Was Ihr über den ECHO 2018 vor seiner Verleihung wissen müsst
Sagt nicht, wir hätten Euch nicht gewarnt!
Der ECHO Pop 2018 steht vor der Tür, und mit ihm die gleichen Fragen wie in all den Jahren zuvor: Wer ist nominiert? Wie oft gewinnt Helene Fischer? Muss ich mir als eigentlich Musikinteressierter die Show vorm Fernseher wirklich geben? Wie peinlich oder unpeinlich wird das öffentliche gegenseitige Schulterklopfen der Majorlabels über die Bühne gehen?
Wir versuchen ein wenig Ordnung im ECHO-Wust zu schaffen und geben hier eine grobe Leitlinie für Donnerstagabend heraus. Ob Ihr die Preisverleihung des ECHO 2018 danach erst recht oder keinesfalls sehen wollt, müsst Ihr selbst wissen. Aber keine Sorge, falls Ihr auf der Couch einschlaft: Wir haben ECHO-Kritiker und Pop-Sphinx Linus Volkmann losgeschickt, um als rasender Reporter den ECHO aus nächster Nähe zu beschnüffeln. Falls er Freitag nach der Aftershow-Party wieder aufwacht, wird er auf musikexpress.de von seinen Erfahrungen berichten.
Was Ihr über den ECHO 2018 wissen müsst
ECHO 2018: Die Nominierten
Hier die komplette Übersicht. Die Favoriten unter den Nominierten in insgesamt 22 Kategorien sind Ed Sheeran und Bausa mit je vier Nominierungen. Kennt Ihr alle, habt Ihr Bock drauf? Cool, dann könnt Ihr ja auch gerne Vox einschalten! Aber bitte nicht vorher, sonst seht Ihr noch, wie in Werbeclips mit Hilfe von ECHO-Legenden (Udo Lindenberg) und solchen, die es gerne mal werden würden (Wincent Weiss) kläglich versucht wird, ein cooles neues Hashtag zu etablieren: Auf Twitter fanden sich bisher (Stand: Mittwoch, 11:34 Uhr) rund 70 Tweets mit dem Zusatz #ichguckecho – Postings von Vox selbst sowie Bot-Spam inklusive.
ECHO 2018: Die Liveauftritte
Welch Line-up: Beim ECHO 2018 werden Helene Fischer, Kylie Minogue, Jason Derulo, Rita Ora & Liam Payne, Luis Fonsi, Mark Forster & Gentleman, Rea Garvey & Kool Savas, Alice Merton und Shawn Mendes live auftreten! Moment: live? Naja. Wir gehen mal von solidem Halbplayback aus (Udo Lindenberg „singt“ ja diesmal nicht) und beschweren uns nicht, immerhin wird die Veranstaltung anders als im vergangenen Jahr live übertragen. Aber nicht, dass wieder wer ’nen Mittelfinger zeigt und Vox nicht schnell genug schneiden kann!
ECHO 2018: Die Gewinner (standen schon 2017 fest)
Helene Fischer, Depeche Mode, The Kelly Family, Ed Sheeran, Die Toten Hosen: Eine Alben-Veröffentlichung von Acts dieser Größenordnung gleicht einem Freifahrtschein fürs Folgejahr in die Messehallen Berlins – sofern sie der Einladung durch Nominierung denn folgen. Man muss also nicht Nostradamus sein, um schon im Laufe des Vorjahres zu wissen, wer beim jeweils kommenden ECHO eine Rolle spielen oder gar gewinnen wird.
Musiker, Grafiker und Grammy-Gewinner Klaus Vormann. Schade: Jan Böhmermann aka Jim Pandzko hat es mit seiner Industriemusikparodie „Menschen Leben Tanzen Welt“ trotz eindeutiger Absichten leider nicht unter die Nominierten geschafft. Dafür steht bereits fest, wer dieses Jahr den ECHO für sein Lebenswerk erhält: der
ECHO 2018: Die Newcomer (mit Dj Khaled und French Montana!)
Zumindest in der Logik der ECHO-Macher: Beide Künstler haben zwar bereits diverse Alben, Jahre und Charterfolge auf dem Buckel, aber „Newcomer ist nicht gleich Newcomer“, wie die Verantwortlichen uns auf Facebook antworteten und sich dabei scheinbar offen für Kritik gaben: „Um es kurz und knapp zu halten, können wir hier sagen, dass wir uns schlichtweg an unsere Regularien halten und manchmal offenbar auch Künstlerinnen und Künstler, die nicht mehr absolute Newbies sind, in die Kategorie Newcomer kommen können, weil sie das erste Mal den (Achtung, Kommerz!) Sprung in die Charts geschafft haben. Das mag richtig oder falsch sein, there’s always room for improvement, wir sehen uns das an!“
https://www.facebook.com/echo.musikpreis/posts/1969170859779638
ECHO 2018: Es geht gar nicht um die Musik!
