Embrace – The Good Will Out


Die Brüder Danny und Richard McNamara aus Leeds sind ernste junge Männer. Und sie sind schon wieder welche von diesen schrecklich von sich selbst eingenommenen Engländern, die ihre Band für die tollste auf Erden halten. Also: Nasrümpfen oder Danny McNamara die Waffen strecken, wenn er ganz ohne Zorn und Eifer fragt, was für einen Sinn es denn bitteschon habe, etwas zu tun, wenn man nicht überzeugt davon ist, daß es besser ist, als das, was die anderen tun. Sich dann das Debüt-Album seiner Band Embrace anhören und es wird dieser Moment kommen, da es auf einmal wirklich keine grandiosere, größere Musik in dieser Welt gibt. Man wird das bald wieder differenzierter sehen, ja klaaar, aber dieser Moment war da. Und er hat gesagt, daß er wiederkommt. Mit Oasis und den Gallagher-Brüder werden Embrace und die McNamaras von der englischen Musikpresse verglichen. Weil sie Brüder sind, die zu einigem entschlossen sind. Und weil die Musik ihrer drei grandiosen letztjährigen E.P.s wirklich viel mit dem Sound der Gallaghers zu tun hat. Große Gitarren, großes Orchester, große Balladen, großer Rock, das Wissen, daß der naheliegendste Akkordwechsel oft auch der effektivste sein kann und mehr bisweilen wirklich mehr ist. Doch abgesehen davon, daß die McNamaras Songs schreiben, von denen Noel G. süß träumen kann, gibt es da einen definierenden Unterschied: Embrace haben Seele. Sie klingen nicht nur gut, sie können einem das Herz erhellen, es mit Adrenalin vollpumpen, um es im nächsten Moment herauszureißen. Das können Oasis nicht. Wenige Bands können das. „All You Good Good People“, der Album-Opener nach einem unbescheidenen Orchester-Intro ist ein programmatischer Aufruf, eine Hymne, auf die dieses abgenudelte Prädikat wirklich zutrifft, ein Rock-Spiritual für die seelisch Angezählten. Danach „My Weakness Is None Of Your Business“: sanftes Piano, warme Streichersätze und Danny McNamaras brüchige Vocals – die anrührende Qualität der Gießkannenstimme kennen wir seit Neil Young. Und wenn der Refrain einsetzt, schluckt man. Man schluckt wieder bei „Come Back To What You Know“, bevor einen „One Big Family“ an der Hand nimmt, die Gitarren anzurrt und losstürmt. „Mitreißend“ ebenfalls abgenudelt -, ist das Wort für sowas. Wie auch für „I Want The World“, „You’ve Got To Say Yes„, „The Last Gas“, verschwenderische Rocker- noch eine Gitarrenschicht, noch eine zweite, dritte Stimme, noch ein Bläsersatz – die kicken, kicken, kicken, mitgesungen werden wollen. „Fireworks“ ist das bewegendste Lament über verglühte Liebe seit es Tränen gibt,“Now You’re Nobody“ muß in seiner erhabenen orchestralen Wärme in Kirchen gespielt werden. „They want to make you weep with every song they write“, schrieb der englische Melody Maker über Embrace. Und in der Tat ist hier nicht ein Song, der kalt, unberührt ließe. Sowas wie Nullnummern erlauben sich Embrace nicht. Schließlich sind sie die beste Band des Planeten. Das würden sie so wohl gar nicht sagen. Aber weil sie uns mit dem unverschämt großartigen Titeltrack von THE GOOD WILL OUT auch noch das wahre „Hey Jude“ für die 90er schenken, ist man bereit, es für sie hinauszuposaunen in die Welt. Für den Moment. Der wiederkommt.