Elektrotechniker
Nach den Erfolgen mit Sampler-Reihen wie "DJ Kicks' will das Berliner Label "Studio K7" nun auch mit regulären Alben seiner Künstler punkten.
„Kinder wachsen linearer als Firmen“, philosophiert K7-Labelchef und -gründer Horst Weidenmüller nachdenklich, bevor er plölzlich selbst über seine Analogie lachen muss. Doch in der Tat war es eine long and winding road, die K7 als eines der visionärsten Elektronik-Labels der Welt in die Heidestraße 52 brachte, in die industrielle Grauzone des ehemaligen Grenzgebietes zwischen den Berliner Stadtteilen Wedding und Moabit. Seit November 1999 arbeitet K7 hier mit einem elfköpfigen Team als Zentrale einer inzwischen weltweiten Struktur, das Berlin-Büro ist das Nervenzentrum eines wachsenden Imperiums mit Zweigstellen in London, Paris und New York. Angefangen hat Horst Weidenmüller 1985 als Produzent von Fernseh-Dokumentationen über ktgendkultur, bevor er erste finanzielle Erfolge mit Konzertfilmen über Nick Cave und die Einstürzenden Neubauten verbuchen konnte. MTV wurde auf Weidenmüller aufmerksam, da er zu den Ersten gehörte, die Techno mit Hilfe der Grafik-Programme alter Atari-Computer visualisierten. Sendungen wie „Party Zone“ waren regelmäßige Abnehmer seiner Experimente. „Es war eine logische Entwicklung, dass ich irgendwann auch Tonträger machen wollte“, erzählt Weidenmüller, der gleich recht erfolgreich Mixe von etablierten House-Dls wie Uurent Garnier, Hell, Hardfloor und Paul van Dyk unter dem Titel „X-Mix“ veröffentlichte. Es war in dieser Zeit, dass Weidenmüller einen engagierten Kollegen in Hamburg bekam: Stefan Strüver verdiente zwar sein Geld zunächst noch bei Rough Trade, die Zusammenarbeit der beiden wurde aber immer enger. „Seit 1996 bin ich offiziell und fest bei K7“, erinnert sich Strüver, der zunächst nach weiteren Compilation-ldeen suchte. „Nachdem X-Mix mit der zehnten Folge abgeschlossen wurde, starteten wir mit ‚DJ-Kicks‘ eine neuartige Plattform für Mix-CDs, die den Künstlern größtmögliche Freiheit einräuml“, so Strüver. In der Folgezeit entwickelte sich „Dl-Kicks“ zu einer der interessantesten Compilation-Serien auf dem Markt. Lind spätestens als die österreichischen Wekklasse-DIs Kruder und Dorfmeister einen handgemischten Mix ihrer Lieblingsplatten veröffentlichten, war Studio K7 weltweit als Elektronik-Vorreiter etabliert. Auch Thievery Corporation, Smith & Mighty und die Stereo MGs waren in der Folge sehr angetan von der künstlerischen Freiheit, die ihnen das Konzept ließ, und veröffentlichten „DI-Kicks“-CDs. Ein weiterer entscheidender Wendepunkt kam 1996, als sich Weidenmüller und Strüver entschlossen, selbst Aas für ein neu gegründetes Label unter Vertrag zu nehmen. „Wenn man schon so intensiv mit Künstlern zu tun hat und ihnen bei ihrer Entwicklung hilft, dann will man irgendwann auch längerfristig zusammenarbeiten“, erklärt Strüver. „Und außerdem war Stefan unterfordert, als er nur mit ‚Di-Kicks‘ beschäftigt war“, fügt Weidenmüller grinsend hinzu. Obwohl täglich drei bis vier Bewerbungstapes von jungen Talenten bei K7 angeliefert werden, entschloss man sich, zunächst internationale Künstler zu signen“, so Strüver. Nun erscheinen über Studio K7 unter anderem die Kruder & Dorfmeister-Soloprojekte Peace Orchestra und Tosca. Außerdem sind mit Smith & Mighty, A Guy Called Gerald und Funkstörung weitere Elektronik-Innovatoren im Boot. „Gute Künstler zu finden, ist gar nicht leicht. Obwohl ich es nicht schwierig finde, musikalisch am Ball zu bleiben“, so Strüver. „Ich renne sowieso zweimal die Woche in den Plattenladen.“ Studio K7 sucht für die Zukunft noch weitere Künstler, und vielleicht ist Beth Hirsch da wegweisend. Mit der Folk-Sängerin erschließen sich Weidenmüller und Strüver neue musikalische Landschaften und beweisen damit die Flexibilität, die ein trendunabhängiges Überleben sichert. Für den Herbst darf man sich auf „Dl-Kicks“ von Nightmares On Wax freuen, (lin)
