Die Fantastischen Vier


Darauf schien die Nation gewartet zu haben: HipHop auf gut Deutsch, poppig-floppig genug, um im Radio auch die bügelnde Hausfrau nicht zu ver schrecken. ME/Sounds-Mitarbeiter Stefan Nink forschte bei Thomas D. und S.M.U.D.O., Wort-Abteilung der schwäbischen Viererbande, «wieviel „Saft" in den Fantastischen Vier wirklich steckt.

ME/SOUNDS: Ice-Cube rappt über Malcolm X, Chuck D. preist Sitting Bull —fehlt es dem deutschsprachigen Hip Hop da nicht an Leit-Figuren ? Oder singen die Fantastischen Vier demnächst über Richard von Weizsäcker?

S.M.U.D.O.: Hey – tolle Idee! „Der da mit dem feinen Anzug an.'“Nee. Quatsch: Wir sind mittlerweile weg vom Bläh-Rap der Amerikaner mit Huldigungen an Gott-weiß-wen. Die Zeiten sind vorbei.

THOMAS D.: Früher wollten wir auch immer so singen und so sein wie die großen Jungs aus’m Ghetto mit ihren Malcolm-X-Vorbildern und so. Irgendwann sind S.M.U.D.O. und ich dann urlaubstechnisch ein halbes Jahr durch Kalifornien gefahren. Da haben wir dann festgestellt, daß wir natürlich ganz anders sind als die großen bösen schwarzen Jungs. Daß wir nicht aus dem Ghetto, sondern aus dem Mittelstand kommen. Und daß es sich hier in Deutschland nun doch um ‚was anderes dreht als um das primäre Überleben im Alltag oder um die Frage, wie die kleine Schwester von Crack runterkommt. Als wir das erkannt haben, haben wir gesagt: Moment mal — das kann nicht sein, daß wir so tun, als seien wir mit „Yo, Motherfucker!“ und „Hey man!“ großgeworden — wir müssen in unserer eigenen Sprache singen.

ME/SOUNDS: Auf eurer ersten Platte waren die US-Rap-Themen aber noch eher Eins-zu-Eins-Übersetzungen ins deutsche…

THOMAS D.: Klar, Blah-Rap eben. Damals hat jeder in Amerika gesagt: „Ich bin der Größte und der Beste und hab den längsten …“ Wir haben später aber eine Art Entmystifizierung betrieben, haben gesagt: Moment, was redet der denn da? Und dann haben wir ziemlich schnell geblickt, daß die alle nur mit Wasser kochen — was man aber nicht sofort merkt, weil die alle ziemlich schnell und viel Slang reden. Aber nach dem halben Jahr in Kalifornien war unser Englisch halt so, daß wir das meiste verstanden haben.

S.M.U.D.O.: Wir haben uns damals auch gedanklich noch sehr an den amerikanischen Hip-Hop angelehnt. Nachdem wir dann mehr oder weniger fließend Englisch konnten und gehört haben, um wieviel oder um wie wenig es in den Texten geht, haben wir „Hausmeister THOMAS D.“ geschrieben — als Parodie auf den amerikanischen Bläh-Rap.

Das war der Wendepunkt — von da an haben wir mehr Wert auf unsere Texte gelegt. Genau darin unterscheidet sich auch JETZT GEHT’S AB von VIER GEWINNT, auf der dann doch mehr wichtige Themen drauf sind. Außerdem haben wir mehr Spaß an Hooks und Melodien bekommen, (pfeift das „Die da!“-lntro) ME/SOUNDS: Wie kommt ihr denn auf eure Songs — zum Beispiel auf den da ?

THOMAS D.: Dazu muß man wissen, daß die Fantastischen Vier aus einer Text- und einer Musik-Abteilung bestehen. Den Text schreibt immer der. der ihn auch interpretiert, also hauptsächlich S.M.U.D.O. und ich. Für die Musik sind dann DJ Hausmarke und And. Ypsilon zustandig, wobei letztendlich doch jedes Stück ein Gemeinschaftsprodukt ist. Wenn jemand einen Text hat, dann rappt er ihn vor, und die Musikabteilung versucht, den passenden Sample zu finden. Und wenn zuerst ein Beat da ist, dann schreibt man halt einen Text genau drauf — das läuft immer Hand in Hand, weil auch die Ideen unterschiedlich kommen. „Die da!“ ist mir zum Beispiel…

S.M.U.D.O.: … genau! In dieser abgefahrenen Disco in Dortmund! Wo wir das Klo kaputt gemacht haben! Oje! Da lief doch auch Asha D. herum! (toastet) „Agooapossogattapegattawa!“ Der lief da rum, völlig abgefahren! Was hat der eigentlich da gemacht?

