Die wichtigsten Debütalben des Jahres 1966
Mit Small Faces, The Mamas & The Papas und Buffalo Springfield veröffentlichten 1966 drei der wichtigsten Bands der 60er-Jahre ihre ersten Alben – und beeinflussten den Sound der Folgezeit maßgeblich. Andere Debüts wie die von The Music Machine oder The Monks werden bis heute als Geheimtipps weitergereicht.
Tim Hardin – 1
Tim Hardin war ein Suchender, und es dauerte, bis er zum ersten Mal fand. In den frühen 60er-Jahren spielte er seine (und andere) Blues-Songs in den Cafés von Greenwich Village, wurde schließlich von Columbia unter Vertrag genommen. Der nächste Elvis, so sagte John Sebastian von The Lovin‘ Spoonful damals, könnte Hardin werden. Warum Columbia die Platte nie veröffentlichte, ist unklar. Vielleicht lag es an Hardins Heroinsucht, vielleicht auch daran, dass der Mix aus Country, Folk und Jazz kommerziell nicht vielversprechend erschien. Hardin ging einige Monate später erneut ins Studio, diesmal für das neue, progressivere Verve-Unterlabel Forecast. Sein Sound unterscheidet sich dabei grundlegend von dem früherer Aufnahmen: Hardin spielt gut ausgestatteten Folkrock, der mal völlig in sich ruht, um im nächsten Moment mit Volldampf in den Abgrund zu donnern. Die besten Momente des an guten Momenten nicht armen Albums: „Smugglin’ Man“, bei dem man erkennt, wie viel Sinn es ergab, mit Earl Palmer einen gestandenen Rock’n’Roller als Drummer zu buchen, das von Rod Stewart zum Hit gemachte „Reason To Believe“ und „Part Of The Wind“, eine beinahe klerikale Klavierballade. Die Sucht ließ Hardin nie los, 1988 starb er daran. Jochen Overbeck
The Association – AND THEN… ALONG COMES
Diese Platte ist vor allem die Platte ihres Produzenten. Curt Boettcher, der später mit seinen eigenen Projekten The Ballroom und The Millennium das Wirkprinzip des sogenannten Sunshine Pop zur Vollendung brachte und als einer der ganz großen Studio-Zauberer des amerikanischen Pop gilt. Er arrangierte um das enorme Talent der Kalifornier Songs, die den Folkpop von Kollegen wie dem Kingston Trio oder We Five mit leichten Psychedelica und rhythmischer Finesse anreicherten. In „Blistered“ schlägt einmal kurz die Garage durch, in „Standing Still“ dreht die Percussion Extrarunden, ansonsten ist dieses Album eine watteweiche Angelegenheit, die mit Tandyn Almers „Along Comes Mary“ – ja, das coverte viele Jahre später die Bloodhound Gang – und „Cherish“ zwei Hits abwarf. Für The Association war das Album der Beginn einer großen Karriere – mehr als 30 Millionen Platten verkaufte die Band über die Jahre. Mit Boettcher zerstritt sich die Band – man sagt, er wollte ihnen nicht die erwünschten künstlerischen Freiheiten einräumen, was Sinn ergibt, wenn man diese Platte hört: An einigen Stellen war Boettcher mit den Vocals so unzufrieden, dass er selbst noch einmal Backgroundgesang beisteuerte. Jochen Overbeck
The Mamas & The Papas – IF YOU CAN BELIEVE YOUR EYES AND EARS
John Phillips war bereits eine bekannte Figur im amerikanischen Pop, als er 1965 das Quartett The Mamas & The Papas gründete – nur an Hits fehlte es ihm bisher. Ein Song änderte das schlagartig: „California Dreamin’“, 1963 geschrieben, zunächst an Barry McGuire abgegeben und schließlich doch selbst veröffentlicht, erreichte Anfang 1966 Nummer vier der amerikanischen Charts. Das zugehörige Album, das auf den britischen Jungferninseln gemeinsam mit dem Produzenten Lou Adler entstand, war da schon längst im Kasten – und überzeugt auch heute noch vor allem durch seine Geschlossenheit: Adler und Phillips, der selbst die Arrangements schrieb, gossen die unglaublich präzisen Vokalharmonien in sanften Folkpop, für den sie die Präzisionsmaschinisten der Wrecking Crew buchten. Dass das Material größtenteils aus Coverversionen besteht, war seinerzeit üblich und machte den kommerziellen Erfolg der Platte wohl erst aus. Für einen Skandal sorgte das Artwork der Platte: Die Abbildung einer Kloschüssel erschien so unerhört, dass einige Plattenhändler sich weigerten, das Album in die Auslagen zu stellen, das Cover musste modifiziert werden. Jochen Overbeck
