Dreimal New York im Kino


Kultbücher könnten Kultfilme werden. Drei Wälzer kommen ins Kino. Sie handeln vom Leben in Big Apple New York - kein Stoff für die Touristenwerbung.

Entweder du hast ein eigenes Appartement in New York oder du bist Sklave von einem, der dich bei sich einziehen läßt. Wenn nicht wegen der Wohnung, dann gerätst du vielleicht wegen einer Beziehung unters Joch oder weil die Entdeckung deiner gemalen Kunst längst überfällig ist. Jeder ist Sklave in New York. Jeder braucht irgend etwas oder irgend jemanden, um dagegen anzukämpfen.

„Großstadtsklaven“ ist der erste von drei neuen Filmen, die nach Büchern entstanden, die das Leben in New York beleuchten. Die Hauptfiguren sind angesiedelt in extrem gegensätzlichen Vierteln und sozialen Verhältnissen, gemeinsam sind ihnen die massiven Existenzängste bekannt.

„Slaves of New York“von Tama Janowitz vor drei Jahren wurde das als eines der Ereignisse der neuen amerikanischen Literatenszene gefeiert. Andy Warhol hatte die Filmrechte an fünf der Kurzgeschichten aus der Sklaven-Galerie erworben. Warhol starb im Februar 1987, noch bevor er mit dem Filmen hatte beginnen können. Jetzt griff das Team James Ivory (Regie) und Ismail Merchant (Produktion) zu, das sich mit stillen Werken wie „Zimmer mit Aussicht“ oder „Maurice“ über die Grenzen der USA hinaus einen Namen machte. „Gorßstadtsklaven“ dreht sich um die frustrierte Eleanor (Bernadette Peters) und ihren selbstverliebten Freund – und Wohnungsgeber – Stash (Adam Coleman Howard). Stash malt Popeye auf große Leinwände und bereitet sich auf die Ausstellung vor, die den Durchbruch bringen soll. Eleanor flickt Hüte aus Müll zusammen und führt den Hund aus (Foto links). Mangelnde Authentizität kann man dem Film nicht vorwerfen, dafür sorgen schon Downtown-Größen wie Stephen Sprouse, Diane Brill und Tama Janowitz (Drehbuch und Nebenrolle) persönlich. Manirierte Split-Screen-Techniken und der distanzierte Blick des Regisseurs lassen allerdings dem Wahnsinn keine Chance, der im Buch oft aufblitzte.

„Wahnsinn“ ist ein Begriff, den der Münchner Produzent Bernd Eichinger benutzt, wenn er beschreibt, was ihn an „Last Exil to Brooklyn“

fasziniert. Hubert Selby jr. veröffentlichte seine Geschichten aus dem Hafenmilieu von Brooklyn vor 30 Jahren. Er schrieb über eine Gang, die Matrosen blutig prügelt und sie dann ausnimmt. Über eine Tunte, die von dem Kerl, den sie verehrt, fast umgebracht wird und trotzdem nicht locker läßt und über ein Flittchen, das vor einer Spelunke totgefickt wird. Wenig überraschend: Kein amerikanischer Produzent wollte das verfilmen. Als der Münchner Eichinger und Regisseur Uli Edel („Die Kinder vom Bahnhof Zoo“) anklopften, glaubte Selby jr. nicht daran, daß etwas daraus werden könnte. Eichinger, der „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ am 12. Oktober in die deutschen Kinos bringt, produzierte ganz ohne Hollywood-Geld. Jetzt muß er sein „ehrgeizigstes Projekt“

auch den Amerikanern verkaufen, um einen drohenden finanziellen Exit abzuwenden.

„The Bonfire of the Vanities“ von Tom Wolfe schließlich pendelt zwischen Manhattan und Brooklyn. Der Wall Street-Broker mit schicker Frau und Appartement auf der Park Avenue wird mit seiner Geliebten in einen Autounfall in Brooklyn verwickelt. Wolfes filigran ausgebreitetes 650-Seiten-Sittenbild sollte ursprünglich von Adrian Lynne („Eine verhängnisvolle Affäre“) in Szene gesetzt werden, jetzt bereitet sich Brian DePalma („Scarface“) darauf vor.

Gemeinsam mit „Do the Right Thing“ von Spike Lee und den „New Yorker Geschichten“ von Woody Allen & Co. wimmelt es geradezu von Filmen, die sich bemühen, New Yorker Lebensgefühl einzufangen. An Publikum dafür mangelt es selten. Denn das Nächstbeste zum Sklavenleben in New York ist das Träumen davon.