THOMAS D.: Ist doch egal… also: Auf jeden Fall hab ich zu euch an dem Abend gesagt: „Ich hab ’nen lustigen Refrain für ein Lied“, etwa so: „Isses die da oder besser die da?“ Und dann haben wir ziemlich schnell geblickt, daß das ein absooolut geiler Radio-Take werden könnte.

ME/SOUNDS: Ihr habt „Die da!“ also ganz gezielt für den Radio-Einsatz geschrieben ?

THOMAS D.: Ja. schon. Zuerst wollten wir „Saft“ als erste Single rausbringen. Aber „Die da!“ hat natürlich mehr geklebt, wegen des Pfiffs und so. Und so was brauchst du als Newcomer unbedingt. Und erst recht, wenn du deutschen Sprechgesang machst — da hatte ja vorher auch noch niemand was von gehört.

S.M.U.D.O.: „Die da!“ hat wirklich die Türen aufgestoßen. Natürlich ist es künstlerisch noch ein ¿

Stuck von uns — aber es hat einen derart kommerziellen Hook, daß die Radiostationen gar nicht anders konnten und deutschen Sprechgesang spielen mußten, einfach mußten. Aber sonst hätte das mit uns und dem deutschen Hip-Hop nie nie nie funktioniert — man braucht in Deutschland einfach einen Radio-Hit. Die Radiolandschaft ist ja sowas von stier — das kann man mit Amerika gar nicht vergleichen. Hier gibt es nur die Öffentlich-rechtlichen und die Privaten, und wenn die Privaten so richtig groß werden, wollen sie so sein wie die Öffentlich-rechtlichen — schrecklich!

ME/SOUNDS: Es war doch auch wahrscheinlich geschickter, „Saft“ erst als zweite Single herauszubringen — oder spielt etwa der Bayerische Rundfunk „Saft“?

S.M.U.D.O.: Nee, der spielt’s nicht. Beim WDR hat auch mal ein Redakteur Streß bekommen, weil er „Saft“ gespielt hat. Ausgerechnet beim WDR …

ME/SOUNDS: Ist euch Rita Süßmuth denn nicht böse? Von wegen „Austausch von Körperflüssigkeiten“?

S.M.U.D.O.: Neee, die Rita hat ja was in der Birne. Die hat schon geblickt, um was es uns geht, und daß wir nichts anderes bezwecken wollen als sie …

THOMAS D.: Letztens waren wir vor der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“, die wollten „Arschloch“ verbieten. Da war’s dann genauso: Wir haben denen erklärt, wie wir drauf sind und was wir machen, und dann war’s kein Problem mehr. Wir sagen eben in unserer Musik, daß wir eindeutig positiv drauf sind — und „Arschloch“ ist dann eben genau die andere Seite: Wie ist jemand drauf, der nicht so ist wie wir…?

S.M.U.D.O.: Die waren schon beeindruckt, daß wir alle vier angetanzt sind — ist wohl da nicht üblich. Dann lief die Platte, es ging los mit „Vier gewinnt!“, dann kam „Die da!“ — und dann waren schon die ersten Füße am Zucken.

ME/SOUNDS: Wäre es euch denn wirklich so unrecht gewesen, wenn der Ausschuß anders entschieden hätte? Hätte ein guter Promotion-Gag werden können: Eine zweite „Vier gewinnt!“-Auflage ohne „Arschloch“…

S.M.U.D.O.: Uns wars im Endeffekt so lieber. Es ist irgendwie auch eine Selbstbestätigung, wenn die, von denen man denkt: „Mensch, die sind bestimmt pingelig“ am Ende dann zu einem kommen und sagen (flüstert): „Hat mir gut gefallen, find ich klasse, was ihr macht“.

ME/SOUNDS: Ihr wollt also trotz .Arschloch“ gar nicht provozieren?

THOMAS D.: Nee. Wir wollen einfach nur das sagen, was wir denken. Natürlich sind das manchmal Sachen, die man normalerweise nicht in aller Öffentlichkeit ausspricht, und schon gar nicht auf Platte preßt. Sachen, bei denen einige Leute sagen: „Ooops — jetzt gehen die aber ein Stück zu weit!“ Die Leute, die uns anzeigen, sind dann Eltern, die ihren Kindern die CD gekauft haben und dann irgendwann mal reinhören und denken: „Mein Gott, was hab ich meinem Kind angetan!“ Unser Anwalt hat mal gesagt: „Ihr habt 600.000 Platten verkauft, und wenn sich 600 Leute beschweren, dann ist das gerade mal ein Promille.“ Angezeigt haben uns aber nur drei.

