Elementarteilchen


Noch sind Placebo nicht alt genug, um als elder statesmen Kußhände und Ratschläge zu verteilen. Und auch ihr persönliches KID A läßt noch ein bißchen auf sich warten. Erstmal sind sie Rocktrio wie nie. Welches im betrunkenen Zustand nur das eine Thema kennt: HipHop. It's a shame.

Eigentlich sind Placebo keine Rockband. Sondern ein Element, das wir schon in allen denkbaren Aggregatszuständen erleben durften. Nach diesem Konzert in München beispielsweise, Ende der 90er Jahre,  WITHOUT YOU I’M NOTHING hatte gerade die Erdanziehungskraft überwunden, und die physischen Auswirkungen dieser Reise war den Musikern deutlich anzumerken. In diesem kalten Raum hinter der Bühne, weiß getüncht und von Neonröhren beleuchtet, mußten sie unsere Fragen über sich ergehen lassen, noch ganz betrunken von der Begeisterung der Massen. Der bleiche Brian Molko, dem die Schminke quer übers Gesicht gelaufen war, wirkte wie ein Werbeträger für Sauerstoffzelte. Stefan Olsdal federte fortwährend hin und her, die Gitarre noch umgeschnallt, zu aufgeregt für Antworten. Nur Steve Hewitt war ansprechbar, wie er da wach und dauergrinsend in seinem Sessel hing.

Was diese drei Typen für einen ungeheuerlich dynamischen Lärm zu veranstalten imstande sind, erlebten wir auf der Black Market Music-Tour. Es gewitterte das Stroboskop, die hohen Töne schnitten ins Ohr, die Hosenbeine flatterten unter dem Schalldruck der Bässe, und selbst eine Ballade wie „Without You I’m Nothing“ krachte mit einer Wucht ins Publikum, als wäre sie ein von der Straße abgekommener Rennwagen. SLEEPING WITH GHOSTS spielten sie uns in ihrem Studio in London vor. Laut Olsdal drehte an den Reglern, Hewitt war wieder lächelnd in einem Sofa versunken, und Molko hockte rauchend daneben und fragte:

„Und? Wie findest du’s?“ Mit David Bowie sahen wir das Trio auf einer Bühne stehen, mit Robert Smith von The Cure und diesem Glatzkopf von den Pixies. Wir sahen sie im Kino, in „Velvet Goldmine“, und wir lasen erfreut, daß sie ein Angebot abgelehnt hatten, für einen weiteren Spielfilm die Metal-Gruppe Judas Priest zu mimen. Wir sahen sie auf den T-Shirts schöner Frauen, auf Plakaten an Bauzäunen und einmal zufällig im Flugzeug, über dem Ärmelkanal. Olsdal und Hewitt hockten, einen freien Platz zwischen sich, in einer Dreierreihe, Molko ein paar Sitze dahinter, allein. Er bat die Stewardeß, sich umsetzen zu dürfen, nach vorne, zu seinen Freunden. Und nachdem er ihr ein Autogramm auf sein Ticket gekritzelt hatte, wurde ihm das auch gestattet. Das war, bevor der glückliche Co-Pilot in die Kabine stürmte, um ein Foto von seiner Lieblingsband zu machen, wie sie da, brav angeschnallt, beieinander saß und sich kleinlaut wünschte, man möge doch bitte nicht so viel Aufhebens machen…

Egal wo, egal wann, egal wie wir sie trafen. Immer erschienen Placebo als ein Element. Extrem stabil aus drei Molekülen, die sich nicht trennen lassen und zusammen nicht nur ein kompaktes Ganzes ergeben, sondern auf magische Weise auch mehr als die pure Summe ihrer Einzelteile. Und immer war Molko der Wortführer, Hewitt sein aufmerksamer Sidekick und Olsdal… nun ja, ein guter Zuhörer. Als uns Placebo in ein Berliner Hotel einladen, um über das neue, fünfte Album, MEDS, zu sprechen, ist schon unten in der Lobby die Hölle los. Zunächst glauben wir an eine optische Täuschung, als wir sehen, auf wen die vielen schluchzenden Teenager mit ihren Digitalkameras warten: ein schmächtiger kleiner Kerl, mit bescheuerter Frisur, zu viel Kajal um die Augen und schwarzlackierten Fingernägeln. Der Sänger von Tokio Hotel erscheint wie eine sehr schlechte Karikatur, wie ein sehr fernes, sehr bizarres Echo auf den frühen, wilden, androgynen Molko.

