Die Rache des Gegerbten


Muß man sich das bieten lassen? Darf ein infamer Schreiber einen famosen Sänger "höhensonnengegerbte ........................" nennen? Kann man solchen Schmierfinken wirklich nicht ans Leder? Modern Talking-Sänger Thomas Anders wollte es wissen und zog vor Gericht. Angeklagt: ME/Sounds

Er wirkt zart, wie aus Süßholz geraspelt. Seine dunkle Mähne wirbelt den Staub durch die Luft des Berliner Amtsgerichts. Sein Lächeln ist künstlich; irgendwie scheint er geistig abwesend — so als wäre etwas in ihm zerbrochen. In der Hand hält er einen langen Finger, ja, fast klammert er sich daran. Es ist der hochkarätige Mittelfinger seiner großen Frau. Ihr geschminktes Gesicht wirkt versteinert; die ehemalige Visagistin und Schülerin der Gräfin von Haugwitz trägt zum heutigen Anlaß sehr dick auf. Böse funkeln die Pupillen unter den seidigen Lidschatten.

Schnurstracks führt der Weg des seltsamen Paares über den kalten Steinfußboden zum Gerichtssaal 305. Eine Horde Fotografen lauert vor der Tür, ein paar kleine Mädchen diskutieren die bewegende Frage: „Wird unser Thomas gewinnen?“ Galant schwingt sich das der Kläger mit seiner langen Frau auf eine karge Holzbank. Es ist noch ein wenig Zeit, um in die Kameras zu schauen, drinnen verknackt der Richter gerade einen Gebrauchtwagenhändler. Was hat Thomas Anders und die Andere an diesen garstigen Ort geführt?

Es ist. wie man unschwer erkennen kann, der Schmerz, die Verzweiflung und der unbändige Wunsch nach Rache. Was war geschehen?

Thomas Anders, einige wissen es wahrscheinlich, arbeitet als Sopran in einem modernen Männergesangsverein und kämpft tagein, tagaus mit seinem Freund Dieter Bohlen für die Erhaltung und Verbreitung deutscher Sangeskultur. Sein Lächeln bringt Fernsehschirme zum Flimmern und selbst den sauren Regen zum Lachen, die Musik trägt Hoffnung in die Stuben der Arbeitslosen.

Und trotzdem, oder gerade deswegen, sitzen überall vor Neid ergraute Finsterlinge, die diesen unseren Thomas auf das schlimmste beleidigen. Viele von ihnen schimpfen sich Schreiberlinge und kassieren für ihre Haßtiraden auch noch Geld.

Besonders arg trieb es vergangenen Frühjahr ein gewisser Martin Brem, verantwortlich für die „News“ in ME/Sounds. Anscheinend geplagt von Zahnschmerzen und Ohrensausen, trieb es ihn in den Haß — und so bezeichnete er Thomas als „hohensonnengegerbte …“(auf Nennung des zweiten Wortes verzichten wir und verweisen auf die „News“ 3/86. — Red.) und „Schoßhündchen an der güldnen Halskette“ seiner Frau Nora.

Wo wir doch alle wissen, daß Thomas und Nora ihr Leder aus Gran Canaria beziehen und nicht, wie angedeutet, aus dem Solarium! Und wo wir doch alle wissen, daß der Thomas nicht schwul sein kann, da er immerhin ganz heftig mit Nora verheiratet ist!

Genau das scheint Nora den Presseleuten klarmachen zu wollen, als sie mit Thomas unterm Arm festen Schrittes den Gerichtssaal betritt, um dort jene 70000 DM Schmerzensgeld einzuklagen, die ihm, sozusagen als Tropfen auf den heißen Stein der Schmach, zustehen sollen.

Im Saal herrscht Aufregung. Der Richter, ein freundlicher, grauhaariger Herr, hat ein paar Bänke hereinbringen lassen, auf denen sich jetzt die Mädchen, diverse Jurastudenten und Journalisten sowie der Gebrauchtwagenhändler aus dem vorherigen Verfahren Platz genommen haben.

Trotzig zieht er seinen Kaschmirfaden fester um den Hals. Die güldne Kette blinkt dem Richter ins Gesicht. Dieser eröffnet die Verhandlung und liest, für alle verständlich, die strittigen Passagen aus der besagten Musikzeitschrift vor. Sehr zum Entstzen der Beteiligten kann sich kaum einer der Zuschauer das Lachen verkneifen. Die Verteidigerin zitiert den Duden und empfindet ebenso wie dieser, daß das Wort…..“ ein abwertender Ausdruck für ein homosexuelles, feminines Wesen sei. Der Richter empfindet das Wort jedoch eher als eine Kritik, die sich auf die Stimmlage des doch recht grazil wirkenden Sängers bezieht. Interessiert blättert er dabei immer wieder im Magazin. So einen Ausdruck hätte er auch noch nie gehört, murmelt er.

Egal, Frau Anwältin ficht unerschrocken weiter. Solch eine Kritik sei jenseits der Gürtellinie, selbst so eine schlimme Satire-Zeitschrift wie „Titanic“ hätte derartiges zurücknehmen müssen.

Der Richter bleibt bei seiner Argumentation. Diese Kritik befinde sich noch im Rahmen der Meinungsfreiheit, in der selbst die falsche Meinung ihren Platz habe. Ein Mensch, der in der Öffentlichkeit wirkt, muß— das gilt für den Politiker wie für den Sänger — auch die herbste Kritik schmerzgeldfrei ertragen können. Dem Richter scheint der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 70.000 DM ungerechtfertigt. Er vergleicht den Sachverhalt mit dem Fall eines beinamputierten Unfallopfers, das im Höchstfall DM 10.000 als Schmerzensgeld erhält.

Allen im Gerichtssaal, außer dem ramponierten Anders und der Anderen, ist somit klar, daß die Klage abgeschmettert und unserem Thomas nicht mal ein kleiner Trost gewährt wird. Doch beharren beide nach kurzer Beratung auf ihrem Recht und drohen für den Fall des Unterliegens mit Berufung. Der Richter bleibt hart und weist die Klage ab.

Bleibt nur zu hoffen, daß eines Tages ein starker Mann kommt, der sich auf die Seite der wehrlosen Künstler stellt und — wie einst Rambo — gegen das Böse aus dem Medien-Dschungel kämpft. Vielleicht heißt dieser Rambo ja Dieter Bohlen. Denn, ich glaube gelesen zu haben, wie oben erwähnter Martin Brem unseren Dieter als „Rambo II“ beschrieben hat. Und was der Mann schreibt, scheint ja ebenso richtig wie rechtens zu sein.