Die 50 besten Platten des Jahres 2019
Wir haben abgestimmt und die (subjektiv) einzig wahre Liste erstellt: Das sind die 50 Favoriten der ME-Redaktion und somit die besten Alben des Jahres 2019. Ha!
40. Carla Dal Forno – LOOK UP SHARP
Kallista/Cargo (VÖ: 25.10.)
Keine macht Musik wie die Australierin Carla Dal Forno. Auf ihrem zweiten Album LOOK UP SHARP gibt es ein musikalisches Patch- und Wunderwerk zu bestaunen. Verwaschener Dream Pop, ultraskelettierte Postpunk-Tracks (du darfst auch Indie dazu sagen), an denen kein Sound-Gramm zu viel hängt, dunkelgraue Stimmungen übersetzt in zeitlupenhafte Tracks, grandiose Pop-Melodien, die allein durch die Seltsamkeit des musikalischen Backings vor einem Erfolg im Mainstream bewahrt werden. Wie wenn The Velvet Underground und Young Marble Giants mehr Mut zum Experiment haben würden. Albert Koch
39. Metronomy – METRONOMY FOREVER
Because Music/Universal (VÖ: 13.9.)
Bisher gruppierte Joe Mount die Songs seiner Band immer um eine Idee herum, oft hatte die mit dem Nachtleben zu tun, meistens auch mit England. Mit derlei Konzepthaftigkeit ließen sich die Platten stets gut erklären, dass METRONOMY FOREVER ohne so etwas auskommt, ist dennoch ein Glücksfall: Mount hat halt Songs geschrieben. Die mischen smart die eher im Tanzboden verorteten Ur-Einflüsse mit Pop- und Balladenmaterial. „Insecurity“ heißt der schönste, er verbindet beides und erzählt gleichzeitig von Love und Männlichkeit, 2019. Jochen Overbeck
38. Purple Mountains – PURPLE MOUNTAINS
Drag City/H’Art (VÖ: 12.7.)
„Nashville (and the world) will always love David Berman!“, stand Anfang November bei einem Spiel auf der Anzeigetafel der Tennessee Titans, dem Footballclub aus Nashville, dessen Fan Berman war. Die Titans gewannen das Match, 35:32 gegen Kansas, und vielleicht hätte Berman einen Song aus dem Spiel gemacht, es ging häufig um Football in seinen Liedern. Dass 2019 neue Stücke von ihm erschienen, war eine Überraschung: Die Silver Jews gab es längst nicht mehr, dafür Purple Mountains. Die alte Klasse war sofort wieder da, eine Tour stand an, doch David Berman konnte nicht mehr. André Boße
37. Bon Iver – i;i
Jagjaguwar/Cargo (VÖ: 30.8.)
Schon komisch, dieser Dunstkreis von ME-Demokraten: Als Justin Vernon 2016 mit 22, A MILLION sein Comeback als avantgardistischer Indiefolkelektroniker feierte, war das Album des Jahres schnell ausgemachte Sache. Der Nachfolger, die selbsterklärte Herbstplatte in Bon Ivers Diskografie, ist keinen Deut schwächer, sogar homogener, weniger kryptisch und sein kollektiver Metafolk nahezu majestätisch – und muss sich zu Unrecht mit Platz 37 abgeben. Man höre nur „Naeem“, „Hey, Ma“ oder „Salem“ und ahne: Für solche Stücke und Arrangements würde die halbe Songwriter-Welt noch immer töten. Fabian Soethof
36. Spelling – MAZY FLY
Sacred Bones/Cargo (VÖ: 22.2.)
In keinem Jahrzehnt wurde das musikalische Anything goes wohl derart Pop-affin umgesetzt wie in dem, das gerade dabei ist, zu Ende zu gehen. Ein Musterbeispiel dafür ist MAZY FLY, das zweite Album von Tia Cabral alias Spellling. Die Künstlerin aus Kalifornien lässt auf der Basis von minimalistischem Synth-Pop windschiefen Folk, moderne Klassik, Ambient und mutierte Disco-Musik frei umher- laufen. Die brüchigen Strukturen und unerwarteten Wendungen der Songs münden dann aber doch immer wieder im Pop. In anderen Worten: ein ganz großartiges Album. Albert Koch
35. Sharon Van Etten — REMIND ME TOMORROW
Jagjaguwar/Cargo (VÖ: 18.1.)
