„“Die Hippie-Bewegung ist in eine gefährliche Bahn gerutscht: in den Drogen-Kult!“
COLOSSEUM-ZEITEN
ME: Jon, kannst Du etwas über die Zeit mit Colosseum erzählen, warum ihr auseinandergegangen seid, etc.?
Jon: Well, Colosseum startete 1968. Wir waren damals alle unerfahrene, junge Burschen, und drei Jahre vergingen, bis 1971. Während der Zeit wurden wir alle älter, wir wurden ‚erwachsener‘, wir entwickelten uns, sodass jeder wusste, was er wollte und welchen Weg er gehen wollte. Wir waren sehr fleissig aber wir machten alle unsere eigenen Sachen. Jeder von uns hatte grosse Pläne, aber sie betrafen nicht Colosseum.
ME: Colosseum war sehr erfolgreich …
Jon: Ja, wir waren sehr erfolgreich, wirklich, sehr erfolgreich, aber die Zeiten ändern sich. Was soll ich Dir jetzt noch erzählen?
ME: Erzähl‘ was über Deine neue Gruppe!
Jon: Ich gebrauchte eine Gruppe, in der ich mich mehr verwirklichen konnte; Tempest bestand zuerst aus vier Leuten, jetzt sind wir nur noch drei.
ME: Glaubst Du, dass die Gruppe Dir so entspricht, dass Du bei ihr bleibst?
Jon: Ja, ich hoffe.
ME: Können wir bald eine neue Platte von euch erwarten?
Jon: Ja, gegen Ende des Jahres wird wohl eine Live-LP herauskommen, auf der die Gigs von unserer jetzigen Tournee mitgeschnitten sind.
„ICH BIN KEIN MUSIKER, SONDERN SCHLAGZEUGER“
ME: Bist Du ein ‚Vollblutmusiker‘? Ich meine, hängst Du auch während Deiner Freizeit am Schlagzeug, oder hast Du auch noch andere Interessen?
ME: Wo lebst Du?
Jon: Ich wohne mit meiner Frau und meinem Sohn in einem astreinen Haus 18 km von London.
WIE DIE ALTEN RÖMER
ME: Was denkst Du über die Art und Weise, wie Alice Cooper seine Songs bringt?
Jon: Well, viele der grössten Acts sind schlecht, sehr schlecht, aber es ändert nichts daran: sie geben den Leuten die Art Unterhaltung, die sie wollen. Wenn die Unterhaltung die Funktion erfüllt, die das Publikum will, dann ist es okay. Man kann das Ganze vielleicht mit den römischen Gladiatoren vergleichen.
ME: Ja, das ist wohl irgendwie richtig, aber findest Du nicht, dass die Leute in dieser Hinsicht allmählich etwas weiter sein sollten als auf dem Stand der alten Römer? Ich glaube doch, dass es heute bedeutend mehr Leute gibt, die Frieden und Liebe wollen.
Jon: Ich glaube, dass man sagen kann, dass die meisten Leute aggressiv sind. Wo immer sich eine grosse Zahl von Menschen konzentriert, bedarf es einer Hand, die organisiert und sagt, was zu tun ist. Sonst kann man schnell ein Chaos haben. Die Fans befinden sich in einer Art Rauschzustand, in dem sie ganz auf den Star fixiert sind. Was früher die Arena war, sind heute die Rock-Konzerte. Es ist eigentlich eine sehr gesunde Sache, wenn Leute ihre Aggressionen los werden und sich frei machen. Ich weiss nicht, wie euer Fernsehen in Deutschland ist. In England kann man von 7 Uhr abends bis 11 Uhr fernsehen und wahrscheinlich 15 Tote sehen, 7 Autounfälle (in Farbe); je grausamer, brutaler und extremer ein Film ist, desto lieber schauen die Leute ihn an. Ich sehe wirklich keinen Unterschied zu den alten Römern …
ME: Schon, aber ich glaube, dass viele Leute so langsam durchblicken, ein schlechtes Gewissen bekommen und andere Wege suchen.
Jon: Ja, die Römer kamen auch da heraus: 900 nach Christus war keiner von ihnen mehr da. Rom war eine Geisterstadt. Von einer derart hochstehenden Kultur waren nur noch die Ruinen übriggeblieben, und ich fürchte, so etwas ähnliches wird uns auch erwarten. Ich finde es dufte, dass du so optimistisch bist, ich kann es nicht mehr sein.
ME: Aber Jon, schau‘ Dich doch nur ‚mal um, es gibt unwahrscheinlich viele Typen, die genauso denken wie wir …
Jon: Es gibt eine Menge Leute, die darüber sprechen, aber es sind nur ganz wenige in Positionen, wo sie die Probleme auflösen können.
DROGEN-KULT
ME: Aber wenn du bekannt wirst, egal ob als Politiker oder als Rockstar, dann hast du grosse Macht, bzw. eine grosse Verantwortung.
Gerade Jugendliche suchen noch ‚Lehrer‘, suchen Richtlinien.
Jon: Ja sicher, ich glaube, die ganze Love-Revolution am Ende der sechziger Jahre war auf Rock-Musik gegründet. Unglücklicherweise ist die Hippie-Bewegung in eine gefährliche Bahn gerutscht: den Drogen-Kult! Was die Droge tut, ist, sie nimmt das Schlechte weg. Ich meine, die Leute sagen, dass ‚Grass‘ zum Durchblick verhilft und dass man sich besser kennenlernt. Aber in Wirklichkeit stimmt das nicht, jedenfalls nicht auf lange Dauer gesehen. Der Effekt ist letzten Endes genau wie beim Alkohol und Heroin: es macht einen schlaff und verhindert, dass man seine eigenen Probleme bewältigt. Einfach aus dem Grund, weil man nicht mehr die Notwendigkeit sieht, etwas zu tun, und das ist doch echt nicht das Wahre, oder?
ME: Stimmt es, dass in England Haschisch legalisiert werden soll?
Jon: Ja, in zwei oder drei Jahren. Dann wird es dasselbe Problem sein, wie mit Alkohol, die Geld-Geier werden riesigen Profit machen und wie so oft aus der Unkenntnis und Unwissenheit der Mehrheit Geld machen. Dann wird es neben Bars, in denen Alkohol ausgeschenkt wird, Bars geben, in denen geraucht wird. In den Supermärkten wird sowohl Alkohol als auch Shit verkauft werden. Es wird so viele Trinker und Kiffer geben, wie noch nie da waren, und es ist leicht möglich, dass auf der ganzen Welt kein Mensch mehr nüchtern herumläuft. Und dann wird sich keiner mehr um den anderen kümmern, weil jeder das Mitleid des anderen beanspruchen will. Waouh, das ist zwar eine reichlich extreme Aussicht, aber so sehe ich die Lage …