Der Produzent und Studiochef


Nerven aus Stahl hat der Schweizer Alex Grob im Laufe seiner 30jährigen Karriere bewiesen. Als Besitzer eines berühmten Studios erlebte er den ganz normalen Wahsinn der Stars hautnah

Ein Irrenhaus ist nichts dagegen. Wenn Alex Grob.gebürtiger Schweizer mit amerikanischem Paß, den Giftschrank seiner Erinnerungen öffnet, darf geschmunzelt werden – über berühmte Musiker und ihre weniger bekannten Macken. „Seit über 30 Jahren in der internationalen Unterhaltungsbranche tätig, unter anderem als Manager für Stephan Sulke, Chi Coltrane, Emerson, Lake & Palmer und Doro Pesch“, hat der inzwischen 60jährige den ganz alltäglichen Wahnsinn der Stars mit eigenen Augen erlebt, so manchen Streit geschlichtet, so manches Groupie beruhigt und sich als Therapeut ausgeflippter Musiker bewährt.

Grob stammt aus einer Künstlerfamilie und ist heute mit einer amerikanischen Musikerin in zweiter Ehe verheiratet. In den bewegten 60er Jahren machte er sich in den USA erstmals einen Namen als Produzent der ‚San Sebastian Strings‘, die ihren instrumentalen Wohlklang („Eine Art ‚erotische Vorspiel-Musik!'“) insgesamt acht Millionen Mal unters Volk brachten. Damit gilt Grob in der Branche als einer der Väter der ‚New Age‘ Musik. Den kosmopolitischen Streuner zog es Anfang der 70er Jahre von Los Angeles wieder zurück in die Schweiz, wo er sich in der Nähe von Genf niederließ, um sein nächstes Projekt auszubrüten. „Ich hatte als Produzent Tausende von Stunden in allen möglichen Studios verbracht und wollte nun endlich mal mein eigenes bauen.“

In Montreux, vor der beschaulichen Kulisse des Genfer Sees und malerischer Berge (genau da, wo das von Deep Purple in ‚Smoke On The Water‘ verewigte Studio abgebrannt war!) entstand 1975 ‚Mountain Recording‘, der damals wohl teuerste Aufnahmeort der Welt. „Alle erklärten mich für total verrückt, weil ihrer Meinung nach keiner in die winzige Schweiz kommen würde, um ausgerechnet hier Platten aufzunehmen. Und da in der Schweiz ohnehin niemand wußte, wie man ein derart ambitioniertes Unternehmen auf die Beine stellt, habe ich das gesamte Baumaterial, bis auf den letzten Nagel, per Jumbo-Jet aus Amerika einfliegen lassen und einen Engländer als Tontechniker eingestellt.“

Montreux wurde zum Mekka der Superstars ¿ die erste Liga des internationalen Rock’n’Roll gab sich in den Jahren 1976 bis 1982 die Klinke in die Hand. Grob war so erfolgreich, daß „…ich gezwungen war, für meine eigenen Produktionen nach England zu pilgern“. Die Rolling Stones eröffneten damals den Reigen hochkarätiger Kunden. „Das Auftauchen der legendären Stones löste eine wahre Welle aus, die Bands wie Emerson, Lake & Palmer, Yes, Led Zeppelin, aber auch Bad Company, David Bowie oder die Bay City Rollers in mein Studio schwemmte.“

Der Duft der großen weiten Welt wehte durch den verschlafenen Ort, wo sonst „spätestens nach Einbruch der Dunkelheit die Bürgersteige hochgeklappt werden“, als 1976 die Glimmer-Twins samt Anhang zu Aufnahmen für ihr ‚Black And Blue‘-Album auftauchten: „Keith Richards kam mit Anita Pallenberg und Sohn Marion und wohnte im Hotel ‚Eden‘, gleich neben dem Studio. Er hatte strenge Anweisung ausgegeben, daß niemand außer ihm und seinen Angehörigen das Hotelzimmer während der gesamten Aufenthaltszeit betreten dürfe, kein Zimmermädchen, kein Zimmerkellner, niemand. Jeder fragte sich sofort, was in den Räumen wohl vor sich ging. Des Rätsels Lösung: Als sie auszogen, rief mich kurz darauf der Hoteldirektor an und bat um ein Gespräch unter vier Augen. Familie Richards hatte die Räumlichkeiten komplett zerstört. Der Sohnemann durchlebte gerade seine künstlerische Phase und hatte die Zimmerwände entsprechend vollgeschmiert. Außerdem war der Fußboden verkokelt, jemand hatte auf dem Teppich ein offenes Lagerfeuer gemacht. Die anschließende Renovierung kostete einen Batzen Geld.“

„Aber das paßte irgendwie zu Keith Richards. Er kam mir eh vor wie einer von einem anderen Stern, wie ein Außerirdischer, der nachts manchmal scheinbar ziellos durch Montreux wanderte, so als ob er einer inneren Stimme folgen müßte.“

Maniac Keith kannte kein Maß. „Eines Tages spricht mich ein älterer Herr auf der Straße an und fragt, ob ich der Besitzer des Studios sei. Ich nickte nur. Darauf er: ‚Wie lange sind diese Rolling Stones denn noch hier?‘ Komisch, dachte ich, was interessiert sich der seriöse Typ für diese Chaoten? ‚Ja, wissen sie,‘ sagt der, ‚ich bin der Besitzer des Spielwarengeschäfts, in dem der Herr Richards jeden Tag für Hunderte von Franken Spielzeug für seinen Sohn kauft. Mein Lager ist leer, und ich muß neues Spielzeug bestellen. Wenn er morgen plötzlich verschwindet, bleibe ich auf meinen Sachen sitzen.“

