Emerson, Lake &Palmer
Mächtige Bollerschüsse beim Isle-of-Wight-Festival vor zwei Jahren verkündeten die Geburt einer neuen Supergroup. Nun ist es jedoch seit dem missglückten Versuch – siehe „Blind Faith“ — Gruppen durch dieses Etikett auf einen erfolgsträchtigen Kurs zu lotsen, müssig über solche Werbeaktionen zu reden, geschweige denn zu schreiben. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten dieser sogenannten „Supergroups“ schon im embryonalen Zustand das Zeitliche segnen. Auch heute noch kann man darüber streiten, ob diese Bezeichnung „Super“ auf EMERSON, LAKE & PALMER, kurz ELP genannt, zutrifft, dass sie nicht nur, wie Experten anfänglich meinten, ein „Nice“-Abklatsch waren, sondern schon damals eine Eigenständigkeit präsentierten, die heute schon fast zu einem Markenartikel geworden ist. Allen Unkenrufen zum Trotz sind diese drei von der heutigen Musikscene nicht mehr wegzudenken.
NEUE FORMEN DER TRIOMUSIK GEFUNDEN
Ähnlich wie bei den „Nice“, wo EMERSON zusammen mit LEE JACKSON und BRIAN DAVIDSON für eine neue klassische Artikulation sorgte, ist er heute mit CARL PALMER und GREG LAKE bemüht, die verharschten Formen der Trio-Musik aufzubrechen und in neue Bahnen zu lenken. Dass diese Suche gerade zu Anfang nicht selten auf Kosten der eigenen Musikalität ging, kann man nicht von der Hand weisen. Doch das Konzept scheint nach drei gelungenen LPs und nach mehreren erfolgreichen Tourneen gefunden zu sein. Auch präsentiert KEITH EMERSON heute sein Ego nicht mehr so erdrückend, wie es noch beispielsweise vor Jahresfrist der Fall war. Er räumt seinen Mitspielern mehr Freiheit ein, obwohl seine Instrumente: Klavier, Orgel und Moog, aufgrund der gegebenen Vanationsmoglichkeiten noch immer dominierend sind. KEITH: „Gewöhnlich schreiben GREG und ich die Songs, doch CARL ist unser ausschlaggebender Schiedsrichter. Ist er von einem begonnenen Stück begeistert, setzen wir uns hin und beenden den Song. Ist er es nicht, nun, lassen wir den Titel meistens fallen“.
CARL PALMER DER SKEPTIKER
CARL war derjenige, der die grössten Bedenken hatte, dieser Gruppe beizutreten. Erstens hatte er gerade mit Vincent Crane „Atomic Rooster“ aufgebaut und zum anderen behagte ihm nicht, dass ELP in der gleichen Instrumentierung arbeiten wollte wie die alten „Nice“, das hiess: Schlagzeug, Bass und Orgel. Doch KEITH EMERSON hatte den grossen Weismacher im Ärmel, den VRC 22.
EIN MOOG SYNTHESIZER
Es war ein Moogsynthesizer aus der Hexenküche des Mr. MOOG, der von nun an das musikalische Bild der Gruppe entscheidend mitbestimmen sollte. Heute ist dieses „Instrument“, man kann es nur unter Vorbehalt als Instrument bezeichnen, zum Erkennungsmerkmal des Trios schlechthin geworden. Doch wäre es für KEITH EMERSON nur bei zaghaften Spielereien auf dem Moog geblieben, so wäre die Musik der Gruppe nicht so entscheidend beeinflusst worden. KEITH hat versucht, diesen technischen „King Kong“ in den Griff zu bekommen. Doch 28 Millionen Klangmöglichkeiten und wiederum deren Variationen kann man nicht in zwei Jahren ausloten. Manchmal artete die Arbeit der Gruppe zu einem einzigartigem Technik-Trip aus, wobei man am Ende nicht mehr wusste, wer hat wen in der Hand: Die Technik die Musiker – oder umgekehrt? Doch KEITH als ein Absolvent der Royal Academy of Music beschäftigte sich ernsthaft mit diesem elektronischen Monster. Er schrieb spezielle Kompositionen für den Synthesizer. Seine Arbeit wurde nicht nur von den Fans, die sich mittlerweile hinter der Gruppe angesammelt hatten, honoriert, sondern auch von Fachjournalisten. Im letztjährigen Poll des „Melody Maker“ wurde die Gruppe nicht weniger als 11-mal erwähnt. GREG LAKE wurde hinter Jack Bruce zweitbester Bassist. CARL PALMER ist weitbester Drummer und wie könnte es anders sein, KEITH EMERSON bester Organist, eingeschlossen seine Leistungen auf dem Synthesizer.