Wie? Es werden doch Musiker, Alben und Songs prämiert? Dieses Jahr sogar unter dem Motto „Für Musiker von Musikern“!?
Tja, welch Farce: Die Majors schicken ihre Schachfiguren voran, die können schlecht „nein“ sagen, wenn sie weiter mitspielen wollen. Dass es bekanntlich um Qualität nicht geht beim ECHO, wird zwar jedes Jahr aufs Neue schmerzlich bewusst, 2018 aber besonders. Facebook-User Patrick Niemeier fasst das neue alte Problem in einem Kommentar auf unserer Seite so zusammen: „Ich bin mir sehr sicher, wenn Musiker (also welche mit popmusikalischer Relevanz und dem Willen zu einem künstlerischen Ausdruck) für die Nominierungen und das Konzept zuständig wären und nicht einfach nur die Acts die am meisten verkaufen konnten, dann wäre es ein anderes Event. Nach all der Kritik der Vorjahre und auch an den aktuellen Nominierungen ist ‚Für Musiker von Musikern‘ als Motto schon glatter Hohn. Denn der Echo mag viel damit zu tun haben, dass das Musikbiz sich gegenseitig ein wenig auf die Schulter klopfen möchte oder das PR-Rad ein wenig drehen, aber für Musik als künstlerische Ausdrucksform oder für Musiker, die sich abseits der Charts bewegen, interessiert sich das Format ja gar nicht.“
https://www.facebook.com/MusikexpressMagazin/posts/1702578773121542?comment_id=1702588189787267&comment_tracking=%7B%22tn%22%3A%22R0%22%7D
ECHO 2018: Keine Moderatoren mehr (Xavier Naidoo ist trotzdem wieder mit dabei)
Nochmal: Nachdem 2017 Sasha und Xavier Naidoo den angezählten ECHO in Grund und Boden moderierten, tun die Verantwortlichen theoretisch gut daran, immerhin diesen Teil ihres Konzepts zu überdenken und statt auf Moderatoren auf verschiedene Laudatoren aka Presenter zu setzen. Praktisch passiert aber, was oben geschildert wurde – und selbst der unsägliche Naidoo wird wieder mit von der Partie sein: Seine Band Söhne Mannheims ist mit ihrem Album MANNHEIM in der Kategorie „Band Pop National“ nominiert. Wir erinnern uns: Das war das Album, das Naidoo zuletzt medienwirksam zur Platzierung seiner kruden Botschaften nutzte.ECHO 2018: Der Kritikerpreis (ist auch nicht so cool, wie er sein könnte)
In schöner Tradition ist der Kritikerpreis beim ECHO auch dieses Jahr wieder ein eigentlicher Lichtblick, den die Öffentlichkeit nicht als solchen wahrnehmen wird: 2018 gehen Casper (LANG LEBE DER TOD), Feine Sahne Fischfilet (STURM & DRECK), Nils Frahm (ALL MELODY), Haiyti (MONTENEGRO ZERO) und Tocotronic (DIE UNENDLICHKEIT) ins Rennen um den von einer Fachjury verliehenen Preis. Ausgestrahlt wurde die Preisvergabe in dieser Kategorie bis 2016 nicht, sondern am Vorabend verklappt. Frei nach dem Motto: Was nicht genug Leute gekauft haben, interessiert auch keinen. 2017 landete sie doch im Hauptteil der Verleihung – und die Beginner als Gewinner machten sich prompt über ihren Preis und sich selbst lustig: „Wenn man bedenkt, was für miese Kritiken wir bekommen haben, als das Album rauskam, ist das der beste Treppenwitz, dass wir jetzt den Kritiker-Echo kriegen“, sagte Jan Delay.
ECHO 2018: Die Fachjury (entscheidet noch immer zwischen Pest und Cholera)
Ihr dachtet, es ginge bei der Gewinnerauswahl auch abseits des Kritikerpreises nicht ausschließlich um Verkaufszahlen, sondern um das Urteil einer geschätzten Fachjury? Nun, das dachten wir 2017 ebenfalls, wurden aber eines Besseren beziehungsweise Schlechteren belehrt. Denn: Ja, es gibt diverse Fachjurys, wohl um ein Mindestmaß an Restspannung aufrecht zu erhalten – aber die darf jeweils nur zwischen Pest und Cholera entscheiden, nämlich zwischen den pro Kategorie fünf meistverkauften und deshalb nominierten Acts. Auf der ECHO-Homepage erklärt der federführende BVMI das Prozedere genauer.ECHO 2018: Der Echo hat seine eigenen Wahrheiten
Fünf sogenannte Wahrheiten sind es, mit denen die ECHO-Verantwortlichen ihre Gewinnerauswahl in aller Kürze erklären wollen. ECHO-Wahrheit Nr. 4 etwa lautet: „Chartserfolge und Jurystimmen werden addiert und ergeben zusammen das Endergebnis eines Künstler respektive einer Band.“ Die Liste endet leider mit einer Lüge: „Auch klar, auch wahr, ob normalsterblicher Musik-Konsument oder berufener Musik-Experte: Am Ende sind wir alle Fans“, heißt es da – aus der Feder eines Wirtschaftsverbands, der keinen Hehl daraus macht, nichts anderes zu sein. Siehe unten.
