Disco 2000


Wer "rockte" "das Haus" zum Anfang des Millenniums?

Wer rockte die Party im Jahr 2000? Alle? Keiner? Oder beide gemeinsam? Eher letzteres, denn megabrandneuhippe Trends im weiten Feld des Techno blieben auch im angelaufenen Jahr aus. Gleichwohl entwickelten sich in einer ausdifferenzierten Welt die kleinen und kleinsten Subgenres Schrittchen für Schrittchen nach vorne. Ein raumgreifender Doppelschritt gelang dabei endlich auch außerhalb von England der 2Step-Fraktion: Erst als Designer-Drum’n’Bass für die grassierende Manie der After-Work-Parties verspottet, erkämpfte sich die gewienerte Mischung aus Ragga, R’n’B, Jungle und Soul spätestens durch die geniale Inszenierung von Artful Dodger auch einen Platz in den Herzen der Musikliebhaber – im Fernsehen liefen Leute wie Craig David eh schon.

Da wollten die altbewährten Junglisten natürlich auch nicht hintan stehen und bliesen zum Gegenangriff gegen den Sunnyboy aus der eigenen Verwandtschaft: Ewigkeiten nach der Jungle-Explosion Mitte der Neunziger bot das Jahr 2000 mit dem Photek-Album, der LTJ Bukem-Veröffentlichungsflut und den Arbeiten der Bristoler Füll Cycle-Crew um Roni Size und Krust so viel klasse Zeug wie lange nicht mehr. Das Total Science-Duo lotete vom Jungle aus neue Grenzen aus und traf dabei auf alte Bekannte wie Gilles Peterson. Der veröffentlichte zum Zehnjährigen seines Talkin‘ Loud-Labels das fette Doppelalbum „GP Worldwide“ und zählte wieder zu den Guten. Nu Jazz hieß der neue Markenname, und seit der Streichung der Vorsilbe „Acid“ klingen alte Bekannte zwischen München (Compost) und San Francisco (Ubiquity) wieder frisch und inspiriert.

Ähnliches ließe sich vom nimmermüden TripHop nur in Ansätzen behaupten. Während gepflegte Langeweile via Werbespots auch im Wohnzimmer deiner Eltern ertönte, entwickelten sich die innovativen Vertreter entweder völlig in Richtung Pop weiter (Morcheeba), oder verstärkten Ecken, Kanten und den Weirdo-Faktor (Tom Tyler, DJ Koze). Oder – und das ist vielleicht der beste Weg – sie verfeinerten ihr Konzept zu einem versponnenen, zauberhaften Beats-Gespinst – siehe (und vor allem höre) die Duos Tosca (Österreich, Meisterwerk: Suzuki) und Thievery Corporation (USA, Meisterwerk: The Mirror Conspiracy). Noch breiter das Spektrum beim House: lan Pooley goes Brazil, Isolee und der Rest der Playhouse-Posse verfeinern ihr Minimal-Dub-Konzept zu immer filigraneren und besseren Werken, Frankreich zaubert weiter (Etienne De Crecy), und sogar aus den USA weht ein frischer Wind (mit dem famosen „R.Hide In Plain Site“ meldete sich Romanthony zurück). Und zwei Übersiedler aus Kanada brachten Superstarpotenzial in Berlins Neo-Electro-Szene: Peaches und Gonzales haben Style, reißen Genregrenzen nieder – und rocken 2001 das Haus. Ihr werdet sehen.