Dieter Meier


Für Yello-Stimme Dieter Meier war das Blind Date mehr Leid als Freud: Der Schweizer Musik-Exzentriker mit seinem immer noch modischen Pferdeschwänzchen kam sich schon wie ein "negatives Arschloch" vor, als er für ME/Sounds aktuelle Popmusik kommentieren sollte. Lediglich Tracy Chapman fand seine Zustimmung.

Deborah Saison & MCL: „(Carmen) Danger In Her Eyes“

„Das Ding ist wie gesalzener Pudding — mischt sich überhaupt nicht. Hier haben wir die ganz öde Idee, klassische Musik mit ausgelutschtester Disco zu kombinieren. Das ist sozusagen der rock bottom, der absolute Tiefpunkt musikalischer Hervorbringungen: ich kann mir Schlechteres kaum vorstellen.“

Vuzz: „Stand up For Vour Lovee Rights“

„Konfektionsware von vorgestern: Maschinen-Standards geistig leergebrannter Studios mit einer nicht inspirierten Stimme. So langweilig, daß ich es sogar auf einer langen Autobahnfahrt abstellen würde.“

Die Toten Hosen: „Hier kommt Alex“

„Pseudo-engagierter Text mit hundertmal gehörten Inhalten und ein klassisches Beispiel für deutsche Kraut-Musik. Die geht zwar irgendwie ab, ist aber für mich absolut ungenießbar, weil sie keinerlei Frische oder Originalität hat. Die Leiche ,Krautrock‘ wird durch die Spielweise vielleicht noch einmal belebt, kann mich aber trotzdem nicht begeistern.“

Boys In Trouble: „Ups/Downs“

„Grausam. Ein weiteres Produkt aus dem Tal der toten Ohren. Grausam, grausam, grausam. Es tut mir leid, sowas zu sagen, weil ja Leute dahinterstehen, die versuchen, da ihre ganze Seele hineinzulegen. Ich will ihnen eigentlich gar nicht wehtun, aber ich will auch ehrlich sein — und irgendwie ist denen ja nicht geholfen, wenn man sagt, daß man das gut findet. Das hat nichts mit ihrem Herzen und ihrer Seele zu tun, sondern ist eine von weiß-der-Teufel-wem angeklebte Jacke, in der sie durch die Welt spazieren und eigentlich gar nicht wissen, wer sie sind.“

Ellis, Beggs & Howard: „Where did Tomorrow Go?“

„Das klingt nach müden alten Männern — unter dem Motto: alles in die Latzhose! Musikalisch absolut nicht festmachbar, ob das von heute ist oder von vor 20 Jahren. Da wird um Slalomstangen herumgefahren, die schon so lange im Regen stehen, daß sie längst keine Farbe mehr haben,“

Tracy Chapman: „Baby l can Hold you“

„Nicht zu verkennen: Tracy Chapman. Das ist ja immerhin schonmal etwas, wenn jemand eine Identität hat. Ich finde Tracy Chapman wunderbar — und ich finde es auch wunderbar, daß der Trend zur Maschinen-Gläubigkeit unterbrochen ist, weil viele Leute diese Maschinen nicht spielen, sondern von den Maschinen gespielt werden.

In der Produktion dieses Songs liegt natürlich die Gefahr einer gewissen Glätte, die mir in ihrem Zusammenhang überhaupt nicht gefällt. Man kann nur beten, daß sie keinen US-Produzenten in die Hände fällt, die Wolkenkratzer aus Zucker um ihre Lieder bauen.“

Enya: „Orinoco Flow“

„In den letzten fünf Jahren habe ich das Wort ‚grauenhaft‘ nicht so oft gebraucht wie in den letzten fünf Minuten! Die Verlogenheit, mit der hier alte englische Musik verbraten wird! Erinnert mich an diesen Italiener, Branduardi, der immer aus Renaissance-Melodien geschöpft hat und mit der Geige über die Bühne gerannt ist — furchtbar! Eine physische Qual für mich: Ich würde mir eher von einem iranischen Schläger Hiebe versetzen lassen als das nochmal anzuhören.“

Laibach: „Sympathy For The Devil“

„Ist lustig, ist irgendwie eigen, aber mir doch ein bißchen zu sehr auf der kabarettistischen Ebene — zu sehr Verballhornung. Kommt mir genauso vor wie die Kostümierung von Laibach: ein bißchen unbedacht. So ganz wohl ist mir bei denen nicht: Ihr ganzes Auftreten als Mischung zwischen Hitler- und Stalin-Jugend ist für mich das unreflektierte Spiel mit einer Vergangenheit, die man meiner Meinung nach anders anfassen müßte.“

Keith Richards:

„I Could Have Stood You Up“

„Eine einigermaßen witzig belebte Nostalgie-Kiste: gute Unterhaltung im mittleren Westen, bei viel Bier und Hamburgern in irgendeiner Kneipe, 200 Meilen von der nächsten Stadt entfernt. Oder wenn du mit dem Auto ins Morgengrauen fährst, und vor dem violetten Himmel leuchtet ein Plakat: „Budweiser — The breakfast of Champions‘.“

U 2 & B.B. King: „When Love comes To Town“

„Das klingt wie inspirierte Rentner, die sehr viel Spaß bei dem haben, was sie machen — Motto: Wir leben noch.“