S.M.U.D.O.: Auf der anderen Seite zeigt sowas aber auch ganz anschaulich, wo wir bei der Jugend gelandet sind. Ich weiß noch, als ich selbst Teenie war: Da kamen gerade die „Ärzte“ raus, und ich war furchtbar eifersüchtig auf die, weil die Mädels die so geil fanden. Das war ’ne richtige Kultband! Und scheinbar haben wir jetzt auch so einen Status — obwohl wir das ja viel weniger mitbekommen, weil wir ja nicht mehr in die Schule gehen … Aber der Punkt ist doch, daß die Eltern glauben, wir seien die Identifikationsfiguren ihrer Kids …

ME/SOUNDS: Was bei 600.000 verkauften CDs und eurem jungen Publikum ja auch nicht ganz so abwegig ist…

THOMAS D.: Jaja, stimmt schon. Ich glaube auch, wir sind uns ziemlich oft bewußt, daß uns 600.000 an den Lippen hängen — was die Sache nicht gerade einfacher macht. Da denkst du schon mal gründlicher drüber nach, was du da gerade sagst. Aber ich finde, solange wir unsere Musik und unsere Texte vor uns selbst verantworten können, ist das o.k. Aber Du hast recht: Natürlich werden Erwartungen aufgebaut. Die ersten zwei Alben sind echt ohne Erfolgsdruck abgelaufen. Beim ersten hieß es: „Macht mal!“, und wir haben „Öööhm!“ gemacht und die ganzen alten Lieder zusammengeworfen. Beim zweiten Album haben wir uns gesagt: „Wirprobieren’s einfach!“

Und jetzt sind wir eigentlich schon weit übers Ziel hinausgeschossen, weil niemand damit gerechnet hat, daß die „Fantastischen Vier“ ein Milhonseller werden …

S.M.U.D.O.: (ruft) Half-Millionseller!

THOMAS D.: Over-Half-Millionseller! (brüllt vor Lachen) Jedenfalls gibt’s jetzt keine Bedingungen von der Plattenfirma mehr, keiner redet uns rein. Wir haben praktisch zwei Stufen übersprungen. Aber die Erwartungshaltung draußen ist natürlich größer geworden. Und die Verantwortung auch.

S.M.U.D.O.: Zu Anfang ging’s eigentlich ganz langsam. Wir spielen ja schon seit sechs Jahren zusammen. Dann kam die Tour zur CD, und irgendwo haben wir damals schon den Eindruck gehabt, daß da irgendwas hinter uns ist — so eine riesige Welle, die jeden Moment auf uns runterkrachen wird und die wir nur deshalb nicht sehen, weil wir wie blöd in die falsche Richtung gucken. Und dann ging’s auf einmal rasend schnell, mit „Die da!“ und so.

ME/SOUNDS: Was kommt denn auf die dritte CD?

THOMAS D.: Auf jeden Fall deutscher Hip-Hop — alles andere ist noch total offen.

S.M.U.D.O.: Wir glauben, daß wir deshalb so erfolgreich geworden sind, weil „Die da!“ ein bißchen wie „Wir hier!“ war — also ein Teil von uns. Ich glaube, wir sind relativ natürlich und wollen auch so bleiben und uns nicht mutieren lassen in irgendwelche Pop-Cyborgs, die immer-das-gleiche-immer-das-gleiche-immer-das-gleiche machen. Wir haben bei „Vier gewinnt!“ eine ganze Reihe toller Ideen gehabt, die sich jetzt bezahlt machen, und wir haben jetzt eine ganze Reihe witziger Ideen für’s dritte Album. Ob die sich verkaufen oder nicht, ist erst einmal egal. Zum einen haben wir mit dem aktuellen Album so einen Erfolg, daß wir uns darum jetzt keine Sorgen machen müssen. Und ich bin mir zweitens sicher, daß eine ganze Menge Leute eine Weiterentwicklung der Fantastischen Vier sehen wollen. Leute, die von uns wieder etwas Innovatives erwarten.

THOMAS D.: Und es gibt ’ne ganze Menge Leute, die uns genau beobachten: Versuchen die jetzt, ihr Erfolgsalbum zu kopieren? Um nochmal die große Absahne zu machen? Das wollen wir uns auf keinen Fall sagen lassen! Wir haben genug verrückte Ideen, und wir wollen die so verrückt wie möglich rüberbringen! Unser absolut freakiges, mediales Leben zur Zeit soll rüberkommen! Das kann von mir aus ein so verrücktes Album werden, daß jeder sagt: Um Gottes willen, was ist denn das? Aber auf keinen Fall nochmal so was wie „Die da!“ Auf keinen Fall!

