Der Therapeut Im Maisfeld
William Fitzsimmons transformiert die Sollbruchstellen der menschlichen Seele in Folkpop, der so entrückt wirkt wie sein Erschaffer.
„Ich dachte mir: eine Ziege als Protagonist? Es ist ein Song über meine Scheidung!“ William Fitzsimmons wundert sich immer noch, dass er das Video zu „It’s NotTrue“ (2006) durchgehen ließ. Andererseits passt es gut zu dem Songwriter aus Jacksonville, Illinois. Er akzeptiert die Dinge so, wie sie eben passieren, sieht sich nicht als Entscheider, sondern als einer, der einen wie auch immer vorgezeichneten Weg geht. Vielleicht liegt es an dieser Gelassenheit, dass Fitzsimmons eigentlich einen anderen Beruf hat. Er studierte Psychotherapie und fing an, Lieder zu schreiben, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. „Ich hatte am 14 Musikexpress Anfang meines Studiums ein paar Probleme. Und die musst du loswerden, wenn du anderen Menschen helfen willst.“
Ab hier verselbständigten sich die Dinge, Fitzsimmons hatte zunächst eine MySpace-Seite, verkaufte bald so viele CDs übers Internet, dass er davon leben konnte und – der wichtigste Schritt – gab schließlich Konzerte. Dennoch stellt er eines klar: „Psychotherapie macht mir Spaß, und ich denke immer noch, dass das die Sache ist, die ich tun sollte. Ich bin Determinist, ich glaube, Musik ist etwas, das gerade gut zu mir passt. Aber ich habe mich eben den größten Teil meines Lebens darauf vorbereitet, Therapeut zu werden. Und das sollte man nicht unbedingt wegwerfen.“
Eine Grundentspanntheit, die man den Songs auf seinem dritten Album THE SPARROW AND THE CROW anhört. Dass sie so eigenartig flirrend im Raum stehen, mag aber auch andere Gründe haben. William Fitzsimmons wuchs als Sohn blinder Eltern auf – in einem Haus, in dem kein Mensch den Lichtschalter betätigte, in dem kein Bild hing.
„Ich denke, dass ich mehr höre als andere Leute“, sagt der Sänger selbst. „Immerhin war das Gehör der Sinn, um den es bei uns zu Hause immer ging. Dafür gibt es eine Menge visuelle Dinge, die ich nicht bemerke. Als Kind zog ich manchmal im Winter kurze Hosen an. Und noch heute erkenne ich nicht, ob Sachen zueinander passen, und habe einfach irgendetwas an.“
Das ist eine ganz schöne Ansage – denn mit seinem Vollbart und der dicken Brille sieht William Fitzsimmons ziemlich genau aus wie die In-Crowd, die während des Interviews an dem Straßencafe im Berliner Hipsterviertel Prenzlauer Berg vorbeizieht. Eine Erkenntnis, die er vermutlich beängstigend fände, denn Städte mitsamt ihrer Geschwindigkeit und ihrer Reizvielfalt sind nicht Fitzsimmons‘ Sache. Die Songs seines neuen Albums entstanden allesamt im extrem ländlichen Illinois, wo er nach seiner Scheidung ein Haus bezog und es außer Maisfeldern nicht viel gibt. „Für die An von Musik, die ich mache, muss ich alleine sein. In New York oder Los Angeles bin ich gerne zu Besuch – aber arbeiten könnte ich dort nicht.“ Der Wechsel des Umfelds fällt Fitzsimmons ohnehin schwer, auch auf Tourneen – wohl eine der Nachwirkungen seiner Kindheit, denn begreiflicherweise verreiste seine Familie nicht.
„Ich bekomme schnell Heimweh. Mir fehlt dann der Boden. Mit jedem Tag, den ich unterwegs bin, verliere ich an Sicherheit. Und das ärgert mich.“