert sich aber, die Geräusche weiter zu beschreiben: „Man muß das hören, das kann man nicht beschreiben.“

Im Widerspruch zum Geri-Reig-Prinzip stehen Synthesizer und Vocoder nicht, solange sie zur Verwirklichung von Ideen nützlich sind und diese nicht ersetzen. Hier gurgeln und quirlen sie, hier klingen sie wie eine singende Säge, mal schräg, mal gequetscht. Oder es wird gefaucht, geblubbert, bevor wieder dieser hintergründige Kindergesang einsetzt.

An kindlichen Gesang erinnern auch die Texte, die unsere böse Welt mit der Arglosigkeit eines unverbildeten, naiven Gemütes reflektieren. Die Genialität des Plan liegt in der gestylten Einfältigkeit.

Live spielte Der Plan bisher selten. Auf einigen Festivals in Großstädten war er dabei, meist mit phantasievollem Hintergrund und Kostümen, die Designer moritz entworfen hat. Die Illustrationen entsprechen den Texten: naiv im Stil, trifft dich der Schlag erst auf den zweiten Blick: Die scheinbare Plan-Idylle ist oft nicht nur auf Bildern ein bunt-angestrichener Horror.

moritz ist mit dem bisherigen Konzept der Live-Auftritte jedoch noch nicht zufrieden. „Das muß alles nochmal überdacht werden. Jetzt werden wir erstmal eine Sommerpause einlegen und dann ab Oktober weitersehen. Feste Termine sagen wir in diesem Zusammenhang nicht mehr zu, das bringt uns nur in Zeitnot, die wir gar nicht wollen.“

Diese Angst, unter äußeren Druck zu geraten, war auch der Grund für Der Plan ihren eigenen unabhängigen Plattenvertrieb aufzubauen. Waming Records heißt das Label und Ata Tak der Vertrieb.“ Das war anfangs ’ne ziemliche Arbeit, mit den Platten von Plattengeschäft zu Plattengeschäft zu laufen. Aber Gottseidank gab es dann auch Vertriebe wie den Zensor in Berlin oder Rip Off in Harnburg, die vieles leichter gemacht haben. So kann man unsere Platten auch noch in den entlegeneren Orten beziehen.“

Dem Plan geht es darum, alle Fäden in der Hand zu behalten. Er weigert sich standhaft, mit der Industrie, sprich den etablierten Schallplattenfirmen zusammenzuarbeiten, „weil die nur am Geld und nicht an der Musik interessiert sind“. Folglich sind Eingriffe in die Musik logisch, sobald das Geld nicht mehr reichlich genug fließt. Der Plan hat sich diesen Mechanismen entzogen. Aul seinem Label erscheinen nur Produktionen, die intern für gut odei , interessant befunden werden. Sc bleibt auch für ihre eigenen Produktionen der Freiraum, der für die Plan-Musik unumgänglich ist, wie die zweite LP NORMALETTE SURPRISE (vergl. Longplayers) eindeutig beweist. Trotz dieser Übersicht über das gesamte Projekt hat Der Plan noch keine Reichtümer erwirtschaftet „Ich hab‘ noch keinen Pfennig für mich privat gesehen. Das ist alles wieder investiert worden in die Firma. Wir sind da relativ bescheiden. Zumal ich finde, daß alle Leute besser ein wenig bescheidener werden sollten, sonst könnten sie in den nächsten Jahren sehr unglücklich werden. Mich hat jetzt schon ein Freund angerufen und gefragt, ob er zu mir kommen könne, um etwas zu essen, er habe kein Geld mehr. So wird es vielleicht bald vielen Leuten gehen. Bescheidenheit ist eher angesagt als Überfluß“. Die Aussage zur Musik.