Das Original erwartet uns oben in seiner Suite und macht mit seinen neuerdings sachlich kurzen Haaren einen recht aufgeräumten, beinahe seriösen Eindruck. Steven Hewitt hockt in seinem Sessel und versucht, aus der Fernbedienung schlau zu werden. Es läuft BBC World, ohne Ton. Noch bevor wir uns fragen können, wo Stefan Olsdal steckt, spricht er uns von hinten an: „Tee? Kaffee? Gefällt dir die Platte? ‚

Ich bin überrascht…

OLSDAL: Ja, ja, schon klar. Ursprünglich sollte unser nächstes Album klingen wie unsere letzte Single, „Twenty Years“, sphärischer, moderner, mit verfremdeten HipHop-Beats und so…

MOLKO: … aber dann kamen wir mit unserem Material ins Studio und spielten es Dimitri Tikovoi vor, gespannt, was er davon halten würde. Was wir da noch nicht kannten, war sein vollkommen anderer Ansatz.

Nämlich?

MOLKO: Er wollte uns von Anfang an aus unserer „Komfortzone“ herausholen, uns als Band wieder mehr in den Vordergrund rücken. Auf der Platte sind nun viel weniger Keyboards und viel mehr Gitarren als auf SLEEPlNG WITH GHOSTS. Den elektronischen Verführungen zu widerstehen hat es uns erlaubt, das Songwriting mehr durchscheinen zu lassen. Performance ist nun mal unsere Stärke.

Wußtet ihr das nicht?

OLSDAL: Doch, schon…

MOLKO: Erst in Chile ist uns klar geworden, daß wir sozusagen Südamerika „geknackt“ hatten, ohne es zu merken. Dort dämmerte uns aber auch, daß wir dann am besten sind, wenn wir unser Material live in-your-face abliefern. Wieder daheim, waren wir gar nicht mehr so sicher, ob wir jetzt unbedingt unser KlD A in Angriff nehmen müssen. Da spielte vielleicht auch das Studio selbst eine Rolle…

Das RAK in Kensington, London – was ist daran so besonders?

MOLKO: Sleeping With Ghosts haben wir in einer Kirche aufgenommen, die von Sir George Martin zu einem High-End-Studio ausgebaut worden war – ein Studio mit allem, was das Musikerherz begehrt.

OLSDAL: Im Gegensatz zum RAK. Das ist seit den späten 70ern nicht renoviert worden.

HEWITT: Es gibt zwar viel Zeug zum Rumspielen, aber es ist alles nicht auf dem neuesten Stand, nicht mal auf einem halbwegs mittelalten …

MOLKO: Das hat uns zunächst erschreckt, weil wir dachten: Hey, wo ist das Spielzeug? Aber dann wurde uns klar, daß uns dieser Ort auf uns selbst zurückwirft und darauf, was diese Band aus sich heraus zu leisten imstande ist, ohne sich hinter tollem Equipment verstecken zu können.

Mir ist das dominante Schlagzeug aufgefallen …

HEWITT: Das war Flood. Es gehört zu seinen Stärken, in der Abmischung die perkussiven Elemente zu betonen.

MOLKO: Wenn du dir anhörst, was er mit den Smashing Pumpkins gemacht hat, dann hörst du überall dieses Schlagzeug, das immer den Ton angibt. Das Schlagzeug ist der Herzschlag einer jeden guten Rockband.

HEWITT: Naja.

MOLKO: Ich bitte dich! Was wären Led Zeppelin ohne John Bonham?

HEWITT: Eine x-beliebige Bluesrock-Gruppe, ja. Normalerweise achte ich aber nicht besonders auf das Schlagzeug und wie es klingt. Es kommt nur darauf an, wie der Rhythmus dem Song dient. Und das hat Flood wirklich perfekt hinbekommen: Mich als Schlagzeuger so weit wie möglich nach vorne zu mischen und mir sozusagen gleichzeitig die Kleider auszuziehen. Das ist eine sehr exponierte, aufregende Stellung, irgendwie brutal, last wie ganz vorne am Bühnenrand.

Also ideale Voraussetzungen für die nächste Tournee, oder? Im Studio nimmt Placebo die Songs auf, die Placebo live am meisten Spaß machen.

MOLKO: Absolut! Was auf der nächsten Tournee besonders interessant sein wird, ist, daß wir einen weiteren Gitarristen engagiert haben, der auch Keyboard spielen kann und uns bei der Umsetzung unserer Stücke unterstützt, das Spektrum unseres Sounds erweitert, auch bei den alten Songs. Das heißt, bei manchen Sachen werden wir mit drei Gitarren auf der Bühne stehen!

