Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz


Alogismus, Contradictio, Hendiadyoin, Paradoxon, Pleonasmus, Tautologie oder nichts davon?

iTunes-Singlecharts,

19. Oktober 2011, Platz 19: Tim Bendzko, „Wenn Worte meine Sprache wären“

Wenn Worte meine Sprache wären / (…) / Ich hab keine Worte für dich / (…) / Dir ein Lied zu schreiben wäre nicht schwer.“

Da könnte man jetzt super eine Glosse draus machen, für die man vom Chef schlimmstenfalls „feinsinnig“ genannt werden würde und „gebildet“, man bräuchte nur die alte Liste mit den rhetorischen Figuren auspacken und dann schön in alphabetischer Reihenfolge so genannt durchdiskutieren, was das nun ist im Titel des Liedes und im Liedtext selbst, Alogismus, Contradictio in adiecto, Hendiadyoin, Oxymoron, Paradoxon, Pleonasmus, Tautologie oder nichts davon – wenn ein Sänger in relativ vielen Worten sagt, dass er keine Worte hat, weil Worte ja nicht seine Sprache sind, sondern irgendwas anderes als die verbale seine Sprache ist, die mit Gebärden vielleicht oder dem Körper oder so, das sagt er nicht, sondern mit vielen Worten, und die wiederholt er dann auch noch dauernd, elliptisch, möchte man sagen, nein, formulieren, also jedenfalls behauptet er, dass ihm die Worte fehlen, und wenn er sie aber hätte, die Worte, also gesetzt den Fall, dass er dann ein Lied schreiben würde, denn das sei doch nicht so schwer, ist es aber wohl doch, sonst würde er es ja nicht sagen, vielleicht will er damit aber auch nur seine eigene Leistung hervorheben, weil er das dann geschafft hat irgendwie, ein Lied zu schreiben, man hört es ja, das Lied, und zwar mit Text, und zwar andauernd und überall, im Radio, Fernsehen, Internet, Modeboutique, und der Text des Liedes besteht doch aus Worten, das ist doch nicht zu leugnen, das kann man auch nicht mehr in den Konjunktiv setzen, wie in nämlichem Text geschehen, „wenn“ stimmt doch gar nicht in dem Moment, wo der Fall eingetreten ist und das Lied existiert und so viele Worte hat, viel zu viele, die irgendwie keinen Sinn – FOLGT MIR NOCH IRGENDWER DA DRAUSSEN?

Tschah: Tim Bendzko. Wenn man ihn im Fernsehen reden hört, wirkt der doch ganz vernünftig. Warum aber schreibt er dann so Texte, zu denen auch noch so Melodien gehören, zu denen einem die Worte, nein, man sagt es jetzt nicht. Weil man nicht will. Weil man nicht kann.

Scheiße: Sprache verschlagen