TERRANOVA
Chase The Blues (Cameron McVey Remix) 3:48 Die ersten Pianoläufe auf der CD im ME wurden eingespielt von Terranovas Meister, der an der Hochschule der Künste in Berlin Klavier studiert hat. Das Trio aus der Hauptstadt hat es spätestens seit derTeilnahme an der“DJ-Kicks“-Reiheigg8in die Oberliga der international respektierten TripHop- und Elektronikprojekte geschafft. Produzent Fetisch bezieht seine Inspiration aus seiner mehrjährigen DJ-Tätigkeit in New York, außerdem verbindet ihn eine Freundschaft mit den Stereo MCs aus London.“Chase The Blues“ wurde von Portishead-haften Sounds inspiriert. Bitte Terranova nie verwechseln mit Terra Nova, einer fast gleichnamigen belgischen Hardrock-Band.
SMITH & MIGHTY Move You Run (Blue &
Red Mix) 551 Same (Ashley Beedle’s Afroart Vocal Mix) 855 Walking 4:08 Rob Smith und Ray Mighty aus Bristol waren entscheidend an der Entwicklung des TripHop-Sounds beteiligt,obwohl die beiden im Jubel um Portishead, Tricky und Massive Attack häufig übersehen wurden. Nach einigen erfolgreichen Maxis lehnte das Duo Anfang der goer ein Angebot von Virgin Records ab und erntete in den folgenden Jahren nicht die Anerkennung, die ihnen aus qualitativen Gesichtspunkten zugestanden hätte. Erst seit einer viel beachteten MixSession beim englischen Radio i sowie einer „DJ-Kicks“-Veröffentlichung igg8 werden Smith &i Mighty weltweit wahrgenommen. Die Engländer sind mit drei Songs auf der ME-CD vertreten.
TOSCA
Boss On The Boat 6:01 Vom Gedankengut des radikal minimalistischen Zen-Buddhismus fühlten sich Richard Dorfmeister und Rupert Huber angeblich inspiriert, als sie das Tosca-Album „Suzuki“ aufnahmen. Die beiden Wiener kennen sich seit der Schulzeit und machten mit ihrem Tosca-Debüt „Opera“ abseits des Kruder & Dorfmeister-Erfolges erstmals igg7 von sich reden „Chocolate Elvis“ und „Fuck Dub“ waren respektable Club-Hits. „Suzuki“ ist „Musik für die Seele von gestressten Großstädtern“, gleichzeitig aber auch ein durchdachtes und detailverliebtes Stück „Zuhörmusik“, wie der raffinierte Titel „Boss On The Boat“ beweist.
A GUY CALLED GERALD
Humanity 5 04 „Gerald Simpson ist der einzige -7-Act, der wirklich künstlerisch von Drum’n‘ Bass beeinflusst ist“, so Labelchef Stefan Strüver. Gerald wuchs im englischen Manchester auf, der lokale Kirchenorganist war die erste musikalische Inspiration. Seit den 8oern wirbelte er in sämtlichen elektronischen Genres von Techno über Acid House zu D’n’B Staub auf, Gerald setzte in allen Schaffensperioden entscheidende künstlerische Impulse. Nach seinem Umzug nach Brooklyn in New York begann er, sein Netzwerk weiter zu spinnen, und so arbeitet er im Moment an einem Projekt mit Bill Laswell und Herbie Hancock. Gerald zog künstlerisches Experimentieren schon immer der Massenkompatibilität vor. „Humanity“ (auf der ME-CD im Original und als Funkstörung-Remix) weckt hohe Erwartungen auf die „Essence“-CD, an der er fünf Jahre arbeitete und die im August erscheint.