EINE ENORME US-TOURNEE
Ihre Konzerte sind Musik bis zum Exzess, eine Orgie aus Spiel und Elektronik. Im Frühjahr 1972 begaben sich die drei auf eine sechswöchige Staaten-Tournee. Der Höhepunkt fand im New Yorker „Madison Square Garden“ statt und der grösste Erfolg wurde der Titel „Nutrocker“, eine Tschaikowski-Komposition. KEITH selbst meint dazu: „Als wir dieses Stück in den USA zum erstenmal spielten, kam es miserabel an und wir strichen es aus unserem Programm. Heute stehen die Leute aber seltsamerweise drauf und verlangen „Nutrocker“ bei jedem unserer Konzerte. Bei uns ist es jedoch so, als würden wir einen uralten Witz erzählen“. Für CARL PALMER war in den Staaten das Zusammentreffen mit Billy Cobham, dem Drummer von John McLaughlins „Mahavishnu Orchestra“ ein grosses Erlebnis. Er sagte dazu: „Billy Cobham ist ein grossartiger Schlagzeuger. Er ist einer der wenigen, die noch neue Ideen und einen eigenen Stil haben, ohne von anderen abzuschauen. Wir haben auch mit Bruce, West und Laing zusammen gespielt, doch die haben mir nicht so gut gefallen. Sie spielen genauso wie früher die „Cream“ und „Mountain“, ohne viel Neues zu bringen. Aber, so glaube ich, das sollte auch der eigentliche Sinn der Sache sein. Doch, meine ich, dass Bruce und West weit unter ihrem Wert gespielt haben“.
ZWEITE DEUTSCHLAND-TOURNEE
Im Juni weilte das Trio zum zweitenmal in Deutschland. Ihre Tournee wurde ein voller Erfolg. Es wurden nicht nur Stücke aus „Tarkus“ und „Pictures at an Exhibition gespielt, sondern auch Titel aus der neuen LP „Trilogy“. Nach dem Konzert in Frankfurt, das ebenfalls ein orgiatisches Erlebnis wurde, fanden wir Zeit CARL PALMER ein paar Fragen zu stellen. CARL ist derjenige, der trotz seiner hervorragenden Schlagzeugsolos noch immer im Schatten der Gruppe steht. HAST DU DIR SCHON EINMAL GEDANKEN GEMACHT, WAS NACH ELP KOMMEN WIRD?
„Es ist klar, dass wir nicht ewig so weitermachen können. Am liebsten würde ich dann in einer Bigband spielen wie Buddy Rieh oder Elvin Jones. Ich habe schon mit Buddy Rieh’s Band gespielt, es war fantastisch“.
CARL PALMER ist heute 22 Jahre und er wird schon mehr kopiert als der beinahe doppelt so alte Ginger Baker.
WAS IST DAS FÜR EIN GEFÜHL?
„Das ist ganz seltsam. Ich weiss natürlich, dass ich ganz gut bin und ich weiss auch, dass ich dafür eine Menge gearbeitet habe. In den ersten Jahren habe ich täglich sechs Stunden geübt und auch heute noch probe ich täglich zwei Stunden. Meistens schlage ich dann nur Grundschläge. Trotzdem ist es ein tolles Gefühl, als bester Rock-Schlagzeuger der Welt zu gelten, besonders in meinem Alter“. Sagt selbst, sind EMERSON, LAKE & PALMER zukunftsweisend?