Mick Jagger spielte eher den geschäftigen Part in dieser unheiligen Allianz zweier Egozentriker. Er war ein Mann des Stils und mit den unweigerlichen Allüren eines Superstars, der vor allen anderen erst einmal an sich selbst dachte. „Mick hatte das vornehmste Hotel am Ort bezogen, das ‚Palace‘-Hotel. Während der Zeit der Aufnahmen pflegte er ein Verhältnis mit einer Schwarzen, die als DJ im Casino von Montreux arbeitete. Er hat meist so gegen elf Uhr Nachts eine Mahlzeit zu sich genommen und dann bis in die frühen Morgenstunden gesungen. Wie er diesen Zeitplan einhalten konnte, wage ich mir gar nicht vorzustellen. Wenn er sich um sechs Uhr in der Frühe in sein Auto setzte, war er völlig aufgedreht und raste wie ein Irrer durch Montreux. Zum Entsetzen seiner Freundin, die ihn anflehte, doch bitte langsamer zu fahren. Sein Kommentar darauf spricht Bände: ‚Sei still, wenn hier einer draufgeht, dann bin ich das, dich kennt doch eh keiner!‘ Er hat mir jeden Tag einen Brief geschrieben und sich darin stets über die Klimaanlage im Studio ausgelassen. Ich habe die Briefe sofort in den Papierkorb geworfen.“

Am Service sollte es nicht liegen, auch auf die Gefahr hin, daß Alex Grob mitunter tief in die Trickkiste seines Psychologiestudiums greifen mußte, das Plattenstudio in eine PsychiaterCouch verwandelte und die geschundenen Seelen seiner Stars einfühlsam massierte. Zum Beispiel Emerson, Lake und Palmer im Jahre 1977: „Acht bis zehnstündige Diskussionen waren an der Tagesordnung. Immer über die Musik, immer Streß, immer hochbrisant. Greg Lake und Keith Emerson lagen sich ständig in den Haaren. Da spielten sich unglaubliche Szenen ab. Emerson konnte wahnsinnig gut Klavier spielen, ärgerte sich aber tierisch darüber, daß das Publikum bei Konzerten vornehmlich Greg Lake feierte, wo der doch nur lächerliche Liedchen trällern mußte. Greg Lake wiederum war permanent sauer, weil er sich beim Singen so anstrengen mußte, während Emerson doch eh nur ein Paar Tasten drückte. Keith Emersons große Waffe war immer die Drohung auszusteigen, wenn die anderen nicht nach seiner Pfeife tanzen wollten. Erst als sie seine Bedingungen akzeptierten, erklärte er sich bereit weiterzumachen.“

Das Ritual der Animositäten hatte Methode und führte schließlich dazu, daß Keith Emerson seine Bedingungen vertraglich fixieren ließ: ‚Ich bleibe nur, wenn a) eine Symphonie, die ich komponiert habe, aufs nächste ELP-Album kommt und b) wir ein ganzes Symphonie-Orchester mit auf Tour nehmen.“ Was auch passierte. Deshalb verloren sie bei jedem Konzert wahnsinnig viel Geld, und das bei durchschnittlich 30.000 Zuschauern pro Gig.“ Der von der Muse geküßte Virtuose schwebte längst über allen Wolken. Er fühlte sich zu Höherem berufen. Seine großangekündigte Symphonie sollte auch die Gralshütern der E-Musik beeindrucken. „Wir haben die Symphonie trotz der berechtigten Einwände der Band doch aufgenommen. Ursprünglich war das berühmte Orchestre de la Suisse Romande dafür vorgesehen. Doch dann überlegte Emerson sich’s anders und bestand plötzlich aufs Pariser Opern-Orchester. Emerson meinte, daß vielleicht gar der große Leonard Bernstein Interesse haben könnte. Der tauchte eines Abends im Pariser Studio auf. Er erschien in Begleitung eines jungen Mannes, wahrscheinlich sein Getiebter, und führte sich gleich standesgemäß ein, indem er sich den Joint, der gerade die Runde machte, reichen ließ und so hektisch inhalierte, daß jedem sofort klar war, daß er noch nie zuvor so einen Docht geraucht hatte. Aber Emerson wollte ihm ja unbedingt seine Symphonie vorspielen, obwohl ich ihm dringendst davon abgeraten hatte. Wir sitzen zu dritt im Studio, das Band läuft. Die Symphonie ist vorbei, es herrscht große Stille. Emerson fragt: ‚What do you think?‘ Bernsteins wartete ein wenig mit seiner Antwort: ‚Nicht schlecht, du hast Talent. Trotzdem möchte ich dir den freundschaftlichen Rat geben, einen Lehrer aufzusuchen, der dich in Kompositionslehre unterweist.‘ Klar, daß Emerson danach übel gelaunt war und sich erst einmal in irgendeinem Bordell abreagieren mußte.“

Ende gut, alles vorbei, sagte sich 1982 Alex Grob, schlug seine Zelte wieder in Amerika auf und verkaufte das Studio in Montreux kurzerhand an die englischen Rocker von Queen.