Placebo goes ZZ Top!

OLSDAL: Exakt!

In der Wembley Arena habt ihr zusammen mit Robert Smith von The Cure „Boys Don’t Cry“ und „Without You l’m Nothing“ gespielt, ihr habt ein Konzert in Paris auf DVD veröffentlicht und eine Sammlung aller Singles manche meinten schon, das wäre der Abgesang auf eure Karriere…

MOLKO: Das ist es doch, was eigentlich alle Bands nach zehn Jahren machen: ihre bisher erfolgreichste Arbeit auf eine Platte packen. Bei uns waren das immerhin 17 erfolgreiche Singles. 17! Das ist nicht wenig. Für mich ist das eine Orientierungshilfe, kein Abschiedsbrief.

HEWITT: Wir wollten die Leute daran erinnern, daß wir nicht nur eine ziemlich gute Live-Band sind, sondern auch … doch, ja, eine ziemlich gute Singles-Band.

OLSDAL: Von unseren B-Seiten ganz zu schweigen!

HEWITT: Ja, wir experimentieren auch gerne herum. So kamen wir überhaupt erst auf Dimitri.

BLACK MARKET MUSIC habt ihr noch selbst produziert, bei sleeping with ghosts saß immerhin Jim Abiss an den Reglern, zu dessen Kunden Björk, DJ Shodow und Massive Attack gehören. Wieso jetzt ausgerechnet Tikovoi – ein Produzent, den außerhalb Frankreichs kaum jemand kennt?

MOLKO: Ausschlaggebend war wohl unsere Kollaboration für „Running Up That Hill“ für unser Cover-Album. Das lief so gut, daß wir Dimitri im Hinterkopf behielten. Und als wir dann mit unseren avantgardistischen Ambitionen zu ihm ins Studio kamen und er geradeheraus sagte: „Jungs, ich glaube, es ist für euch noch nicht die Zeit gekommen, so ein Album zu machen „, haben wir ihm geglaubt.

Andere Gruppen reizen das Format gerne aus und liefern Alben ab, die weit länger als eine Stunde laufen. Was spricht denn im CD-Zeitalter dagegen, den Fans für ihr Geld alle 16 Songs zu geben ?

OLSDAL: Wir. Wir sprechen dagegen.

MOLKO: Es ist die Aufnahmefähigkeit des Menschen. Ich finde, ein Album sollte die „geistige Gastfreundschaft“ der Hörer nicht überstrapazieren. Nimm nur mal TAGO MAGO von Can. Tolle Musik! Aber nach dem ersten Stück der Platte sagst du dir: „Okay, Zeit für eine Tasse Tee!“

HEWITT: Wer nur noch MP3-Player kennt und sich die Rosinen runterlädt, der übersieht manchmal völlig, daß es überhaupt so etwas wie ein Album gibt-eine Songsammlung, die zusammengehört und zusammen gehört werden muß.

OLSDAL: Richtig, das Format verschwindet.

Aber die Musik wird zugänglicher.

OLSDAL: Ja, klar, dann hast du Zugang zu einer gewaltigen Müllhalde.

Warum so kulturkritisch ? Mit britischem Pop sieht s doch derzeit richtig rosig aus, sogar im HipHop…

MOLKO: HipHop? Hör mir auf mir HipHop!

50 Cent? Kanye West?

HEWITT: Auweia, jetzt geht slos …

MOLKO: Wenn wirbetrunken sind, streiten wir uns dauernd darüber, da gibt es kaum ein anderes Thema als den Stellenwert und die Qualität des HipHop unserer Tage. Was ich bisher von Kanye West gehört habe, mag vielleicht netter Pop sein, aber es ist völlig substanzlos.

OLSDAL: Aber 50 Cent…

MOLKO: Ich will jetzt nicht erschossen werden. Aber ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas so … Unmusikalisches gehört zu haben.

