Die heißesten Newcomer 2015: Arca – Im virtuellen Nimmernimmerland
„Vogue“, Berghain, Björk – alle am Durchdrehen. Mehr Hype geht nicht. Dabei wird der Avantgarde-Elektro des jungen Venezolaners erst 2015 sein wahres Potenzial offenbaren.
Die Karriere, die Alejandro Ghersi in den letzten 36 Monaten hingelegt hat, ist selbst nach all den irren Maßstäben des Digitalen mehr als erstaunlich. Erste Tracks als Arca veröffentlichte er 2012: fragile Andeutungen von HipHop, meilenweit entfernt von allem, was man sich in den Glaskastenbüros zwischen Broadway und Beverly Hills als nächstes großes Ding zuspielt. Dann aber rief Kanye West an und holte Arca ins Produktionsteam für YEEZUS. Vier koproduzierte Tracks landeten auf seinem Album. Quasi über Nacht war alles anders.
Seitdem ist viel geschrieben worden über die endgültige Auflösung der Uraltkategorien „Underground“ und „Mainstream“, über Kunst und Kommerz und den ganzen Irrsinn namens Internet. Vor allem aber ist viel geschrieben worden über Arca. „Dazed & Confused“ sagt, er sei „intelligent, leidenschaftlich und inspiriert von Integrität“. „The Fader“ findet, sein Debütalbum XEN aus dem November habe die Welt verändert. Und Pitchfork hält ihn für den Superproduzenten der kommenden Generation. Das ist viel Lob für einen Mann mit solch schmaler Vita. Aber andererseits: Kanye, FKA Twigs, Björk. Deren neues Album hat Arca koproduziert. Nicht einfach ein paar Snares rübergeschickt. Die Geschwister im Geiste haben gemeinsam geschrieben, gebastelt, sich besprochen. Das wiegt schwerer als ein beliebiger Klick-Coup.
Der Verdacht, dass hinter Arca mehr stecken könnte als ein begabter Beatmaker (und ein, mit Verlaub, bildhübscher Bengel), bestätigte sich, als er Anfang Dezember für ein Konzert nach Berlin kam. Auch jene Teile von XEN, die im Albumkontext noch vermeintlich ziellos vor sich hin lärmten, gerieten in den unheiligen Hallen des Berghain sowie im Zusammenspiel mit den Visuals von Arcas langjährigem Mitstreiter Jesse Kanda zu monumentalen Manifesten seiner Ambitionen. Die kurzen Performance-Einlagen zwischen Rap und Ballroom zeigten zusätzlich ein weitgehend ungeahntes Talent zum Superstar. Genug Visionen dafür jedenfalls hat Arca, und zwar nicht zu knapp. Spannend wird es jetzt, mitanzusehen, wie sich die Popmusik seinen musikalischen Ideen annähert – so und nicht andersrum wird’s wohl sein.
Ein bisschen wie: Your Beautiful Dark Twisted Virtual Fantasy
Gar nicht wie: Unplugged-Session mit Walgesang
Dieser und alle weiteren Artikel über die Newcomer dieses Jahres sind in der Februar-Ausgabe des Musikexpress erschienen.