Edwyn Collins lloyd Cole & Julian Cope
Während manche Helden des britischen Pop ihren einstigen Erfolgen nachlaufen, gelingt Edwyn Collins mit 'A Girl Like You' ein unerwartetes Comeback.
They never come back. Oder eben doch. In den 8oer Jahren feierten Edwyn Collins mit Orange Juice, Lloyd Cole mit den Commotions und Julian Cope mit Teardrops Explodes größere Erfolge. Aber irgendwann wurde es um die Helden von der britischen Insel ganz still. Die Stille um die Herren Cole und Cope hält immer noch an, während ihrem Kollegen Collins mit ‚A Girl Like You‘ — eher zufällig — der Überraschungs-Hit des vergangenen Sommers gelang.
Seit ‚A Girl Like You‘ täglich mehrmals über jeden Radiosender westlich des Urals dudelt, ist Edwyn Collins plötzlich wieder wer. Der ehemalige Kopf von Orange Juice ist in seinen mittleren Jahren durch die radiotaugliche Glam-Soul-Nummer plötzlich zum Thema für die Teenieund Trend-Presse geworden. Dabei mußte ‚A Girl Like You‘ erst verschlungene Wege gehen, bevor es zum Hit wider Willen wurde. „Schon vor einem Jahr ist die Single in England erschienen, zunächst ohne Resonanz“, erinnert sich der Schotte, „dann wurde erst ein belgischer DJ darauf aufmerksam und später auch ‚Radio One‘ in England, und inzwischen hat der Song in fast allen europäischen Ländern die Top-Ten erreicht. Verrückt! Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, daß ich wahrscheinlich keinen Nachfolge-Hit haben werde“, sagt Edwyn Collins lachend. Der 35jährige kennt das Musikgeschäft zu gut, um sich noch irgendwelchen lusionen hinzugeben. Collins nimmt den plötzlichen Erfolg gelassen, aber gewissenhaft
zur Kenntnis, bereist mit seiner Lebensgefährtin und Managerin Grace Maxwell die Stationen seines späten Ruhms. „Kürzlich mußte ich bei einer Autogrammstunde 200 Leuten die Hände schütteln. Zum Schluß wußte ich nicht mehr, wie ich heiße. Da waren Leute dabei, die vor ‚A Girl Like You‘ noch nie etwas von mir gehört hatten.“ Derlei Autogrammwünsche hätten Edwyn Collins zu Beginn seiner Karriere sicherlich mit größerer Freude erfüllt. Seine Band Orange Juice hatte 1979 begonnen, eingängige Pop-Songs mit Punk-Appeal auf dem ‚Postcard‘-Label in Glasgow zu veröffentlichen. 1982 bekamen Orange Juice dann einen Vertrag bei einem Major-Label und brachten ‚You Can’t Hide Your Love Forever‘ heraus — ein Album voller Pop-Juwelen, aber ohne Hit-Single. Es folgte ‚Rip It Up‘, dessen Titelsong zwar die englischen Top-Ten erreichte, aber ansonsten kaum zur Kenntnis genommen wurde. „Weil sich das Album nicht verkaufte, fehlte uns das Geld, und ohne Geld fühlt man sich eben nicht wie ein richtiger Pop-Star“, erinnert sich Collins. Der Mißerfolg des ambitionierten Albums war zuviel für die Orange Juice. Die Band zerfiel nach und nach. Ein drittes und letztes Major-Album nahm Collins allein mit dem Schlagzeuger Zeke Manyika auf. Die Songs, die Collins‘ Unzufriedenheit auch textlich untermauerten, waren zwar von gewohnt hohem Standard, erwiesen sich aber ebenfalls als unverkäuflich. Orange Juice hörte auf zu existieren. Edwyn Collins begann eine Solo-Karriere, tourte häufig und unermüdlich „unplugged“ durch Europa, wurde als Kult-Star verehrt, aber vom breiten Publikum nicht registriert. Er machte das letzte ihm verbleibende Geld locker und investierte alles in ein eigenes Studio in London. Drei Jahre lang nahm er keine Platte mehr auf. Statt dessen produzierte er eifrig junge Bands. Dann erst sah er die Zeit für ‚Gorgeous George‘, sein 95er-Album, gekommen. Trotz seiner Hit-Single denkt Edwyn Collins nicht im Traum daran, von seinem Weg abzuweichen: „Es ist ein ständiges Auf und Ab mit der Musik, die ich mache. Auch ein Hit haut mich nicht um!“, sagt er und verschwindet, um zwei Mitarbeiterinnen eines Lokalradios über seine Lieblingsgetränke, sein — grundsolides — Liebesleben und natürlich seinen Charts-Erfolg aufzuklären.