OLSDAL: Wenn Dr. Dreproduziert…

MOLKO: … dann klingt das natürlich vollkommen flüssig und tadellos und perfekt und poliert und alles, dann ist eigentlich nichts daran auszusetzen. Aber was da produziert wird, ist einfach himmelschreiend… dumm, ja. Unharmonisch, unmelodisch…

HEWITT: …eindimensional…

MOLKO:… und flach! Es ist eine Schande! Vor allem, wenn man zurückgeht zu den Wurzeln des HipHop und sich beispielsweise Africa Bambaataa anhört, der mit James Brown und John Lydon gearbeitet haben, solche Sachen! Ich glaube, HipHop war damals ein wirklich transgessives Medium. Ein Stil, der sich die konstante Veränderung auf die Fahnen geschrieben hat. Ein musikalischer Stil, der sich auf frühere Funk-Platten berufen hat und dieses rebellische Moment weitertreiben wollte. Es gab Gruppen wie Public Enemy, die in ihrer Wut einen vollkommen neuen HipHop-Sound etabliert haben. Die mit ihrer Guerilla-Musik einen ungeahnten Weg hin zu einem radikal politischen, klanglichen Terrorismus aufzeigten, der heutzutage höchstens noch von Bands wie der Asian Dub Foundation beschritten wird. HipHop war einmal ein so aufregendes, grundsätzlich neues, radikal alternatives musikalisches Medium. Es ist so traurig-. Heute geht es darin nur noch um Sex und Geld.

HEWITT: Und Designerklamotten!

Was sich wohl aus der schwarzen US-Popkultur erklärt…

MOLKO: Klar. Mit der deutschen HipHop-Szene kenne ich mich nicht so gut aus, da kenne ich nur Seeed. Aber die erfolgreichsten HipHop-Veröffentlichungen kommen aus den USA. Da hast du Pharrell Williams, der mit Snoop Dogg „Drop It like It’s Hot“ macht und du denkst: Nein danke, ich muß jetzt nicht noch ein Goldkettchen sehen, nicht noch einen weißen Rolls-Royce. Es ist so unglaublich laaangweilig. Snoop, erzähl‘ mir doch zur Abwechslung mal etwas über dich! Was macht dir Angst, was macht dich wütend – obwohl du einen Sack voll Geld hast?

HEWITT: Diese Attitüde macht es so lächerlich, es liegt nur an dieser verdammten Attitüde. Die macht den HipHop kaputt. Die jüngste Platte von Danger Mouse höre ich aber ständig…

MOLKO: Ja, Danger Mouse ist cool. Und Dälek, die Crew, die eine Platte zusammen mit Faust gemacht haben. Aber sowas findet nur an der Peripherie statt. Kanye West ist populär, aber ein interessanterer Fall: Klar ist da auch alles glattpoliert, aber wenigstens rappt er über etwas …

Er hat eine Botschaft…

MOLKO: Der erste größte HipHop-Hit überhaupt hieß doch „The Message“, um Himmels Willen, ja! Trotzdem. Was ich meine, ist: Hör dir doch heute mal ein Stück wie „Evil Heat von Primal Scream an! Da ist ein einziger Song in seiner Attitüde mehr HipHop als alles, was derzeit aus den USA zu uns kommt.

Wenn, wie du sagst, gute Musik in den USA eine Randexistenz führt, wo liegt dann ihr Zentrum ? In England? Und was ist da los ?

MOLKO: Hm. Nein, es kommt eher darauf an, welchen Randerscheinungen du erlaubst, einzusinken ins allgemeine Bewußtsein. Das passiert immer wieder mal wieder. Ich war zum Beispiel völlig aus dem Häuschen, als Antony & The Johnsons den „Mercury Music Prize“ gewonnen haben. Seine beiden Platten haben mich sehr berührt. Ich habe aber nicht damit gerechnet, daß das passieren würde, obwohl ich ihm meine Stimme gegeben hätte. Und es hat mich diebisch gefreut, wie diese Entscheidung in England für Stunk gesorgt hat – weil Antony als Brite mit zehn Jahren in die USA emigriert ist, weshalb er trotz seines britischen Passes irgendwie als Amerikaner galt.

Da hatte auf einmal das vermeintlich liberale britische Musikbusiness gewissermaßen einen Anfall von Fremdenfeindlichkeit.

MOLKO: Umso schöner, daß die Kaiser Chiefs nicht gewonnen haben. Je länger ich darüber nachdenke, um so klarer wird mir, daß ich eigentlich gar keine Musik höre, die aus England kommt.

Sondern?

MOLKO: Neben Antony höre ich Sigur Rós, Rufus Wainwright…

Willst du mir ernsthaft weißmachen, daß dich Bloc Party, Maximo Park oder Art Brut überhaupt nicht interessieren?

MOLKO: Ich habe gerne Spaß, aber die „New Wave Of British Cool“ ist trotzdem an mir vorbeigegangen. Was vielleicht daran Hegt, daß du in England die neue Kaiser-Chiefs-Single ständig im Radio hörst.

Zwischen der neuen Madonna und der neuen Robbie Williams…

MOLKO: Ha! Ja, hast du gestern zufällig englische Zeitungen gesehen?