ME/SOUNDS: Aus der schwarzen, radikalen Hip-Hop-Ecke wird ja ständig getönt, es könne gar keinen weißen Hip-Hop geben, weil sich die Lebensumstände der Weißen und Hip-Hop gegenseitig ausschließen. Und Quincy Jones hat in seinem neuen Magazin geschrieben: „Hip Hop ist der Vorbote der Schwarzen Revolution!“ Wie sieht man das als weißer Hip-Hopper?

S.M.U.D.O.: Definitiv können auch Weiße Hip-Hop machen, logo. Sonst könnte man ja auch sagen: Weiße können niemals Blues spielen, weil Blues einmal der Trauergesang der geknechteten _

Schwarzen gewesen ist. Es gibt aber ’ne Menge weißer Bluesmusiker und viele, die von ihren schwarzen Kollegen respektiert werden. Die Frage ist: Inwieweit können Nicht-Schwarze Leben und Leid der Schwarzen nachempfinden? Und die Frage ist auch: Inwieweit ist das eigentlich wichtig für meine Musik? Wenn der Musiker weiß, was er da tut, wenn er weiß, welche Musik er da spielt, dann darf er das doch auch guten Gewissens tun, oder?

Genauso mit dem Hip-Hop: Wir wissen, was das für eine Musik ist. Wir wissen, woher sie kommt, und wir wissen, daß wir sie genau aus diesem Grund so nicht machen können. Deshalb machen wir sie anders.

ME/SOUNDS: Trotzdem bekommt ihr ja genügend Kritik auch aus eigenen Reihen ab. „Advanced Chemistry“ aus Heidelberg werfen euch zum Beispiel vor, ihr wäret „Klamauk-Rapper“ und würdet keinen echten Hip-Hop machen …

S.M.U.D.O.:… weil wir unsere Lieder ausarbeiten und nicht erst auf der Live-Bühne spontan herunterbrabbeln, und weil wir angeblich keine street credibility haben, jaja. ich weiß. Aber was für eine streel credibility müßten wir denn haben? Was muß man eigentlich haben, um vom „Zentralkomitee für richtiges Musikmachen“ anerkannt zu werden? (holt tief Luft) Vor drei, vier Jahren war das ja alles noch ganz anders. Da haben sie alle — alle! — gesagt: Wir müssen weg von den Klischees der Jungs aus Amiland. Und wir haben gesagt: O.k. — dann versuchen wir’s mal mit deutschen Texten. Und jetzt auf einmal gehört für gewisse Leute exakt das alles unbedingt zur street credibility eines Hip-Hoppers, was die Fantastischen Vier nicht gemacht haben oder nicht machen. Wenn es nach diesen Leuten ginge, dann müßte ich mir ein Tramperticket kaufen und mit ’ner Sprühdose in der Hand durch die Städte ziehen und müßte Züge besprühen. Nachmittags würde regelmäßig gebreakt, und ab und an müßte ich in ’nen Baumarkt gehen und neue Sprühdosen klauen — das müßte ich tun, um diese credibility zu bekommen! Ich hab anfangs auch mal zu Sprühen versucht und bin gleich beim ersten Mal erwischt worden. Das ganze Wochenende mußte ich in der Stadtgärtnerei Ziermais rausziehen! Nie wieder!

S.M.U.D.O.: Und da beißt sich die Katze doch schon wieder in den Schwanz — dieses und jenes darf Hip-Hop nicht, denn dann isses ja schon wieder kein richtiger Hip-Hop mehr, sondern kommerzieller Pop! Dieser ganze Bullshit steht mir bis hier! Natürlich haben wir“.Die da!“ für die Charts geschrieben — aber was bitteschön hat denn das mit unserem Verständnis der Musik zu tun?

ME/SOUNDS: Ihr könnt davon ausgehen, daß euch Millionen Jugendliche zuhören. Könntet ihr euch vorstellen, mit Eurem Popularitätsgrad so etwas wie eine musikalische Gegenbewegung gegen böse Onkels wie „Störkraft“ zu werden?

