Dunkelziffer
Die Geschichte des neunköpfigen Ensembles ist schnell erzählt: 1981 von vier Kölner Musikern gegründet. Proben in der Chemischen Fabrik Kalk (Sommer ’81). Aufnahmen mit dem später verstorbenen Reebop Kwaaku Bah, erste Konzerte in Köln und Umgebung, Maxi („Im Stil der neuen Zeit“) bei Pure Freude, Beteiligung am Spex-Sampler mit der Hitverdächtigen Shadows-Coverversion „Shadogs“, LP COLOURS AND SOUL bei Boots, neue LP IN THE NIGHT im Spätherbst ’84…
Was gibt die Faktensammlung her? Nicht viel! Mit dem biographischen Meißel kann man das Wesentliche diesmal nicht freilegen. Denn Dunkelziffer ist etwas Besonderes – eine Diva unter den Kölner Bands, wie der FC phantastisch, wenn’s läuft – und miserabel, wenn’s nicht läuft.
„Jenseits einer von BAP glorifizierten diffusen Südstadt-Romantik“, so ihr Verlagsmentor Werner „Goldie“ Balzert, gehört Dunkelziffer zu einer „engagierten Szene von Malern, Film- und Videokünstlern, Autoren und Musikern“, die sich an dem kreativen Knotenpunkt Stollwerck treffen.
Die Mitglieder – deren Geschichte in die verschiedensten Bands zurück – und weiterreicht (Traffic, Can, The Food Band, Fehlfarben, The Unknown Cases…) – lassen Industrie Industrie sein und musizieren ohne Zugeständnisse an Mode. Trend, Image, die gängigen 4/4-Schemata.
Was am Ende in Vinyl gepreßt wird, so mutmaßt Gitarrist Dominik von Senger, gehorcht einer allgemeingültigen „Musikphysik, die in China ebenso gilt wie in Argentinien oder – bei gleichen akustischen Bedingungen – sogar im All.“
Dunkelziffer-Stücke, die bislang unter minimalen technischen Voraussetzungen, immer aber ohne äußeren Druck entstanden, sind ein Sammelbecken für die verschiedensten Einflüsse: Polyrhythmen aus Afrika und der Karibik. Pop-Melodik. Funk-Splitter. Reggae-Groove. Jazz-Arithmetik, Rock-Tradition…
Dennoch paßt die scheinbar improvisierte, frei entwickelte, sich selbst arrangierende Musik in keine Begriffsschublade. Ebenso unorthodox wie die wüsten, schwer dechiffrierbaren Strichmännchen-Cover des Südstadt-Maestros Klaus Winterfeld, der für die Dunkelziffer-Gestaltung zuständig ist. sind auch die Kölner selbst. Sie haben nichts gegen die Industrie, glauben aber, „daß es zur Zeit keinen gibt, der so wie wir sind, mit uns zusammenarbeitet. „
Aus diesem Grund haben sie sich dem von Efa-Mitarbeiter Pit Mans gegründeten Winzlabel“.Fünfundvierzig Schallplatten“ anvertraut. Daß ihre neue, mit dem aus der Versenkung aufgetauchten japanischen (Ex-Can) Sänger Damo Suzuki aufgenommene LP IN THE NIGHT bessere Vertriebs-Möglichkeiten verdient hätte, steht auf einem anderen Blatt.
Die entschlackte, geschmackvoll arrangierte, sehr relaxte, sehr atmosphärische Musik wirkt trotz der Größe des Line-ups nie überfrachtet. Sie ist. so betont die Band, ein unverzerrtes Spiegelbild ihrer Klangsuche. Dunkelziffer-Musik kann man, so der gute Balzert, „laut oder leise hören, in dunklen Räumen und im hellen Sonnenlicht. Man kann Schönheiten immer wieder neu entdecken.“