Nein, warum?

MOLKO: Weil Robbie Williams mit den Worten zitiert wurde: „Ich bin nicht schwul, aber ich würde Brian Molko von Placebo küssen. Ich hab s heute erst gelesen und bin fast ausseflippt!

Du wirkst… freudig erregt.

MOLKO: Ich werde ihn gleich anrufen, wenn wir wieder in London sind!

Kann sein, daß du ihn eher in Los Angeles triffst…

MOLKO: Egal, bestimmt zahlt er meinen Flug.

OLSDAL: Alles, was Robbie erzählt, hat mit Sex oder irgendwelchen Groupies zu tun. So bleibt er im Gespräch

HEWITT: Er tut nix, er will nur spielen. Obwohl er damit schon ziemlich lange im Geschäft ist.

OLSDAL: Das sind wir auch.

Auch Placebo waren einmal neu jung, hungrig und hart – wie die vielen spannenden Bands, die zuletzt aus England gekommen sind. Es wundert mich, daß ihr euch da so distanziert zeigt, anstatt sie…

HEWITT: … unter unsere Fittiche zu nehmen, meinst du das?

David Bowie ist ein Dinosaurier. Aber er knutscht alle neuen Künstler ab, die er cool findet, als würde dieser Kuß sein eigenes Leben verlängern.

MOLOKO: Ich weiß, was du meinst. Aber wir fühlen uns noch ein bißchen zu jung, um uns wie die elder statesmen of indie rock aufzuführen.

Aber setzt ihr euch denn überhaupt nie ins Verhältnis zu all den nachdrängende, jungen, erfolgreichen Bands?

MOLKO: In stillen Stunden schon. Als wir 1996 anfingen, Songs wie „Nancy Boy“ zu veröffentlichen, waren wir meilenweit weg von allem, was Mode war. Heute, zehn Jahre später, ist unsere Ästhetik ein Teil der Sprache alternativer Rockmusik geworden. Das ist okay. Wir stellen uns jetzt nicht an jede Straßenecke und rufen: „Hey, wir haben es zuerst getan!“, denn heute ist es überall. Und eben weil wir sowas schon vor zehn

Jahren gemacht haben, können wir es heute nicht mehr tun. Es ist eine ganz normale Entwicklung.

Stefan, mit schwedischen Bonds verholf es sich ähnlich. Oder hättest du vor zehn Jahren einen Hype um Bands wie Mando Diao für möglich gehalten?

OLSDAL: Nein, aber Schweden ist ein Wohlfahrtsstaat. Du mußt nur nachweisen, daß du drei Wochen geprobt hast, schon bekommst du Geld vom Staat, von dem du dir noch mehr Bier kaufen kannst.

Das ist das ganze Geheimnis?

OLSDAL: Es gibt auch viele leere Gebäude, alles potentielle Proberäume. Aber das Geheimnis? Ich glaube, es ist dort irgendwas im Trinkwasser…

Wenn ihr es konkret benennen müßtet, wie würdet ihr einem Taubstummen klarmachen, daß sich Placebo künstlerisch weiterentwickelt haben?

OLSDAL: Wir verwenden alternative Tunings. Auf dem neuen Album sind mehr Gitarren und viel mehr alternative Gitarrentunings, teilweise für jeden Song ein neues …

MOLKO: Wir haben das von Sonic Youth gelernt, den Meistern des alternativen Tuning. Weil die Gitaren so oft anders gestimmt werden müssen, haben wir es sogar aufgeschrieben, damit wir es nicht vergessen. Dem Taubstummen könnten wir also wenigstens diesen Zettel zeigen. Es bringt einfach eine neue Farbe auf unsere Palette.

Bei Sleeping With Ghosts habt ihr dasselbe von der Elektronik behauptet.

OLSDAL: Ja, aber diesmal haben wir sie nicht verwendet.

HEWITT: Nein, sondern Fahrräder, Feuerlöscher…

MOLKO: Wir haben uns im Studio umgeschaut: „So, worauf könnten wir denn heute herumkloppen?“

HEWITT: Auf dem Produzenten!

OLSDAL: Auf uns gegenseitig.

Ganz ehrlich: Hort ihr euch manchmal eure eigenen alten Platten an ?

OLSDAL: Nein.

HEWITT: Nie.

MOLKO: Selten. Wenn ein alter Song bei jemandem im Autoradio kommt, sage ich schon mal: „Das habe ich seit sechs Jahren nicht gehört, laß das laufen“.

Und wie fühlt sich das an?

MOLKO: Lustig.

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