ECHO 2018: Der Ethikbeirat (ja, es gibt wirklich einen!)
Woher soll man das auch wissen? Der Ethikbeirat des ECHO wurde 2013 erstmalig berufen, tagt in „Grenzfällen“ und entscheidet schließlich, dass die Südtiroler Band Frei.Wild wegen öffentlichen Drucks ausgeladen wird (und in Folgejahren einfach wieder nominiert und ausgezeichnet wird) und die Rapper Kollegah und Farid Bang trotz Textzeilen wie „mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ nicht nur nominiert bleiben, sondern auch live auftreten dürfen.
Wolfgang Börnsen, Sprecher des ECHO-Beirats, distanziert sich einerseits: „Bei der Nominierung der Künstler ‚Kollegah & Farid Bang‘ mit dem Album ‚Jung Brutal Gutaussehend 3‘ für den ECHO handelt es sich um einen absoluten Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und anderen elementaren Grundrechten. Wir stellen fest, dass dieses Album nicht auf dem Index der Bundesprüfstelle steht, schließen aber nicht aus, dass es noch eine behördliche Befassung geben sollte. Die Wortwahl einiger Texte, wie bei dem Titel ‚0815‘ auf der Beilage-EP ‚§ 185‘, ist provozierend, respektlos und voller Gewalt. Sie als Stilmittel des Battle-Raps zu verharmlosen, lehnen wir ab und möchten an dieser Stelle unsere deutliche Missbilligung gegenüber der Sprache und den getroffenen Aussagen unterstreichen.“
Mit dem folgenden Satz macht er sich, seinen Beirat und vorher Gesagtes aber irgendwie, nun ja, unglaubwürdig: „Nach intensiver und teilweise kontroverser Diskussion sind wir dennoch mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen, dass ein formaler Ausschluss nicht der richtige Weg ist.“ Warum? Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI, sagt es eindeutiger:
„Mit Blick auf ‚JBG3‘ hat sich dieser (Ethikbeirat, Anm.) nicht für einen Ausschluss von der Nominierung entschieden. Wir respektieren die Entscheidung, auch wenn die Sprache dieses Albums nicht unsere ist und wir Verständnis dafür haben, dass es viel Betroffenheit gibt. Es sollte dabei allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass der ECHO ein Preis ist, der auf Verkaufszahlen basiert. Die aktuelle Diskussion entzündet sich insofern am wirtschaftlichen Erfolg eines Produkts, also an der Wirkung und nicht an der Ursache. Es kann aber nicht Aufgabe eines Wirtschaftsverbandes sein, freiverkäufliche Produkte im Nachhinein zu be- oder entwerten.“
Kurzum: Was verkauft, gewinnt. Da helfen auch keine Juroren, Beiräte oder kritische Stimmen aus der Öffentlichkeit. So gesehen bleibt sich der ECHO nach all den Jahren treu. Und bleibt ein großes Ärgernis.
ECHO 2018: Public Viewing Deluxe (es gibt noch Restkarten!)
Wer trotzdem oder jetzt erst recht Bock auf den ECHO 2018 hat – weil: „POP LEBT, POP ATMET UND POP LÄSST SICH AUCH VON EINIGEN WENIGEN SCHREIBSÄUEN NICHT AUS DEM KONZEPT BRINGEN“, wie die für Konzept und Realisierung der ECHO-Verleihung 2018 verantwortliche Agentur Vaterblut auf Facebook in bester Til-Schweiger-Capslock-Manier rumhatete: Es gibt sogar noch Restkarten! Natürlich nicht für Plätze innerhalb der Messe Berlin. Sondern für die Public-Viewing-Party im Foyer nebenan. Für rund 50 Euro habt Ihr freie Sicht auf eine Großbildleinwand, eventuelle Nähe zum Roten Teppich („Selfies nicht ausgeschlossen!“) und, immerhin, Gigs von Alle Farben und Leslie Clio.
ECHO 2018: TV- und Stream-Termin
Die ECHO-Verleihung 2018 findet am 12. April in der Messe Berlin statt und wird um 20:15 Uhr auf VOX live übertragen. Ein Live-Stream wird über TV NOW angeboten. Der Streamingdienst ist anmelde- und kostenpflichtig: Nach einer 30-tägigen Gratis-Testphase kostet die weitere Nutzung der Mediathek der Sendergruppe (RTL, VOX, RTL2, Nitro, Super RTL, n-tv, RTLplus und TOGGO) 2,99 Euro pro Monat.