Die Schöne und der Schlachthof


Nach 20 Jahren als femininer Folkie mit eher betulichen Texten pakt Penelope Houston nun in ihren Lyrics das Messer aus - und bleibt dabei doch ganz die liebende Ehefrau.

Ach, Penelope! In den 8oer Jahren versuchte die freundlich-charmante Lady aus San Francisco, dem etwas angestaubten Begriff „Folk“ eine möglichst radikale, neue Wendung zu verpassen, indem sie ihre Punk- und NewWave-Erfahrungen einfließen ließ. Und jetzt glaubt die knapp 40jährige, daß es höchste Zeit ist, dem antiquierten Folk einen Drumcomputer unterjubeln zu müssen, wegen Härte, Stringenz und so.

Penelope Houston, seit 20 Jahren im Musik-Biz tätig und nie über den Status des „ewigen Geheimtips hinausgekommen, hat nach über anderthalb Jahren Abstinenz jedenfalls ein neues Album („Tongue“) vorgelegt, das der Welt beweisen soll, daß sie musikalisch auf der Höhe der Zeit ist. Dafür hat sie sogar ihre Band aufgelöst, denn, so Mrs. Houston, „die hatten keine Ahnung von Loops und Beats. Wenn ich denen vorgeschlagen habe, daß wir einen Song einspielen sollten, zu dem die Leute auch in den Clubs tanzen können, haben sie mich nur völlig verständnislos angeguckt. Also war irgendwann klar, daß ich mit dieser Band nicht weiterarbeiten konnte.“

Statt dessen besorgte sich Penelope einen Drumcomputer aus der Steinzeit und fing an, neue Stücke zu komponieren. „Mit einem Mal“, freut sich die ehemalige Folk-Queen noch heute, „hatte ich unglaublich viel Raum für meine Stimme. Es war irre befreiend, mit einer Maschine anstatt mit einer Gruppe zu arbeiten.“ Denn, so Houston: „Es geht für einen innovativen Musiker doch in erster Linie darum, daß er sich soviele Freiheiten nimmt wie möglich, um offen zu sein nach allen Richtungen. Wenn ich nicht frei sein will, darf ich mich nicht ‚Künstler‘ schimpfen. Künstler zu sein bedeutet, daß man seine Persönlichkeit nach allen Richtungen hin offen halten muß.“

Sich auszuleben bedeutet im Falle von Penelope Houston auch, sich textlich komplett auszutoben. Spannend an „Tongue“ sind in der Tat vor allem die Lyrics, während die Melodien und Beats noch etwas dröge vor sich hin scheppern und den Hörer selten wirklich packen. Doch inhaltlich wagt die ehemals betuliche Folk-Chanteuseden radikalen Rundumschlag: Oralsex, abgrundtiefer Haß, widerwärtige Schlachthofszenen und sogar Vergewaltigung sind das Themendickicht, in dem sich die knapp 40jährige diesmal verfängt, ohne dabei verloren zu wirken. Im Gegenteil: Immer ehrlich, immer leidenschaftlich, immer herrlich subjektiv wirkt die „bekennende Optimistin“ in ihren Stücken.“Für mich als Texterin ist es interessant“, bekennt Penelope,“daß ich von Album zu Album offener und radikaler werde. Auch das ist ein Entwicklungsprozeß für einen Künstler. Der einzige, der mit meinen aktuellen Texten ein echtes Problem hat, ist mein Ehemann. Wir sind seit drei Jahren verheiratet, aber mit jedem neuen Text scheint er eine neue dunkle Seite meiner Seele kennenzulernen. Na ja, er stöhnt schwer bei jeder weiteren Plattenveröffentlichung von mir. Doch gleichzeitig kann er nichts dagegen tun. Schließlich wußte er schon aufgrund meiner früheren Veröffentlichungen, daß er es bei mir mit einer Vollblut-Emanze zu tun hat. Und Emanzen sorgen dafür, daß ihre Männer im Hintergrund bleiben und die Schnauze halten. Oder etwa nicht?“

Ganz ernst nehmen muß man solche Aussagen nicht. Letztendlich träumt nämlich auch Penelope Houston den bürgerlichen Traum vom Eheglück: „Ich möchte möglichst schnell Kinder kriegen, weil ich demnächst zu alt dafür bin, in einem schönen Haus mit Garten leben und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Natürlich ist es wichtig für uns Frauen“, stöhnt die Künstlerin gequält, „daß wir uns in einer männerdominierten Welt durchsetzen – egal, ob mit Witz, Aggression oder Ironie. Doch es gibt immer öfter Tage, an denen ich einfach keine Lust habe, den endlosen Geschlechterkampf stetig führen und vor Augen haben zu müssen. Es ist einfach anstrengend, immer kämpfen zu müssen.“