Love – LOVE
Tatsächlich stand Mitte der 60er dieser ultimative Bandname noch zur Auswahl, also griff en die Kalifornier um die Sänger und Songwriter Arthur Lee und Bryan MacLean zu. Verschiedene Karriere Unwägbarkeiten sollten jedoch dafür sorgen, dass der „Summer Of Love“ trotzdem nicht der ihre werden würde – trotz ihres psychedelischen ’67er-Meisterwerks FOREVER CHANGES. Ihr Debüt LOVE war noch ein gutes Stück entfernt von dessen barocker, verwunschener Schönheit. Es macht stellenweise sogar noch einen zerrissenen Eindruck, weil Love nicht so recht wussten, was sein und was werden. Byrds-Jünger, Protopunks (die das von Bacharach/David geschriebene „My Little Red Book“ seiner wahren Bestimmung zuführten), Surfrock-Instrumentalisten oder späte Beat-Klopfer? Ein dramaturgisch überzeugendes Album wollte ihnen deshalb noch nicht gelingen. Aber dass sie in fast all diesen Disziplinen überzeugten und atmosphärisch dicht wie kaum eine andere Gitarrenband dieser Tage klangen, das konnte man durchaus auch 1966 schon hören. Oliver Götz
Buffalo Springfield – BUFFALO SPRINGFIELD
Eines der Alben, das den Begriff „Folkrock“ am schlüssigsten erklärt. Und eines der Alben, das zwei der wichtigsten Protagonisten des amerikanischen Rock der nächsten drei Dekaden vorstellt, die sich mehr oder weniger zufällig auf den Straßen von Los Angeles begegneten. Neil Young, der Kanadier mit dem Rock’n’Roll-Schlag, schreibt mit „Leave“, „Burned“ und „Nowadays Clancy Can’t Even Sing“ zwar drei der interessantesten Songs der Platte – auf unterschiedliche Art und Weise triggern sie Traditionen des American Songbooks an –, und ist auf drei Songs zu hören. Die Rolle des Leadsängers trauten die Produzenten ihm aber nicht zu – „weird“, so sagten sie, sei seine Stimme und ließen stattdessen lieber Richie Furay ans Mikro. Die meiste Kreativarbeit erledigt aber Stephen Stills, der – Fun Fact – eigentlich bei den Monkees einsteigen sollte. Die Single „For What It’s Worth“, die erst 1967 auf die zweite Auflage des Albums gepresst wurde, bezieht sich angeblich auf die Riots auf dem Sunset Strip. Jochen Overbeck
Small Faces – SMALL FACES
Es ist nicht so, dass das, was die Small Faces auf diesem Album machten, auf irgendeine Art und Weise neu war. Sie spielten jenen zackigen R’n’B, der in den zwei Jahren zuvor die Londoner Clubs dominierte. Ihr Verdienst liegt vielmehr in zwei anderen Punkten. Zunächst einmal gab es nur ganz wenige Bands, die ein Händchen für so ein präzises Timing besaßen. Songs wie die Debütsingle „What’cha Gonna Do About It“ oder „It’s Too Late“ verbanden sie mit Coverversionen und Fremdmaterial, gleich drei Songs stammten aus der Feder von Kenny Lynch. Vor allem aber waren die Small Faces Charismatiker vor dem Herrn. Zackig gekleidete Mods, die den Style einer Jugendbewegung in den Mainstream trugen und gleichzeitig musikalisch einiges anstießen. Man hört auf dieser Platte nicht nur die DNA dessen, was später bei den Faces passiert, sondern in Songs wie „You Need Lovin’“ auch Led Zeppelin vorweg. Jochen Overbeck