Der Stoff Aus Dem Die Helden Sind


Wenn ein amerikanischer Film die Helden der Nation feiert, jene Ritter des Raumzeitalters, die als Astronauten in silbern schimmernden Rüstungen dem kommunistischen Erzfeind die Herrschaft über das Weltall abjagen, dann kommt zuerst ein ungutes Gefühl auf. Verstaubte Ideale drohen aus Zeiten, wo ein „richtiger“ Mann sich nur durch blindwütigen Mut beweisen konnte.

UUm es gleich vorwegzunehmen Regisseur Philip Kaufmans mehr als dreistündiges Epos spielt zwar durchaus mit solchen Gefühlen, aber der Film, der zu den besten und kurzweiligsten der Saison zählt, ist wesentlich intelligenter, heimtückischer und komischer als sein bombastischer Titel („The Right Stuff“ im Original) vermuten läßt. Man sollte ihn auf keinen Fall versäumen. Kaufman. der sich auf den dickleibigen US-Bestseller von Tom Wolfe aus dem Jahre 1979 stützt, beginnt mythisch. In Bildern, wie sie nur das Kino bieten kann, rast die Kamera des Coppola-Lehrlings und Kameramannes Caleb Deschanel. (dem der Expenmentalfilmer Jordan Belson aus San Franzisco assistierte), durch schwerelose Wolkenturme dem unbeschreiblichen Blau des Firmaments entgegen. Dort oben, wo die Testpiloten in einen merkwürdigen Höhenrausch geraten, der vielen das Leben kostet, beginnt die Saga im Jahr 1947 mit dem ersten Mann der Welt, der die Schallmauer durchbrach. Chuck Yeager. der Held aus dem wirklichen Leben, tritt im Film in einer Neoenrolle als Kellner einer verkommenen Piloten-Kaschemme auf.

Im Film spielt ihn Sam Shepard. der Autor, der Wim Wenders seine Vorlage zu „Paris. Texas‘ lieferte. Shepard als Yeager ist in diesem Streifen eine Gestalt, wie wir sie nur aus alten Howard Hawks- und John Ford-Western kennen, ein John Wayne des blauen Himmels. Und ihm steht natürlich eine wilde Frau zur Seite (Barbara Hershey), die eigentlich nur Laureen Bacall hätte spielen können. Shepard Yeager meistert seine Weltrekorde schweigsam und selbst mit gebrochenem Arm. Er ist der wahre Held, der zischende blutrote Raketenflugzeuge zähmt wie ein Cowboy einen Mustang.

Und hier beginnt bereits die Ironie der Geschichte: Die wahren Helden sind heutzutage unbrauchbar geworden. Als nämlich in den späten fünfziger Jahren das Weltraumzeitalter beginnt und der Wettlauf Wernher von Brauns gegen das russische Raumprogramm einsetzt, ist nicht länger der Individualist gefragt: die Regierungsbeamten aus Washington (die im Film an heimtückische Wiesel erinnern), brauchen strahlende Plastikmänner, die stets gutgelaunt den Medien zu verkaufen sind.

Und Kaufman erzählt von den ersten sieben Astronauten, die die Schimpansen der ersten Raketenflüge ersetzen müssen. Er beschreibt, wie die Schimpansen-Vertreter und Strahlemanner darum kämpfen, in einer Militär-Maschinerie Individualisten zu werden, sich trotz der Vermarktung durch die Massenmedien ihre Wurde zu bewahren.

..Der Stoff, aus dem die Helden sind“ zeichnet akkurat die Ereignisse bis zum letzten Einmann-Flug um die Erde nach. Das 27 Millionen Dollar teure Drama schöpft dabei aus dem Vollen: Die Besetzung ist erstklassig und bis zum letzten Haar der Bürstenfrisur den Astronauten von John Glenn bis Gus Gnssom nachempfunden: die optischen Effekte, die mit Original NASA-Aufnahmen aus dem All versetzt sind, wirken überwältigend: Phil Kaufmans nostalgische Anleihen in der HoNywood-Filmgeschichte funktionieren perfekt – und in kleinen Miniaturen gelingen ihm menschliche Porträts. die gleichgewichtig neben den Action-Szenen in Erinnerung bleiben Unvergeßlich etwa, wie der zunächst scheinbar bigotte John Glenn (Ed Harns) seine öffentlichkeitsscheue und stotternde Ehefrau am Telefon darin bestärkt, den publicity-geilen Vize-Präsidenten Lydon B. Johnson nicht ins Haus zu lassen.

Phil Kaufman hat einen pakkenden Action-Film gedreht, dessen mehr als drei Stunden wirklich „wie im Flug“ vergehen. Und dabei ist ihm das Kunststück gelungen, was heute, im Zeitalter der Hollywood-Monster-Produktionen. so nur noch ein Steven Spielberg beherrscht. Wir leben eine Kmo-Zeit lang mit Menschen – Menschen, die wir gleich alle noch einmal sehen möchten.“.Der Stoff, aus dem die Helden sind“ macht süchtig. Bodo Fründt Kinostart: 7. September