Einen Hit wie Edwyn Collins landen? Lloyd Cole, der in den 80er Jahren mit seiner Band Commotions große Erfolge feierte, sieht das sehr realistisch: „Die Mächtigen der Radiowelt haben nunmal entschieden, daß meine Musik nicht das Richtige für ihr Programm ist. Und ich glaube auch nicht, daß sich das so schnell ändern wird. Es würde mir wahrscheinlich nichts ausmachen, wenn ich einen Riesenhit hätte. Klar, sicher würde mein Leben dadurch um vieles einfacher. Aber ehrlich gesagt, ich glaube nicht daran.“ Das ist auch gar nicht nötig, denn die Platten, die Cole mit den Commotions aufgenommen hat, waren kommerziell so erfolgreich, daß er auch heute noch davon leben kann. „Meine Plattenfirma hat sich mit mir eine goldene Nase verdient. Aber ich selber bin dabei auch nicht zu kurz gekommen. Es gab eigentlich keine Zeit, von der ich sagen könnte, ich hätte keine Kohle gehabt.“ Geld ist für Lloyd Cole also nicht die Motivation zum Weitermachen. „Ich habe noch etwas zu sagen und ich habe noch einige Songs in mir. Wäre das nicht so, würde ich aufhören. Außerdem denke ich, daß es noch eine Menge Leute da draußen gibt, die noch nicht wissen, wer ich bin.“
Eine Aussage, die auch auf Lloyd Coles Kollegen Julian Cope zutrifft. Mit fast 38 Jahren blickt der Mann aus Wales auf eine lange Karriere zurück, die ihm allerlei Höhen und Tiefen beschert hat. Bereits mit seiner Band The Teardrop Explodes schrieb der Sänger Anfang der 80er Jahre Charts-Geschichte. Doch es sollte noch bis zur Mitte des Jahrzehnts dauern, bis er, mittlerweile auf Solopfaden, den großen Durchbruch erlebte. Was ihn allerdings nicht unbedingt glücklicher gemacht hat. „Die Musikszene der 80er Jahre war sehr geldorientiert und eine schwere Zeit für geistige Ansprüche. Ich bin froh, aus dieser kommerziellen Phase heraus zu sein. So war mein 87er Album ‚Saint Julian* zwar sehr erfolgreich, aber für mich eine kreative Sackgasse. Ich handelte sehr intuitiv, gegen den Intellekt und besseres Wissen.“
Erst mit seinem Album ‚Peggy Suicide‘ feierte Cope 1990 eine kreative Wiedergeburt. Nach einem zweiten Knick in seiner Karriere war der Exzentriker wieder einmal „on top“. „Mein Trip ist eine lebenslange Odyssee“, meint Julian Cope, „ich bin eine Stimme des Untergrunds und nutze meine Popularität, um Dinge zu sagen, die gesagt werden müssen.“ Mittlerweile sagt „Saint“ Julian die Dinge, die er sagen will, beim Echo Label. Zu seiner eigenen Zufriedenheit, auch wenn er weniger Platten verkauft als früher. „Seit fünf Jahren mache ich bessere Sachen als je zuvor, was natürlich auch mein neues Album ’20 Mothers‘ einschließt.“
Bis heute hat Julian Cope zwölf Soloalben auf den Markt gebracht. Nicht schlecht für einen extravaganten, verrückten Künstler, der an seinem riesig angelegten, kosmischen Lebensplan festhält und dem künstlerische Freiheit über alles geht. „Es ist die Freiheit, Dinge zu tun, die man für richtig hält. Dabei ist es ebenso wichtig, einen kommerziellen Erfolg zu haben, wie ein unkonventionelles Album wie ‚Queen Elizabeth‘ aufzunehmen oder mein Buch über den deutschen Krautrock zu veröffentlichen. Es ist alles Teil eines Planes. Ich glaube, daß ich mit 38 Jahren alt genug bin, um zielgerichtet zu arbeiten. Ich habe noch eine ganze Menge vor mir.“