Der Querkopf


Mit Gold und Platin dekoriert, reichte Rocker Steve Miller 198a gelangwellt seinen Abschied von der Szene ein, und wurde Farmer in Oregon. Jetzt schockte er seine Plattenfirma mit einem puren Jan-Album. Uli Welßbrod ließ sich die Wandlung von Querkopf Miller erklären.

Steve Miller? Das war doch, das ist doch… genau —der Typ mit „Fly Like An Eagle“. „The Joker“, „Abracadabra“. Die smarteste Stimme des amerikanischen Rock-Pop, einer der erfolgreichsten Abräumer Mitte der 70er bis Anfang der 80er Jahre. Der relaxte Mainstream-Musiker Miller war nie leicht zu handhaben. Für seine Mitmusiker nicht — dafür war das Ego Millers, in dessen Elternhaus Musik-Koryphäen wie Charles Mingus, Les Paul oder T-Bone Walker ein- und ausgingen, zu stark. Für Fans und Journalisten nicht — die gingen dem häuslichen Miller mit ihren Nachstellungen auf den Geist. Und für seine Plattenfirmen-Bosse erst recht nicht. Die bekamen oft genug zu spüren, daß der Querkopf Miller nur nach einer Pfeife tanzen wollte: nämlich seiner eigenen.

Zuletzt ruckte er mit den Bossen von Capitol Records im Januar 1988 zusammen. Steve Miller lieferte die Bänder für sein neuestes Album BORN 2 B BLUE ab — und erntete erstmal reihum verständnislose, enttäuschte Gesichter…

„Ja Mann, das war eine Party! Ich lieferte ein Jazz-Album ab. rund, ruhig, stimmig. Und was machten die Helden meiner Platten-Company? Dumme Fratzen! Sie wollten, daß ich noch einmal ins Studio gehe! Das mußt du dir einmal vorstellen. Ich arbeite 14 Monate an einer Platte, gebe mein Herzblut und muß mir anhören, das würde den momentanen Geschmack nicht treffen. Jazz — um Gottes Willen wie eine ansieckende Krankheil Die wollten allen Ernstes, daß ich die 58ste Fassung von „Fly Like An Eagle“ aufnehme, Musik für Kids mache, die nichts anderes im Kopf haben als Bier, Zigaretten und Autos. Aber die haben mich kennengelernt!“

Zum ersten Mal hat der stiernackige Miller ein Album aufgenommen, das keinen einzigen Song von ihm selbst enhält. Stattdessen 10 Jazz-Klassiker.

„Ich hatte keine Lust mehr zum Songwriting im herkömmlichen Sinne. Immer den Blick auf die Charts und die Trends. Ich haue in der Hinsicht alles erreicht. Nr-Eins-Hits überall auf der Weh, Gold- und Platin-LPs, Welt-Tourneen. Irgendwann ging ich in einem Stadion voll mit 50.000 tobenden Kids von der Bühne, gab meinem Gitarren-Roadie die Klampfe und sagte: ,Es ist mir scheißegal, ob ich sowas wie eben überhaupt nochmal erlebe.“

Das letzte einschneidende Erlebnis war die „Abracadabra“-Tour 1983. Miller präsentierte einen ausgewachsenen Tiger auf der Bühne (natürlich im Käfig), der urplötzlich „weggezaubert“ wurde.

„Diese hypernervösen, 400 kg schweren Tiere mit um den Erdball zu schleppen, war ein Drama. Bei einem Gig war meine Frau backstage, wollte unbedingt den Tiger aus der Nähe sehen. Plötzlich hob er das Bein, und pißte sie mit einem daumendicken Strahl von oben bis unten voll. Kannst du dir vorstellen, wie Tiger-Pisse stinkt? Über eine Woche roch sie danach.“

Miller brachte den totalen Break. Er kaufte sich eine Farm mit 150 Kühen in Oregon, zog Kälber groß und machte im Sommer mit den Nachbarskindern Heu. Für seine musikalische Fortentwicklung sorgte ein modernes 24-Spur-Studio in der Scheune.

„Nach drei Jahren wurde es mir in der Beschaulichkeit zu langweilig. Außerdem wollte ich meine große Leidenschaft, das Bootfahren, besser pflegen. Nicht nur als Binnen-Segler, nein, ich wollte aufs Meer.“ Der Gitarrist tauschte die Farm gegen ein Haus in Seattle, absolvierte Kurse in Navigation, ließ sich an Sonar und Radar ausbilden und trainiert seitdem mit der eigenen, kleinen Yacht aufs große Abenteuer.

„Mit dem Boot an der kanadischen Küste entlang bis nach Alaskafahren, das ist mein größter Wunsch, khhabe monatelang nur trainiert, nach Radar zu segeln, alle wichtigen Manöver perfekt zu beherrschen. Dabei wuchs die Lust, wieder ein Album zu machen. Paradoxerweise in der unberührtesten Namr. Du mußt dir das so vorstellen: meine Frau Kim und ich flogen mit unserem Wasser-Flugzeug von Seattle hinaus bis zu einer Insel, wo unser Boot liegt. Dann tuckerten wir los, Kim nähte oder strickte, ich fischte—undsang „Zip-A-Dee-Doo-Dah“, — Bären, Seehunde und Adler hörten zu. „

Miller entschied sich mit 43 Jahren, ein ganz anderes Album zu machen. Steve Miller als Jazz-Sänger, als Interpret großer Klassiker.

„Rock und Jazz haben beide ihre Wurzeln im Bluts — und ich komme vom Blues. Nun gut, mit Rock ‚« ‚Roll habe ich alles erreicht, jetzt könnte er mich nur noch zerstören. Also entdeckte ich den Jazz. Ich kam es garnicht erwarten,“.Fly Like An Eagle“ mit einer Jazzband zu spielen.“