Eine Frau beißt sich durch


Als Kind ist Regina Spektor auf einen anderen Erdteil verpflanzt worden, und dass man sie dort kennt, verdankt sie vor allem den Strokes. Heute hält sie alle Fäden selbst in der Hand.

Frau und Klavier – man denkt an verhuschte Intensität, feengleiche Zerbrechlichkeit und: an Tori Arnos. Regina Spektor will mit so was nichts zu tun haben, auch wenn sie neutich herrlich verloren aussah, als sie. nur mit Klavier und einem Stuhl als Perkussionsinstrument bewaffnet, nachmittagsauf der viel zu großen Hauptbühne des „Melt!“-Festivals saß.

Die 1980 in Moskau geborene New Yorkerin, der es enorm wichtig ist, als russische Jüdin bezeichnet zu werden („Das ist ein wesentlicher Teil von dem, was ich bin!“), hat zu viel erlebt, um sich hinter putziger Naivität verstecken zu können. Als sie sechs war, verließ die Familie die Perestroika-Sowjetunion – ihr geliebtes Klavier musste Regina zurücklassen. Über Österreich und Italien landete sie, neunjährig, in der Bronx und hatte das Glück, eine Klavierlehrerin zu finden, die ihr ermöglichte, weiterzulernen. Mit 16 begann sie eigene Songs zu komponieren, tourte durch die Nachbarschaft, freundete sich mit der Antifolk-Familie um die Moldy Peaches an und hatte bereits eine stramme Fangemeinde um sich geschart, bevor sie überhaupt über einen Plattenvertrag nach dachte. Ihre ersten Alben 11:11 [2001] und SONGS (2002) produzierte und veröffentlichte sie selbst. Kein Zweifel: Die Frau kann sich durchbeißen. Den Song „Samson“ nahm sie 70-mal auf. rief dann, als das neue, fünfte Album BEGIN TO HOPE endlich ins Presswerk sollte, mitten in der Nacht den Produzenten an: „Wir müssen es noch mal machen, ich kann damit nicht leben.“

Mit ihrem jazzig angehauchten, etwas sperrigen Frühwerk ist sie unzufrieden, weil „kein Geld da war, um das umzusetzen, was ich wollte. Ich liebe Sachen wie die Beatles, Radioheod, Tom Waits, bei denen es nicht nur um die Songs geht, sondern darum, für jeden Song eine Welt zu erschaffen und sie zu füllen.“ begin to hope zeigt, dass sie leise und sonore Töne ebenso gut beherrscht wie schräge, dass sie weiß, wie man Melancholie buchstabiert, aber auch einen hervorragenden Sinn für Humor hat, textlich wie musikalisch. Und wohl auch Spürsinn für die richtigen Leute: Ihre dritte Platte soviet kitsch produzierte Gordon Raphael, der Produzent der Strokes, die von ihr so angetan waren, dass sie sie für eine Supporttour (wobei sie die Reisekosten aus eigener Tasche bezahlen musste! und ein Duett auf der „Reptilia“ -B-Seite .“Post Modern Girls“ engagierten. Danach fuhrsiemitden Kings Of Leon nach Europa.

„Ich kann nicht für immer die kleine Schwester der Strokes bleiben“, beschloss sie eines Tages. Schließlich hat sie die Musik und das Geschäft ja studiert, am Purchase-Konservatorium der New Yorker Uni, und ist dort ausgiebig gewarnt worden: „Nach dem Abschluss war ich total verängstigt. Wenn ein A&R-Mensch auf mich zukam, hab‘ ich mich umgedreht und bin weggelaufen. Aber langsam bin ich dann doch mit den Leuten warm geworden.“ Auf ihre Art freilich: „Das Einzige, was die aussuchen dürfen, ist die Single. Alles andere, Produzent, Songauswahl, Mastering, Cover, liegt ganz bei mir.“

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