Dog Eat Dog
Wenn du als erster auf die Bühne mußt; wenn du dich dort wegen hinten herumstehenden Instrumente der nachfolgenden Band(s) kaum bewegen kannst; wenn die Halle noch halb leer ist; wenn der Mixer der Hauptgruppe zwischen Soundcheck und dem Auftritt seiner Band zum Abendessen geht und der den Sound vermantscht, weil er sich am fremden Pult nicht auskennt; wenn du bestenfalls das halbe Licht und eine dreiviertel Stunde Zeit zur Verfügung hast; und schließlich: Wenn du weißt, daß alle Zuschauer nur für die Hauptgruppe gekommen sind – dann ist dir klar: Es ist wirklich kein Einfaches, Anheizer zu sein. Mit diesen geballten Widrigkeiten setzen sich Dog Eat Dog derzeit beinahe täglich auseinander. Eine halbe Stunde lang müssen sie ab halb acht vor noch halbleerer Halle für die Neo-Punks Goldfinger und No Doubt ran – ein denkbar undankbarer Job also. Aber Sänger John Connor, Saxophonist Scott Mueller, die Gitarristen Mark de Baecker und Sean Kilkenny, Bassist Dave Neabore und Drummer Brandon Finley macht das alles nur wenig aus: Unbekümmert, frisch und selbstbewußt stehen Dog Eat Dog da vorn und spielen drauflos. Ach was: stehen und spielen. Blödsinn! Sie springen und hüpfen, toben und fetzen, daß man sie – rein interessehalber, versteht sich – zum Dopingtest schicken möchte. Doch der Überschwang ist weniger auf toxische Substanzen denn auf firme Psyche zurückzuführen. Dog Eat Dog haben allen Grund zu Selbstbewußtsein und Optimismus. Schon mit ihrem Debüt ‚All Bora Kings‘ wurde die Newcomerband 1995 von MTV Europe zum „Breakthrough Artist Of The Year“ gekürt – sowas stärkt die Moral. Dog Eat Dog sind mit dem Phänomen konfrontiert, in ihrem Heimatland USA unbekannter zu sein als in Europa sowas fördert den Ehrgeiz. Und schließlich: Dog Eat Dog sind New Yorker – so ein Heimspiel macht stolz. Allein mit ihrer Energie und Euphorie gewinnen die sechs HipHop-Metaller das wachsende Auditorium. Alle technischen Beschränkungen und taktische Überlegungen scheinen ihnen abzugehen: Mit geradezu überschäumender Euphorie knallen sie der Menge ihre hochenergetische Mischung aus Rap und Rock in acht Songs entgegen – Dog Eat Dog machen aus ihrer halben Stunde das Beste. Bisweilen schießt man in punkto Bühnen-Action gar etwas übers Ziel hinaus: Für ‚Step Right In‘ steht plötzlich Drummer Finley zusätzlich vorn am Mikro, während hinten am Schlagzeug ein Roadie aushilft, bei ‚Getting Live‘ drängen sich neben Sänger Connor noch zwei Gastrapper auf der Bühne.
Leider geht dabei im dicken, matschigen Soundbrei jede Nuance verloren. Alles, was erkennbar bleibt, sind die griffigen Harmonien der Refrains. Das nach und nach in die Halle strömende Publikum läßt sich dadurch aber kaum stören – es steigt munter ein und macht mit. Es ist noch jünger als die Band selbst, und wahrscheinlich kommt deswegen niemand auf den Gedanken, Dog Eat Dog mit INXS zu vergleichen. Trotzdem, auch wenn’s auf den ersten Blick abwegig klingen mag: Die Bläsersection, die Kraft im Ausdruck und die Geradlinigkeit der Songs erinnern an die australischen Powerrocker. Das ist durchaus als Kompliment gedacht: INXS-Konzefte gehörten Mitte der Achtziger zum besten, was man so sehen und hören konnte.