THOMAS D.: Wir wollen auf keinen Fall eine neue Front aufbauen! Udo Lindenberg ist für mich das schlimmste Beispiel: Haut den Glatzen auf die Fratzen bis sie platzen oder so … neee. Du schaffst doch immer wieder neue Fronten — viele sagen dann Ja, genau‘.’und die anderen schreien: „Nein! Niemals!“ Da entsprechen Lieder wie „Laß die Sonne rein!“ oder „Es wird Regen geben“ viel mehr unserer Philosophie. Wo wir sagen: Es geht viel mehr darum, mit sich selbst ins Klare zu kommen, die Dinge hier oben im Kopf zu regeln — und sich nicht leiten und verleiten zu lassen von den ganzen Einflüssen, die da täglich auf einen einströmen.

Wenn die Menschen das blicken wurden, dann würden sie schon viel früher merken, daß Ausländerhaß nicht der Weg ist, um sein eigenes Befinden zu verbessern. Diese Leute versuchen doch, jemanden anderen dafür verantwortlich zu machen, daß es ihnen selbst nicht gut geht. Wer zufrieden mit sich selbst ist. würde doch nie andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe verkloppen!

Und genau da versuchen wir uns einzuklinken, also an einer viel früheren Stelle als zum Beispiel Lindenberg. Wir versuchen, diese Leute zu erreichen, indem wir ihnen sagen: „Schau Dich selbst an und laß Dich nicht leiten!“

S.M.U.D.O.: Was wir sagen wollen ist. daß viele Dinge, die problematisch sind, oben im Kopf anfangen. Bei den Rechtsradikalen ist das so und auch bei dem ganz normalen Nullachtfünfzehn-Spießer, der seine aufgestaute Wut rausläßt, indem er wie ein Wilder alle Falschparker unten auf der Straße anzeigt, nur um eine innere Befriedigung zu haben.

Aber ich hör jetzt schon wieder die Leute sagen: Der S.M.U.D.O. hat gut Reden in so nem Interview. Natürlich können wir hier relativ relaxed sitzen und müssen uns nicht um elementare Sachen Sorgen machen und uns nicht darum kümmern, wie wir drei, vier kleine Kids durch die Bude füttern. Aber doch mal ehrlich: Den meisten Leuten, die draußen Randale machen, geht’s materiell auch nicht gerade schlecht. Aber die kloppen einfach drauflos.

ME/SOUNDS: Nun zählen ja Hip-Hop-Konzerte auch nicht gerade zu den zimperlichsten Veranstaltungen…

S.M.U.D.O.: Also unsere Konzerte sind völlig untypisch für Hip-Hop-Konzerte, weil man sich dort ja wirklich grundsätzlich erstmal auf die Fresse haut. Meine krumme Nase hab ich zum Beispiel auch bei so einem Unfall abbekommen. Bei unseren Konzerten ist das ganz anders. Da hat sich noch nie einer gehauen, wirklich noch nie. Als wir auf der Loreley gespielt haben, gab’s vorher die dicke Klopperei. Dann kamen wir auf die Bühne und haben gesagt: „Wir spielen jetzt hier, und Jetzt hört auf damit!“ Und dann war Ruhe — wahrscheinlich aber nicht wegen uns, sondern wegen den Ordnern, die dann massenweise da unten reingesprungen sind.

ME/SOUNDS: Ist aber doch irgendwo einleuchtend: Zu einer Hip-Hop-Gruppe, die was von „Fuck all Cops!“ singt, kommt ein anderes Publikum als zu einer, die Songs wie „Laßt die Sonne rein!“ im Programm hat.

THOMAS D.: Exakt. Wir haben brutal viel destruktive Musik zur Zeit. Vielleicht hat bisher wirklich so was wie unserer Positiv-Gedanke gefehlt — also kein Klamauk, sondern ehrlicher Spaß am Leben.

S.M.U.D.O.: Jeder fühlt sich irgendwann mal beschissen. Dann kann man aber doch nicht seinen Haß an was weiß ich was auslassen — dann geht man halt in den Garten oder hackt ’nen Baum oder so. Ich setz mich in so einer Stimmung viel lieber an den Computer und ballere 15 bis 16 imperialistische Raumjäger vom Schirm — dann geht’s mir wieder besser.

THOMAS D.: In Deutschland hängen doch wirklich die wenigsten ohne was zu Essen rum, und die meisten haben doch auch ein Dach überm Kopf. Ein Großteil hat doch die Grundvoraussetzungen zum Glücklichsein! Theoretisch braucht man doch nur seine Tonne, wie Diogenes. Wie singen wir: „In der Tonne in der Sonne — geh mir da raus!“ — das war sein einziger Wunsch. War doch toll, wenn alle Leute nur ihre Tonne und ein bißchen Sonne hätten!