Interview

Dillon im Interview: Schicht für Schicht, Leute!


Dillon im Gespräch über neue Leichtigkeit und alte Kämpfe. Plus: Im Juni gibt sie fünf Konzerte in Deutschland.

Dillon wollte nach fünfjähriger Albumpause auf ihrem vierten Werk elektronischen Schönklangs einfach zu mehr Selbstfeierei finden. Was ihr allerdings gar nicht so leicht fiel …

„Es ist doch so: Man hat nur eine gewisse Anzahl an Geschichten zu erzählen, bis neue dazukommen“, bringt die Deutsch- Brasilianerin ihr Problem beim Songschreiben auf den Punkt. Dillon ist seit jeher die Nähe zu sich selbst in ihrer Musik wichtig. Jede Platte soll auch ein persönliches Zeitdokument der Sängerin und Pianistin sein. 6ABOTAGE behandelt ihren Wunsch nach mehr Geduld, nach Selbstakzeptanz, nach dem Sich-Wiederfinden.

Die Lyrics der dringlich-glühenden Tracks verhandeln die Themen mal optimistisch und mit der Ansage, dass in der Gemeinschaft eine Kraft liegt, und mal mehr in der sich windenden Introspektive, die sich erst mal selbst zur Reflexion überreden muss. Eine einzige Überschrift für Text und Vibe des Werkes zu finden, wäre aber hinfällig. Denn Dillon will vor allem protestieren: „Ich mache seit über zehn Jahren Musik und meine Erfahrung als Frau in der Musik ist es, dass alle eigentlich von einem wollen, dass man nur eine Ebene hat. Bei mir war das die Melancholie. Überall wurde das Wort im Zusammenhang mit mir benutzt. Für mich ist das nicht facettenreich und dagegen will ich angehen.“

Lie Ning im Interview: „Ich habe jetzt erst verstanden, was Musik für mich sein kann“

Tatsächlich wirken Dominique Dillon de Byingtons neuen Stücke so voller Layer, dass es einfach nur Laune macht, sich von einem zum nächsten zu blättern. Zusammen mit dem Produzenten Alexis Troy (RIN, Giant Rooks) schuf sie ein Album, bei dem sie selbst ganz überrascht war, dass das nach KIND als Nachfolger aus ihr herauskam. Doch auch wenn sie wieder die eigenen Traumata anpikste, half ihr das Arbeiten am Album als Duo. „In der Vergangenheit bin ich nach dem Aufnehmen eines Songs oft in ein Loch gefallen und diesmal blieb das aus. Durch das Teilen konnte ich mich treiben lassen und wusste – ich kann jetzt so tief abrutschen, wie ich will, danach wird es mir aufgrund Alexis’ Kraft nicht so schlecht gehen.“

Dillon steht aktuell eben auch für so etwas wie Leichtigkeit. Selbst wenn sie häufig darüber nachdenkt, wie sich globale Krisen entwickeln und dabei mehr als nur ihre Tourpläne beeinflussen, will sie sich doch nicht ganz der Schwere hingeben. „Die Jahre davor waren derart düster und während die Musik alles zusammenhielt, fiel ich im realen Leben auseinander. Dass es jetzt andersherum ist, ist zumindest für mich gesünder“, fasst sie die Entwicklung zusammen.

HipHop-Recap: Die aufregendsten Releases der Woche
Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Dennoch macht sich Dillon Sorgen, ob es da draußen noch genügend Leute gibt, die sich die Zeit nehmen, um sich ihre Platte anzuhören. Befreundete Künstler*innen hätte sie schon mit aktuellen Alben ertrinken sehen. Sie selbst erhofft sich dennoch Zuhörende, die sich mit Aufmerksamkeit ihrer neu erkämpften Selbstakzeptanz ebenso wie ihrer Zerrissenheit widmen. Denn diese Balance ist schon etwas Neues für die Musikerin – und immer wieder begegnet sie Fans, die sie ungläubig anschauen. „Die wollen wissen, wo das Mädchen mit den Pailletten ist.“ Ganz klar: Das gibt’s nicht mehr.

Mit ihrem Album 6ABOTAGE geht die Wahlberlinerin auch auf Tournee – präsentiert vom MUSIKEXPRESS.

Musikexpress präsentiert: Dillon auf Tour 2023

  • 09.06.2023 Leipzig, Täubchenthal
  • 10.06.2023 Hamburg, Mojo
  • 11.06.2023 Berlin, Heimathafen
  • 12.06.2023 Köln, Gloria
  • 13.06.2023 München, Technikum

Tickets und weitere Infos unter www.mct-agentur.com.

Dieser Text erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 04/2022. Hier bestellen.