IAN SIMMONDS
Alvin’s Blues 434 Simmonds ist als gefragter Produzent seit 1991 im Londoner Underground tätig. Der Multiinstrumentalist (Keyboard, Gitarre, Bass, Trompete) verwirklichte sich in diversen Acid Jazz-Formationen, gleichzeitig wurde er durch seine Arbeit mit (den damals noch unbekannten) Leftfield und Pressure Drop bekannt. Nach den abstrakten Elektro-Soundscapes seines K7-Debüts „The Last States Of Nature“ findet Simmonds mit „Alvin’s Blues“ zu seinen Jazz-Roots zurück.
PEACE ORCHESTRA
Domination 7:54 Im September 1999 veröffentlichte Peter Kruder sein unglaublich ausgereiftes Solo-Werk „Peace Orchestra“, komponiert mit alter Wienerischer Sorgfalt, arrangiert.
Kruder allein. Erstmals seit weit über einem Jahrhundert schwärmt nun wieder die ganze Welt von Orchester-Musik aus Wien. Harmonie, Innovation, Homogenität.
BETH HIRSCH
Somebody s Dandy 342 Life Is Mine 305 Bemerkenswert mühelos fügt sich diese Singer/Songwriterin in ein K7-Repertoire, das schwerpunktmäßig auf Elektronik baut. Beth Hirsch, aufgewachsen in Tampa, Florida, verfolgt eine sperrige und moderne Vision von Folk, die sympathische Amerikanerin ist drauf und dran, sich international einen Namen zu machen. In den letzten Jahren widmete sie sich der Schauspielerei, die sie schließlich für Theaterprojekte nach Paris brachte. Bei ersten Gesangsversuchen wurde sie dort von der Erfolgsband Air entdeckt, die Hirschs Songs „All I Need“ und „You Make It Easy“ auf ihreCD“Moon Safari“ nahmen. Die Titel auf der ME-CD stammen aus „Early Days“, das trotz irreführendem Titel Beth Hirschs Debüt ist.
SHANTEL
Creat Delay 5:06 Shantel@unfassbareWeiten.de könnte die E-mail-Adresse von Stefan Hantel lauten – der Frankfurter vereint mühelos scheinbare Gegensätze: Als visionärer Elektronik-Musikant projeziert er deutsch-kleines Reihenhaus-Gepiepse auf kosmisch-cinemascope Ambient-Screens. Nach einem Grafikstudium in Paris eröffnete Hantel den „Lissania“-Club in Frankfurts Rotlichtbezirk, ein Laden, in dem sich ab 1991 Acts wie Whirlpool und Kruder & Dorfmeister tummelten. Vor fünf Jahren erschien mit dem Debüt-Album „Club Guerilla“ eine LP, die Hantel endgültig auch als Musiker in der europäischen Clublandschaft auf den Plan brachte: Lob von Howie B. sowie ein Warm-Up Auftritt für Björk waren der Lohn. Shantel ist Bestandteil von Kruder & Dorfmeisters „DJ-Kicks“-Auswahl, mit „Higher Than The Funk“ liegt außerdem seit 1996 ein eigener K7-Longplayer vor. Im Augenblick arbeitet der Künstler in Tel Aviv und Frankfurt an seinem kommenden Album.“Great Delay“ auf der CD im ME ist bisher unveröffentlicht.
FUNKSTÖRUNG
Grammy Winners (Instrumental) 4:20 Michael Fakesch und Chris De Luca lieben die Musik, die sie täglich aufs Neue dekonstruieren. Mit Hingabe und Leidenschaft zersägen sie Melodien, Harmonien und Strukturen, um sie dann mit einer akustischen Flut von Störgeräuschen wieder zusammen zu schweißen. Lange stand zu befürchten, dass die beiden Rosenheimer vor lauter Remix-Arbeit für Björk, den Wu-Tang Clan, Jean-Michel Jarre und Tocotronic mit ihrem eigenen Longplayer nicht mehr fertig werden. Im April aber erschien endlich „Appetite For Disctruction“, und das lange Warten hat sich gelohnt: Die Künstler versichern, dass sie „iooo%ig damit zufrieden sind.