Ihr sechstes Album machte seinen nicht ganz so einfach wie die Vorgänger TRAMP oder ARE WE THERE, Sharon Van Etten durschreitet die Welt des Artpop, die Arrangements sind sonderlicher, auf einigen Instrumenten liegen seltsame Filter, die zwar ihr Wirkung erzielen, im Ganzen aber eine Folie über diese Lieder legen. Beim wiederholten Hören lockert sich diese Hülle, dann funkeln die Melodien, brodeln Van Ettens Worte. Denn die Musik ist zwar künstlicher, ihre Texte sind es nicht: „The Black Crowes playing as you cleaned the floor/ I thought I couldn’t love him any more.“ André Boße
34. Michael Kiwanuka –KIWANUKA
Interscope/Universal (VÖ: 1.11.)
Okay, der offensichtliche Singlehit fehlt. Es braucht also ein paar Hörgänge, bis man versteht, was Michael Kiwanukas drittes, von Danger Mouse produziertes Album so besonders macht: Der Pop-Universalgelehrte aus London schafft es, mühelos zwischen Afrobeat, Soul, Gospel, Folk, fuzzigem Garage- und Psychedelic-Rock zu navigieren, ohne eine eitle Werkschau zu veranstalten. Nebenbei macht Kiwanuka eine Ansage an alle, die sich Namen wie seinen nicht mer- ken mögen: „I won’t change my name. No matter what they call me.“ Julia Lorenz
33. Bilderbuch – VERNISSAGE MY HEART
Maschin/Universal (VÖ: 22.2.)
Dem mit seinem Futurepop recht stringent angelegten MEA CULPA ließen Bilderbuch im Februar ein Album folgen, das eher von Ausflügen geprägt ist: Die Wiener zeigen sich darauf als müde Space Cowboys zwischen Funk und Heavy Rock, die Gitarre erlaubt sich Soli, die ihre Botschaften bis in den Himmel aussenden, der Beat shuffelt stringent. Das erinnert mal an die sehr alten Bilderbuch (ca. zu „Kopf ab“-Zeiten), mal an Todd Rundgren, mal an Blur und zerfasert am Ende aufs Schönste in progressiven Weltraumsoundschleifen. Jochen Overbeck
32. Sault – 5
Forever Living Originals (VÖ: 5.5.)
Als man anfangs noch nicht wusste, wer hinter diesem Projekt aus dem Nichts steckt (Produzent/ Songwriter Dean Josiah und die Sängerin/Songwriterin Cleo Sol), konnte man sich Sault (aus Lon- don) in einen New Yorker Club der 80er hineinimaginieren, wo sich Disco, Funk und Postpunk gegenseitig an die Wäsche gehen. Doch es bleiben immer noch genug Geheimnisse in 5, weil uns der superhuman Bass und das trockene Schlagzeug in eine Welt aus Synthesizer-Riffs, magischen Chants und Soulgesängen voraustanzen, die gleichzeitig nach Kellerkonzert und bestem DJ-Set seit langem klingen. Oliver Götz
31. Slowthai – NOTHING GREAT ABOUT BRITAIN
Universal (VÖ: 17.5.)
Grime-Punk? Oder Punk-Grime? Wahrscheinlich war eine Bindestrichproduktion von einem furcht- losen Rapper aus der Heimat eines Viertligisten vonnöten, um den ganzen Irrsinn von der Insel auf den Punkt zu bringen. Chronist, Witz- bold und Lo-Fi-Lad – der 24-jährige Tyron Frampton präsentiert sich auf dem Cover seines Debüts als Jesus vom Sozialbau, am Kreuz kann er noch grinsen. Ein helterskelternder „Brexit Bandit“, der kurz an Mike Skinner (The Streets) und Johnny Rotten erinnert, welcher sich zu Promozwecken auch schon kreuzigen ließ. Frank Sawatzki
30. Floating Points — CRUSH
Ninja Tune/GoodToGo (VÖ: 18.10.)
Sam Shepherd kann halt nicht aus seiner Haut, er ist ein manischer Musikhörer, der alles aufsaugt, was die Musikgeschichte hergibt. Diese Multistilistik zeichnet auch den Produzenten Shepherd auf seinem zweiten Album als Floating Points aus. CRUSH ist Ausdruck von Experiment, Dekonstruktion und musikalischem Weiterdenken. Hauptdarsteller ist der Buchla-Modular-Synthesizer, Nebendarsteller: ein Streichquartett. Und so pendelt dieses Album zwischen Techno, Bassmusik und Neuer Musik, zwischen elektronisch und akustisch, zwischen tonal und atonal. Albert Koch
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