Die heißesten Newcomer 2015: Shamir, der Fresh Prince


Ein 20-Jähriger aus Las Vegas mit zappeligem R’n’B-Funk-Disco-Pop.

Die Kantine am Berghain in Berlin mit ihrem ranzigen 60er-Jahre-Jugendclub-Charme ist eine Art Kreißsaal für next big things. Banks, FKA Twigs, Jessy Lanza, AlunaGeorge und Kelela hatten dort ihre ersten Auftritte vor kleinem Publikum. Wer auf die Bühne der Kantine geht, sorgt – egal ob er später in großen Hallen spielen oder nie ins Bewusstsein eines halbwegs größeren Publikums geraten wird – für das gewisse Pioniergefühl beim Zuschauer. Weißte-schon-kennste-nicht-ich-war-dabei. Für Shamir Bailey der perfekte Auftrittsort für sein erstes Deutschland-Konzert Anfang Dezember 2014.

Der 20-Jährige aus Las Vegas entzückt die – großzügig geschätzt – 50 Menschen im Publikum, mindestens ein Drittel davon Medien- und Plattenfirmenvertreter. Der Künstler bewegt sich auf der viel zu kleinen Bühne vor seiner viel zu großen Band in seiner Jogginghose, als stünde er vor 20 000 Menschen im Madison Square Garden in New York. Shamirs multi-stilistische Dance Music zieht ihre Faszination aus der androgynen Stimme und der Präsenz des Protagonisten. Das Publikum ist aus dem Häuschen angesichts der Performance. Oder anders: Wenn jemand, der in den 80er-Jahren musikalisch sozialisiert wurde und Prince zu seinem absoluten Helden erklärt, dann 1991 aufgehört hat, aktuelle Musik zu hören, sich zufällig an diesem Abend hierher verirrt hätte, hätte er vermutlich großen Spaß. Der Unterschied zwischen Shamir und Prince: Shamir ist der Fresh Prince.

Während eine wie Jessie Ware, die dem Soul anfangs das Schweißtreibende, das manchmal bis zur Groteske übertriebene physische, hypersexualisierte Element ausgetrieben hat, schon bei ihrem zweiten Album droht, zu einer ganz normalen R’n’B-Sängerin zu werden, geht Shamir einen anderen Weg zur Reanimation des Genres. Er spielt zappelige Silvesterparty-Konfetti-Musik aus Funk, Disco, Oldschool-House, circa Frankie Knuckles, Bubblegum-Pop und Novelty Music, Bass und Beats aber sind eindeutig in der Gegenwart verwurzelt. Und durch seine spielerische, unverkrampfte Art setzt er das alles zu etwas Neuem zusammen. Kein Schmalz, kein Bullshit, kein Gramm zu viel. Nach der NORTHTOWN-EP vom Frühjahr und der Single „On The Regular“ von Ende 2014 hoffen wir 2015 auf das Debütalbum.

Ein bisschen wie: Kindergeburtstag mit Hunter S.Thompson
Gar nicht wie: Kool & The Gang bei der „ Ultimativen Chartshow“

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Dieser und alle weiteren Artikel über die Newcomer dieses Jahres sind in der Februar-Ausgabe des Musikexpress erschienen.