Die 20 besten Wave-Pop-Alben der 80er


Acts wie Drangsal und DIIV beschwören den vernebelten Geist der 80er. Zeit für eine Liste, die dem Wave-Pop-Sound dieser Dekade gewidmet ist.

13_Talk_TalkTalk Talk
IT’S MY LIFE
1984
Wer das genresprengend impressionistische Spätwerk dieser Band noch nicht kennt, möge sich stante pede dort hineinstürzen und sein Leben ein paar Tage lang auf Standby stellen. (Seele sagt: „Danke!“) Doch hier sei daran erinnert, dass Talk Talk schon etwas Besonderes waren, als sie noch als Quasi-Synthiepopgruppe firmierten – nicht auf ihrem Debüt, THE PARTYS OVER, aber hier, auf ihrem zweiten Album. Ihre Arrangements verrieten die längst an Gehobenem geschulten Musiker: der verwunschene „Dum Dum“-Chor vom „Dum Dum Girl“, das ganze imposante Ein-Sturm-zieht-auf-Panorama der Hits „Its My Life“ und „Such A Shame“, die „Worldbeat“-Rhythmuspatterns, die eben nicht nur bei Peter Gabriel Einzug hielten. Auch ihr Songwriting überwand die Grenzen zwischen mächtigen Sehnsuchts­refrains und Art-Pop in fließenden, selbstverständlichen Bewegungen. Und dann ist da noch Mark Hollis Flehen, das all die expressiven Sänger der 80er noch toppte. Nicht zu vergessen: Mit ITS MY LIFE waren Talk Talk tatsächlich eine Hitparadenband, zumindest in Kontinentaleuropa. Oliver Götz
* Im Video zu „It’s My Life“ verhunzte Hollis absichtlich die Lip-Sync – die verärgerte EMI ließ eine neue Version drehen.

14_UltravoxUltravox
LAMENT
1984
Bevor sich die ehemalige Post-Rock-/New-Wave-/Art-Rock-Band aus London in eine riesige leere Blase verwandelte (U-VOX, 1986), erhoben sich Ultravox auf LAMENT zu einem Wavepop-Spektakel in Stadiongröße. Megahall auf den Toms, Echogitarren, effekthascherische Sam­ples, Sequencer-Programming – die (hauseigene) Produktion ist der Star, trotzdem hat die Platte ordentlich Zug. Vor allem gibt es mit „One Small Day“, „White China“ und der Nuklearapokalypsen-Hymne „Dancing With Tears In My Eyes“, ihrem größten Hit in Deutschland, wunderbar dramatische Ohrwürmer. Wo Midge Ure nicht selbst in den Re­frain gellt, tun es Gastsängerinnen. Und bei den Balladen „Lament“ und „Heart Of The Country“ wanzen sich Ultravox erfolgreich an Japan/­David Sylvian heran. Oliver Götz
* Die vom Celtic Folk ins Popfach gerutschte Mae McKenna war nicht nur hier Chorgast, sondern u. a. auch bei Rick Astley, Pete Towns­hend und Kylie Minogue – und sie ist die Mutter von Jamie Woon.

15_Rita_MitsoukoRita Mitsouko
RITA MITSOUKO
1984
Das musikalische Frankreich der frühen 80er-Jahre besteht aus seichten Popchansons, welken Altrockern und Serge Gainsbourg. Höchste Zeit für etwas Frisches – wie das Duo Catherine Ringer/Fred Chichin, das mit wild gemusterten Outfits und einem Mix aus Synthiepop, Post-Punk und White Funk an den Start geht. Produzentenlegende Conny Plank holt den Multiinstrumentalisten Chichin und die Oktavenspringerin Ringer in sein Studio nach Köln. Dort entsteht ein mehrsprachiges Debütalbum, das herrlich naiv und verspielt anmutet, extrem rhythmisch und tanzbar ist, aber auch seine melodramatischen Momente hat. Highlight der Platte ist eindeutig „Marcia Baïla“, eine Hommage an Catherine Ringers verstorbene argentinische Tangolehrerin. Ein Stück geballter Lebensfreude, das, erst als vierte Single veröffentlicht, zum Sommerhit des Jahres 1985 wird. Marcel Anders
* Nach diesem Album ergänzten Ringer und Chichin ihren Namen um „Les“: Sie waren ja eine Band und nicht nur eine Rita.

16_The_Lotus_EatersThe Lotus Eaters
NO SENSE OF SIN
1984
Im Jahr 1983 feierte diese Band aus Liverpool urplötzlich einen Hit: „The First Picture Of You“ ging in Großbritannien auf Platz 15, doch da hatte sie noch kein einziges Konzert gespielt. Kaum ein Jahr später erschien dieses Album. Für das Loblied auf das „German Girl“ darauf bedanken wir uns recht herzlich, tun das aber auch für den Wave-Funk in „You Fill Me With Your Need“, das Klingelgitarrenkolorit von „Love Still Flows“ und natürlich für die unverblümte Wimp-Haltung. Keine andere Band hatte einen Song im Programm, in dem sich der Sänger erkundigt, was sein Mädchen beim Anblick anderer Jungs denkt. Bevor Peter Coyle jedoch den endgültigen Schritt in die angesagte Sophistipop-Ecke hinüberwagte, war auch schon wieder Schluss mit seinen Lotus ­Eaters. Thomas Weiland
* Die Band hat ihr Repertoire seit ihrer Reunion inzwischen verdreifacht – die Nachfolger des Debüts von 1984 erschienen 2001 (SILENTSPACE) und 2010 (DIFFERANCE).

17_The_SoundThe Sound
HEADS AND HEARTS
1985
Eigentlich begann die Geschichte dieser Band aus dem Süden Londons verheißungsvoll. Die beiden ersten Alben von The Sound Anfang der 80er passten zum Post-Punk-Zeitgeist. Der an eine weniger düstere Version von Joy Division erinnernde Sound brachte den Nerds um Adrian Borland viel Aufmerk­samkeit ein. Doch mit dem schwie­rigen dritten Album verzockte sich die Band: Sie konterkarierte ihren Auf-dem-Sprung-Status mit einer ­experimentellen Platte. The Sound ver­loren ihren Major-Deal und stellten 1985 reamateurisiert und als Indie mit HEADS AND HEARTS eine Platte auf, die den unterkühlten Post-Punk perfekt mit dem griffigen Popaspekt von New Wave verschmolz. Doch die Zeit war vorbei und ihr Label, Statik, zu durchsetzungsschwach – 1986 ging es sogar pleite. Deshalb lösten The Sound sich 1988 auf, heute leben nur noch zwei der Mitglieder. Sänger Borland stürzte sich Ende der 90er vor einen Zug. Linus Volkmann
* Das einzige Land, in dem die sonst sträflich übersehene Band zumindest ein wenig Ruhm und Status einfahren konnte, waren die Niederlande.