Der wahre Emocore


Daseinsgraupel und Bekenntnisdrang: Robin Proper-Sheppard alias Sophia hat sein bisher düsterstes Album gemacht. Und das will einiges heißen.

Man tut Robin Proper-Sheppard kaum Unrecht, wenn man seinem Werk fortgeschrittene Melancholie attestiert. Proper-Sheppard, einziges festes Mitglied seines Projekts Sophia, ist einemotionaler Extremist, derals Songwnter nureinen Gemütszustand abzubilden gewillt scheint: den der Zerschmetterung. Und man darf in seinem Fall auch bedenkenlos den Künstler mit dem Werk vermengen: Das neue Album sei „a sad record“ und „the darkest record I’ve ever made“ schreibt er auf seiner Homepage und fügt selbstironisch hinzu: „Sophia? Sad? Dark? I know. I know …“ All das heißt aber nicht, dass der Mann den ganzen Tag lebensmürbe und von Daseinsgraupel gepeitscht wortkarg in den Möbeln hinge. Im Gegenteil: Der 40-Jährige ist von schwer zu bremsendem Mitteilungsdrang. Er spricht übersprudelnd, fast rasend, seine Augen funkeln dabei. Was und wie er es sagt, lässt auf ein manischdepressives Temperament schließen: „Ich habe noch jede Beziehung in meinem Leben ruiniert“, gibt er etwa zu Protokoll und lässt seine strahlend blauen Augen spielen. Geradezu zwanghaft suche er für alles Schlimme den Grund bei sich selbst: „Wenn jetzt da hinten in der Ecke jemand zu weinen anfinge, würde ich davon ausgehen, dass es an mir liegt“, sagt er und fügt dann mit adrettem Galgenhumor an: „Aber ich habe immerhin inzwischen gelernt, zu akzeptieren, dass ich trotzdem ein wertvolles Lebewesen bin.“ Und ist da auf dem neuen Album THERE ARE NO GOODBYES nicht auch so etwas wie Trost herauszuhören? In „Storm Clouds“ heißt es: „Let the storm clouds pass and the tempest fade“ … Im Gegenteil. „Das ist eins meiner düstersten Stücke“, korrigiert der Autor, „schließlich bin ich ja dieser Sturm, der alles zerstört. “ Höhepunkt des Albums ist die bittere Selbstanklage „Something“, für die der in London lebende Kalifornier gar eine Verflossene ans Mikro bat, um ihn singenderweise der Unsicherheit und eines neurotischen Wesens zu bezichtigen: „Das hätte keine echte Sängerin so hin bekommen“‚, lacht Proper-Sheppard. Gegen den Bekenntnisdrang dieses Mannes, der im Gespräch etwa haarklein das Scheitern seiner letzten, das neue Album prägenden Beziehung auseinandersetzt, ist offenbar kein Kraut gewachsen. Selbstzensur kennt er nicht: „Ich bin kein großer Songschreiber, aber ich bin schonungslos ehrlich“ sagt er, als seien sich die meisten Autorenkollegen nicht längst einig, dass ein gewisses Maß an Editieren großer Kunst gemeinhin zuträglich sei. Dass Sophia-Platten dennoch nie peinlich berühren, liegt an der majestätischen Strenge der Musik, die stets nach dem Majestätischen und Großen strebt, ohne pompös zu werden. Wäre dieser Name nicht schon für ein einschlägiges diffuses Genre vergeben, man könnte glatt „Emocore“ dazu sagen.

Albumkritik S. 82

www.sophiamusic.net