Die unzähligen Seitensprünge der Achers, von Console und Co.
„Ohne die Nebenprojekte würden Notwist wahrscheinlich nicht mehr existieren“, mutmaßt Martin Gretschmann, und Michael Acher meint: „Es würde sich schrecklich anhören, wenn man versuchen würde, alles hineinzupacken, was wir uns so vorstellen.“ Notwist ohne Nebenbeschäftigung wären wohl auch arme Notwist, karge Notwist, bereichern doch die Seitensprünge auch das Schaffen der Hauptband. Bereichert im eigentlichen Sinne werden die Gebrüder Acher vor allem durch die Unternehmung ihres Vaters, die New Orleans Dixie Stompers. Früher manches Mal unliebsame Verpflichtung, sorgt der zwischenzeitlich voll akzeptierte Job in Papas Kapelle dafür, dass Michael und Markus auch in den Zeiten zwischen zwei Notwist-Platten ein Einkommen haben. Dennoch blieb Zeit für so viel mehr: Das Projekt Village Of Savoonga, das auf der Weilheim-Landsberg-Achse unter anderem Hausmusik-Macher Wolfgang Petters und Notwist zusammenführt, lärmt und experimentiert ab 1993 auf drei Alben an fast allen Hörgewohnheiten vorbei. Gewaltige Instrumentalmusik schaffen die Achers mit dem Klarinettisten Rudi Mahall unter dem Namen Potawatomi; Michael Acher darf 19g; für sein leise tönendes Solo-Projekt Rayon Kritikerlob in (ein)geweihten Kreisen einheimsen. Er spielt auch die Posaune auf dem Debüt von Ogonjok (1996), das mit seiner Fusion von Pop, Jazz und Ambient direkt in das Tun und Lassen des Tied & Tickled Trios mündet. Dieses Trio, das aus Musikern von Ogonjok, den Slum Lords und dem renommierten Jazzer Johannes Enders besteht, wird zum erfolgreichsten Projekt der Acher-Brüder. Es folgen bis heute drei Alben, die sich beim Jazz und Postrock genauso selbstverständlich bedienen wie im Dub und sonstwie gearteter „minimaler Musik“. Das Kontrastprogramm: Digi-Pop, Grooves und Bleeps führen Lali Puna gelungen zusammen. Das meinen sogar Radiohead. Und wieder mischt ein Acher-Bursch mit: Michael an der Seite seiner Lebensgefährtin, der Sängerin und Keyboarderin Valerie Trebeljahr. Nicht zu vergessen: Martin Gretschmanns Projekt Console. Es ist indessen so weit gediehen, dass sein richtiger Name vielen gar nicht geläufig ist: Ob die Coverversion eines Tocotronic-Songs („Freiburg V 3.0“), Remixe von Blümchen(l) bis Depeche Mode, diverse Hörspiele oder eigene Songs, die ein weites Feld von Retro-Elektronik über Frickel-Breakbeats bis hin zu Ambient abstecken – wo man auch hinkommt: Console war meist schon da.